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Sie heirateten bereits ein Jahr später und versuchten schon bald, Kinder zu bekommen, was sich jedoch als schwierig erwies. Simone hatte vier Fehlgeburten hintereinander. Eine ist Erik besonders deutlich in Erinnerung geblieben. Simone war in der sechzehnten Woche, als ein weiblicher Fötus kam. Exakt zwei Jahre nach dieser Fehlgeburt wurde Benjamin geboren.

Erik blickt blinzelnd aus dem Autofenster und lauscht Joona Linna, der sich über Funk leise mit seinen Kollegen unterhält, die ebenfalls auf dem Weg nach Värmdö sind.

»Mir ist da etwas durch den Kopf gegangen«, sagt Erik.

»Ja?«

»Ich habe gesagt, dass Josef Ek nicht fliehen kann, aber wenn ich bedenke, dass er sich selbst all diese Messerstiche zugefügt hat, sollte man sich dessen vielleicht nicht zu sicher sein.«

»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, erwidert Joona.

»Okay.«

»Ich habe einen meiner Männer vor seinem Zimmer postiert.«

»Es ist vermutlich völlig unnötig«, sagt Erik.

»Ja.«

Drei Autos parken unter einem Hochspannungsmast am Straßenrand. Vier Polizisten stehen im hellen Licht und unterhalten sich, ziehen ihre Schutzwesten an und zeigen auf eine Karte. Das Sonnenlicht wird vom Glas eines alten Gewächshauses reflektiert.

Joona setzt sich wieder auf den Fahrersitz und bringt kühle Luft mit herein. Er wartet darauf, dass die anderen in ihren Wagen Platz nehmen, und trommelt gedankenverloren mit einer Hand auf dem Lenkrad herum.

Aus dem Funkgerät ertönt plötzlich eine schnelle Tonfolge und anschließend ein lautes Krachen, das abrupt aufhört. Joona wechselt den Kanal, testet, ob alle in der Gruppe zugeschaltet sind, und wechselt ein paar Worte mit jedem, ehe er den Motor anlässt.

Sie fahren an einem braunen Acker vorüber, lassen ein Birkenwäldchen und ein großes rostiges Silo hinter sich.

»Wenn wir da sind, warten Sie im Auto«, sagt Joona leise.

»Ja«, antwortet Erik.

Ein paar Krähen fliegen von der Straße auf und flattern davon.

»Welche negativen Seiten hat die Hypnose?«, erkundigt sich Joona.

»Wie meinen Sie das?«

»Sie waren einer der Besten auf der Welt, haben aber trotzdem aufgehört.«

»Menschen können gute Gründe haben, Dinge zu verbergen«, antwortet Erik.

»Das ist klar, aber …«

»Und diese Gründe sind bei einer Hypnose nur sehr schwer zu beurteilen.«

Joona wirft Erik einen skeptischen Blick zu.

»Warum glaube ich nicht, dass dies wirklich der Grund dafür ist, dass Sie aufgehört haben?«

»Ich möchte nicht darüber sprechen«, sagt Erik.

Beiderseits der Straße flimmern Baumstämme vorbei. Der Wald wird dichter und dunkler. Unter dem Auto knirscht Kies. Sie biegen in einen schmalen Waldweg ab, kommen an ein paar Sommerhäusern vorbei und halten. In der Ferne sieht Joona zwischen den Fichten ein braunes Holzhaus auf einer dunklen Lichtung.

»Ich verlasse mich darauf, dass Sie hier sitzen bleiben«, sagt er zu Erik und steigt anschließend aus dem Wagen.

Während Joona zur Einfahrt geht, wo die anderen Beamten schon auf ihn warten, denkt er erneut an den hypnotisierten Jungen. Die Worte, die einfach so zwischen seinen schlaffen Lippen herausströmten. Ein Junge, der seine bestialische Aggression mit distanziertem, klarem Blick beschrieb. Die Erinnerung musste ihm ganz deutlich vor Augen gestanden haben: die Fieberkrämpfe der kleinen Schwester, die aufbrausende Wut, die Wahl der Messer, die Euphorie darüber, eine Grenze zu überschreiten. Gegen Ende der Hypnose wurden Josefs Beschreibungen wirr, und es fiel schwerer zu verstehen, was er meinte, was er wirklich wahrnahm, ob seine ältere Schwester Evelyn ihn tatsächlich gezwungen hatte, die Morde auszuführen.

Joona schart die vier Polizisten um sich. Ohne den Einsatz zu heißzureden, beschreibt er den Ernst der Lage und gibt Anweisungen zum Gebrauch von Schusswaffen. Bei gezielten Schüssen muss unter allen Umständen auf die Beine gezielt werden. Er vermeidet Begriffe aus seiner Ausbildung in Polizeitaktik und erklärt stattdessen, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach einen vollkommen harmlosen Menschen antreffen werden.

»Ich möchte euch alle ermahnen, vorsichtig aufzutreten, um das Mädchen nicht zu erschrecken«, betont Joona. »Sie könnte Angst haben oder verletzt sein, aber gleichzeitig dürft ihr keine Sekunde vergessen, dass sie auch gefährlich sein könnte.«

Er schickt eine Patrouille von drei Beamten um das Haus herum, bittet sie, nicht durch den Gemüsegarten zu trampeln, außerhalb des Grundstücks zu bleiben, um sich dann auf der Rückseite dem Haus aus sicherer Entfernung zu nähern.

Sie gehen den Waldweg hinunter und einer von ihnen bleibt stehen und schiebt sich einen Portionsbeutel Schweden-Snus unter die Lippe. Die schokoladenbraune Fassade des Hauses besteht aus waagerecht angebrachten, sich überlappenden Brettern. Die Fensterrahmen sind weiß gestrichen, und die Haustür ist schwarz lackiert. Rosa Vorhänge hängen in den Fenstern. Aus dem Schornstein steigt kein Rauch auf. Auf der Eingangstreppe stehen ein Schrubber und ein gelber Plastikeimer mit trockenen Fichtenzapfen.

Joona sieht, dass sich die Polizeipatrouille in einem guten Abstand und mit gezogenen Waffen um das Haus verteilt. Ein Ast knackt. In der Ferne hört er das hallende Klopfen eines Spechts. Joonas Augen verfolgen die Bewegungen der anderen Polizisten, während er sich gleichzeitig langsam dem Haus nähert und versucht, durch den rosa Vorhangsstoff zu schauen. Er gibt Polizeimeisterin Kristina Andersson, einer jungen Frau mit einem spitzen Gesicht, ein Zeichen, dass sie auf dem Weg stehen bleiben soll. Ihre Wangen sind gerötet, und sie nickt, ohne das Haus aus den Augen zu lassen. Mit ruhigem Ernst zieht sie ihre Dienstwaffe und bewegt sich ein paar Schritte zur Seite.

Das Haus ist leer, denkt Joona und nähert sich der Eingangstreppe. Die Dielen knarren leise unter seinem Gewicht. Als er an die Tür klopft, beobachtet er die Vorhänge, um plötzliche Luftströme wahrzunehmen. Nichts geschieht. Er wartet einen Moment, erstarrt auf einmal, weil er etwas gehört zu haben meint, und sucht mit den Augen den Wald neben dem Haus ab, hinter dem Unterholz und den vorderen Baumstämmen. Er zieht seine Pistole, eine schwere Smith & Wesson, die er der Standardwaffe der Marke Sig Sauer vorzieht, entsichert sie und vergewissert sich, dass eine Patrone im Lauf ist. Plötzlich raschelt es am Waldrand, und ein Reh verschwindet mit schnellen Sprüngen zwischen den Bäumen. Als er Kristina Andersson ansieht, erwidert sie gestresst sein Lächeln. Er zeigt auf das Fenster, geht vorsichtig hin und lugt am Vorhang vorbei ins Haus.

Im Zwielicht sieht er einen Rohrtisch mit einer zerkratzten Glasscheibe und ein hellbraunes Cordsofa. Über der Rücken­lehne eines roten Holzstuhls hängen zum Trocknen zwei weiße Baumwollslips. In der Kochnische stehen mehrere Pakete Schnellmakkaroni, Pestogläser, Konserven und eine Tüte mit Äpfeln. Auf dem Fußboden vor der Spüle und unter dem Küchentisch schimmern Besteckteile. Joona kehrt zur Eingangstreppe zurück, zeigt Kristina Andersson an, dass er hineingehen wird, öffnet die unverschlossene Tür und geht aus dem Weg, bekommt das Okay von Kristina Andersson, blickt hinein und tritt über die Schwelle.

Erik sitzt im Wagen und kann auf die Entfernung nur erahnen, was vorgeht. Er sieht Joona Linna gefolgt von einer Polizistin in dem braunen Haus verschwinden. Kurz darauf tritt der Kommissar wieder auf die Eingangstreppe hinaus. Drei Polizisten kommen um das Haus herum und bleiben davor stehen. Sie unterhalten sich, schauen auf eine Karte, zeigen zur Straße und zu den anderen Sommerhäusern. Joona scheint einem der anderen etwas im Haus zeigen zu wollen. Alle begleiten ihn, und der letzte schließt die Tür hinter sich, damit das Haus nicht auskühlt.

Plötzlich sieht Erik jemanden zwischen den Bäumen stehen, wo der Boden zum Sumpf hin abfällt. Es ist eine schlanke Frau mit einem Gewehr in der Hand, einer Schrotflinte. Der glänzende Doppellauf schleift über die Erde, als sie sich Richtung Haus in Bewegung setzt. Erik sieht die Waffe sanft gegen Blaubeersträucher und Moos schlagen.