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»Wird das einer deiner Tricks, Ritter, oder wie willst du ein solches Wunder vollbringen.«

Volker blickte den Räuber herausfordernd an. »Das wird kein Wunder. Ich brauche allerdings einen Mann, der außerordentlichen Mut hat. Hast du Mut, Eber?«

Der gedrungene Räuber spuckte dem Burgunden vor die Füße. »Auf dieses Spiel laß ich mich nicht ein. Mut, Ehre, Tapferkeit, das ist was für Ritter. Hier draußen kommt es auf andere Dinge an, um zu überleben.«

»Zum Beispiel darauf, daß deine Leute genug zu essen haben, um gut über den Winter zu kommen?«

»Rede nicht um den heißen Brei herum!« Die beiden hatten inzwischen die schmale Stiege zum Turm erreicht. Der Eber wandte sich zu den wenigen Männern um, die ihm bis hierher gefolgt waren. »Geht und trinkt auf unseren erfolgreichen Jagdzug. Ich muß mit dem Ritter was besprechen. Nehmt seinen Freund mit, und paßt mir auf, daß er nicht versucht, sich davonzumachen.«

»Vielleicht sollten wir ihm einfach die Beine brechen?« grölte einer der Krieger. Die anderen Männer lachten.

»Gute Idee, Gunbold. Wir werden morgen darüber entscheiden.« Der Eber winkte Volker, ihm zu folgen.

Das erste Geschoß des Turmes bestand aus einer einzigen großen dunklen Kammer. In einer Ecke war ein Lager aus Stroh aufgeschüttet. Mitten im Raum stand ein grob gezimmerter Tisch, und einige leere Fässer dienten als Stühle.

Neugierig sah Volker sich um. Durch ein paar schmale Schießscharten fiel Licht in den Raum. Richtige Fenster gab es nicht. Eine Leiter führte ins nächste Geschoß, und ein Loch im Boden zum Erdgeschoß. Volker rümpfte die Nase. Es stank wie in einer Bärenhöhle. Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit vergammeltem Essen, daneben lag ein umgestürzter Bierkrug.

»Hübsch hast du es hier.«

»Spar dir deinen Spott, und bete lieber, daß mir dein Plan gefällt, sonst werde ich dir wirklich die Zunge herausreißen. Dein weibisches Gewäsch werde ich mir nicht mehr länger anhören.«

Volker nahm sich eines der Fässer, setzte sich und begann zu erzählen. Als er fertig war, blickte er den Eber herausfordernd an. »Und? Hast du den Mut dazu?«

Der Räuber schüttelte langsam den Kopf. »Du mußt mich wohl für vollkommen verrückt halten!«

Volker grinste. »Stimmt.«

Golo blickte erst zu dem mächtigen, von zwei Türmen flankierten Tor von Castra Corona und dann wieder zu Volker und zum Eber. Die beiden mußten verrückt geworden sein!

»Bist du sicher, daß du das wirklich riskieren willst? Man kann eine so schwer befestigte Stadt nicht mit dreißig Kriegern erobern.«

»Wer spricht denn von Eroberung? Wir werden hier nicht länger bleiben als notwendig. Bisher war mir Fortuna stets wohlgesonnen, so wird es auch heute sein.« Volker winkte den anderen und gab das Zeichen zum Aufbruch.

Golo mochte es nicht, wenn der Spielmann den Namen heidnischer Gottheiten in den Mund nahm, und sei es auch nur zum Spaß. Er murmelte leise ein Bußgebet und bat Gott, nachsichtig mit dem leichtfertigen Burgunden zu sein. Volker hatte sich sehr verändert in den letzten Tagen, und das nicht nur äußerlich. Für seinen verrückten Plan hatte er seine langen, blonden Locken geopfert. Sein Haar war jetzt kurz geschoren, ungewaschen und strähnig. Auch rasiert hatte er sich nicht mehr, so daß seine Wangen mit langen, goldfarbenen Stoppeln gesprenkelt waren. Kettenhemd und Schwert hatte der Ritter im Räuberlager zurückgelassen. Er trug statt dessen Kleidung aus grober Wolle und weichem Leder, ganz so wie die anderen Strauchdiebe, die der Eber um sich versammelt hatte, und er roch auch so. Doch das Schlimmste war die Tatsache, daß Golo langsam den Eindruck bekam, daß Volker das Leben unter den Räubern gefiel. Jeden Abend saß er mit ihnen in der Festhalle beisammen, sang derbe Sauf- und Hurenlieder und trank bis zum Morgengrauen Met und gestohlenen Wein. Die meisten der Halunken hatten ihn schon als einen der ihren akzeptiert. Golo schüttelte den Kopf. Ihn, einen Adeligen und Ritter, der zu den engsten Vertrauten des Königs von Burgund gehörte!

Schlechtgelaunt sah der junge Ritter an sich herab. Auch er hatte sich als Räuber maskiert, doch fühlte er sich in den Kleidern unwohl. Er hatte einen hohen Preis gezahlt, um in den Ritterstand aufzusteigen... Und wohin führte ihn all das? Wenn Volkers Plan scheiterte, dann würde man sie schon morgen alle an den Zinnen der Stadt aufknüpfen. Was für ein Ende für zwei Ritter!

Inzwischen hatten sie fast das Stadttor erreicht. Golo blickte zurück zum Waldrand auf der anderen Seite des flachen Tals. Im Dämmerlicht sahen die Bäume wie eine schwarze Mauer aus. Dort im Schatten verborgen warteten die restlichen Spießgesellen des Ebers. Nur zu fünft standen sie vor der Stadt, in der sich ihr Schicksal entscheiden würde. Golo fühlte sich angesichts der mächtigen Mauern und stolzen Türme verloren. Was sie vorhatten, war verrückt! Vollkommen wahnsinnig!

Am Morgen hatte eine Maultierkarawane, eskortiert von der halben Garnison, Castra Corona verlassen. Die Tiere waren mit den Waffen beladen gewesen, die man in der Schmiedestadt in den letzten Monaten hergestellt hatte. Speer- und Pfeilspitzen, Helme, Schildbuckel, Schwerter und Dolche. Ausrüstung für die Armee des Gaugrafen. Deshalb wurde der Zug auch von vierzig schwerbewaffneten Soldaten eskortiert. In diesen kriegerischen Zeiten waren die Waffen aus Castra Corona ihr Gewicht in Silber wert. Die Maultierkarawane würde zunächst nach Icorigium ziehen, um von dort aus über Tolbiacum nach Castra Bonna zu gelangen.

Eine Stimme rief sie von den Zinnen herab an. »He, ihr Gesindel! Macht euch davon! Die Tore sind geschlossen und werden erst zur Morgenstunde wieder geöffnet. Gestalten wie euch will der Statthalter nicht über Nacht vor seinen Mauern lagern sehen!«

»Wenn du nicht öffnest, dann werden wir eben nach Icorigium weiterziehen, Soldat. Ich bin sicher, dort wird man die Männer, die den Eber gefangen haben, freundlicher begrüßen. Man sagt, der Statthalter dort sei ein kluger Mann. Er wird sich gewiß nicht die Gelegenheit entgehen lassen, dem Gaugrafen Ricchar persönlich den Kopf des Räubers zu überreichen.« Es war Volker, der geantwortet hatte. Wie um seine Worte zu unterstreichen, stieß er den Eber, dem die Hände auf den Rücken gefesselt waren, ein Stück nach vorne.

Einige Herzschläge lang herrschte Stille. Dann endlich erklang wieder die Stimme des Frankenkriegers. »Warte, Mann! Warte! Wir werden eine Ausnahme machen.«

Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis endlich das Scharren des schweren Querbalkens zu hören war und die massigen Flügel des Stadttors aufschwangen. Ein Offizier mit prächtig bestickter Tunika und rotem Roßschweif auf seinem Spangenhelm stand inmitten des von Fackeln erleuchteten Torbogens.

»Wer ist der Mann, der behauptet, den berüchtigten Eber gefangen zu haben?« fragte der Krieger mit befehlsgewohnter Stimme.

Volker löste sich aus der Gruppe und trat dem Franken entgegen. »Ich, Gernot von Auw. Laß mich und die meinen in die Stadt, denn ich fürchte, die Getreuen des Ebers sind nicht mehr weit entfernt und werden versuchen, ihren Anführer zu befreien.«

Der Offizier schüttelte den Kopf. Golo konnte das Trappeln von eisenbeschlagenen Soldatenstiefeln auf dem Wehrgang über dem Tor hören. Schatten bewegten sich hinter den Zinnen. Sicher bezogen dort gerade Bogenschützen und Speerwerfer ihre Posten. Nervös leckte sich der junge Ritter über die trockenen Lippen. Sie hätten niemals hierherkommen dürfen!

»Zeig mir den Mann, den du Eber nennst. Ich hab’ diesem Strauchdieb einmal von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden! Ich werde ihn wiedererkennen, wenn du den Richtigen bringst.«

Volker packte den Eber am Ärmel, zerrte ihn nach vorne und verpaßte ihm dann einen derben Stoß, so daß der Räuber dem Franken fast vor die Füße stürzte. »Nun, erkennst du den Bastard wieder?«

»Beim Schwerte Mithras’, das ist er! Wir werden ihn sofort dem Statthalter vorführen.«