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Volker spürte die Blicke der anderen auf sich. Mechthild hatte die Geschichte vom Erscheinen des Feuervogels in ihrer gemeinsamen Kammer in Castra Bonna erzählt. Sie hatte die Ereignisse reichlich ausgeschmückt... Nachdem sie mit ihrem Bericht zu Ende war, wurde es still in der Höhle. Nur das leise Knacken des Feuers störte die Ruhe. Volker sah auf. Noch immer starrten die anderen ihn an. Offenbar erwarteten sie von ihm, daß er etwas sagte. Er seufzte. Am liebsten wäre er jetzt alleine.

»Dir ist also ein Kopf aus gleißenden Licht erschienen...« Es war die Bardin, die das Schweigen brach. »Welche Nachricht hat er dir gebracht? Offenbar konnte Mechthild nicht verstehen, was er gesagt hat.«

Der Spielmann starrte in die Flammen. Er war es müde, gegen taube Ohren anzureden. Wie oft schon hatte er erzählt, was wirklich geschehen war? Offenbar wollte jeder etwas anderes in der Erscheinung sehen. Sollten sie ihren Willen haben! »Er hat mir gesagt, ich solle in die Berge gehen. Ich bin auf der Suche nach dem Feuervogel. Hier werde ich ihn finden!«

Belliesa legte den Kopf schief und sah ihn eindringlich an. »Der Feuervogel... Was willst du von ihm?«

»Das ist meine Sache!« entgegnete der Spielmann. »Erkläre uns doch lieber einmal, warum du auf dem Scheiterhaufen gestanden hast? Vielleicht bist du ja eine Zauberin...«

Die Bardin lachte. »Wenn es Zauberei ist, stets ein freies Wort zu führen und das Unrecht beim Namen zu nennen, dann habe ich mich wohl dieses Vergehens schuldig gemacht. Ich habe gesehen, wie sich ganze Dörfer in stummer Angst ducken, wie Priester vertrieben oder gar gehenkt wurden, weil sie von ihrem Glauben nicht ablassen wollten, und ich habe von all dem in meinen Liedern gesungen.«

»Bist du Christin?«

»Muß man das sein, um Recht von Unrecht unterscheiden zu können?«

Volker brummte etwas Unverständliches. Ihm gefiel ihre Art nicht. Sie redete mit ihm, als sei er irgendein Bauer. Kaum daß er sie gerettete hatte, fing sie an, Entscheidungen für sie alle zu fällen und die Gruppe zu führen. Er konnte genau spüren, daß die beiden anderen sie mochten. Es wäre besser, wenn sie nicht zu lange mit der Bardin reiten würden. Sie machte ihn unruhig. Wo hatte man je von einer Frau gehört, die allein übers Land reiste und durch ihre Lieder die Adeligen herausforderte. Mit ihr zu reiten konnte nur Unglück bringen! Er hatte sie gerettet. Daraus konnte sie kein Recht ableiten, mit ihnen zusammen zu reisen, obwohl sie zugegebenermaßen hübsch war... Der Spielmann betrachtete sie zum ersten Mal genauer. Unter anderen Umständen hätte er vielleicht... Ihre Haut war blaß, und das, obwohl sie vorgab, bei Wind und Wetter durch das Land zu reisen. Sie war klein und zierlich, doch strahlte sie eine schwer in Worte zu fassende Aura von Kraft aus. Wenn sie einem zulächelte, war es einem unmöglich, ihr noch länger böse zu sein. Er konnte sich gut vorstellen, wie die Bauern, Bergleute und Köhler gebannt an ihren Lippen hingen, wenn sie sang.

»Wie bist du den Franken in die Hände gefallen? Hat man dich verraten?«

Ein Holzscheit knickte um und stürzte in die Glut des Feuers. Funken stiegen mit dem Rauch zur Höhlendecke auf. »Ich bin nach Icorigium geritten, um mit dem Statthalter zu sprechen.«

Volker traute seinen Ohren nicht. »Du bist was? War dir nicht klar, daß man dich sucht?«

»Doch. Deshalb bin ich ja auch gekommen. Reiter waren in das Dorf gekommen, in dem ich zuletzt gesungen hatte. Sie haben den Wirt und dessen ganze Familie nach Icorigium verschleppt. Sie sollten hingerichtet werden, weil ich unter ihrem Dache Schutz gefunden hatte. Ich habe mein Leben gegen das ihre getauscht.«

»Hat man sie wirklich ziehen lassen?«

Belliesa nickte. »Ja. Auf seine Art war der Statthalter ein ehrenhafter Mann. Er gehörte zu den Löwen, und er hatte die Weisheit geschaut.«

»Löwen?« Golo legte einen Scheit ins Feuer und blickte zu der Bardin. »Was sind die Löwen? Er trug kein Wappen auf seinem Schild. Nennt Ricchar so seine Garde?«

»Löwen sind Priester, die schon ein weites Stück auf dem Weg zum Licht zurückgelegt haben. Sie kennen viele der Mysterien des Mithras, und wenn sie mit einem anderen Eingeweihten sprechen, so bedienen sie sich einer geheimen Sprache voller rätselhafter Bilder. Statt Frau sagen sie zum Beispiel das Wesen mit dem Löwenkopf, und sie reden von den Schlangenstabträgem oder Raben, wenn sie die Priester des niedrigsten Weihegrades meinen. Sie müssen sich nicht durch feste Mauern vor den Ohren Neugieriger schützen. Man kann ihnen zuhören und wird doch nicht verstehen, wovon sie reden. Doch gerade weil sie um die Macht der Worte wissen, sind sie meine erbittertsten Gegner. Nachdem ich das Lied vom Falken gedichtet hatte, haben sie einen Preis auf meinen Kopf ausgesetzt.«

Volker mochte ihre Art zu erzählen nicht. Offenbar erwartete sie, daß man weiter nachfragte und ihr ihre Geheimnisse abrang. Er würde darauf nicht eingehen. Wenn sie glaubte, sie müsse in Rätseln sprechen...

»Was war das für ein Lied?«

Der Spielmann warf Golo einen finstren Blick zu. Sein Kamerad kroch der Bardin auf den Leim. Sollte er nur sehen, wohin das noch führen würde!

»Ich singe in dem Lied von einem stolzen Fürsten, der zur Jagd ausreitet. Über ihm am blauen Himmel kreist ein prächtiger Falke. Alle Tauben und kleinen Vögel ducken sich ängstlich ins dichte Geäst der Wälder. Doch dann stößt ein Vogel auf Schwingen von Feuer vom Himmel hinab. Sein glühender Schnabel durchbohrt das Herz des stolzen Falken, und der Jäger stürzt tot vor die Füße des Fürsten.« Belliesa lächelte tiefsinnig. »Ricchar hat vor wenigen Wochen seinen Falken auf der Jagd verloren, und ich denke, nicht allein die Löwen haben verstanden, worauf das Lied noch anspielt. Es wird überall dort gesungen, wo man sich nicht vor den Schergen des Fürsten fürchtet, und ich bin überzeugt, von heute an wird es noch einen Grund mehr geben, warum die Löwen dieses Lied hassen.«

Volker begriff. Er schüttelte energisch den Kopf. »Du weißt, daß es anders war! Ein Zufall...«

»War es ein Zufall? Der Statthalter war der Jäger Ricchars. Er sollte mich fangen. Er hielt die Fackel zum Scheiterhaufen schon in der Hand. Alles schien verloren. Dann erschienst du... Wie der Feuervogel kamst du aus dem Nichts. Niemand in Icorigium hatte dich je zuvor gesehen, und du trugst einen flammendroten Umhang. Du hast den Falken gefordert und getötet. Dein Schwert durchbohrte sein Herz...«

»Du weißt, daß es nicht so war. Wo kommst du vor in dem Lied? Und mein Schwert hat auch nicht sein Herz durchbohrt! Das ist alles Unsinn!«

»Kleinigkeiten! Stimmt es nicht, daß dir eine Lichtgestalt in Castra Bonna erschienen ist? Wurdest du nicht in die Berge gerufen, wo du mich gerettet hast? Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, Volker, du bist der Feuervogel! Das Symbol des Aufbegehrens gegen den Tyrannen. Deine Geschichte wird in den Bergen von Mund zu Mund gehen und den Menschen neue Hoffnung geben.«

Volker war auf die Beine gesprungen. »Hör auf damit! Erwecke keine Hoffnungen, die nur in Verzweiflung münden werden! Es ist jetzt genug! Ich will nichts mehr davon hören.« Er wollte nicht in diese Sache hineingezogen werden. Für ihn gab es keinen Grund, Ricchar zu bekämpfen. Der Fürst hatte ihn freundlich empfangen, und er war Volker auch nicht als blutdürstiger Tyrann erschienen. Außerdem würde er möglicherweise einen neuen Krieg zwischen Burgund und den Franken heraufbeschwören, wenn er als burgundischer Ritter und Vertrauter König Gunthers mit irgendwelchen rebellischen Bauern in Verbindung gebracht würde. Die Bardin ahnte vermutlich nicht einmal, was sie mit ihren Liedern bewirken mochte. Er würde dafür sorgen, daß sie schwieg und... Belliesa hatte ihre regennasse Tunika abgestreift. Darunter trug sie ein tief ausgeschnittenes Mieder aus rotem Leder, um den Hals aber hing ihr eine geflochtene Schnur, von der ein goldenes Amulett und zwei flammend rote Federn hingen.