Выбрать главу

Sollte diese zweitklassige Bardin mit ihren holpernden Daktylen erst einmal fertig werden. Der Palast Giselhers mochte groß sein, doch nicht groß genug für sie beide! Volker würde sie finden. Und wenn es soweit war, würde er dem Weibsbild sagen, was er von ihr hielt! Als nächstes mußte er dann dem Schwindel ein Ende bereiten! Es war genug! Er, der Auserwählte eines Erzengels! Das war der größte Unsinn, den er jemals gehört hatte! Ihn interessierte dieser Aufstand in den Bergen einen feuchten Dreck. Wenn es denn überhaupt einen Aufstand gab und das nicht auch nur eine Geschichte der Bardin war.

Volker war einzig und allein gekommen, um den Feuervogel zu finden. Damit hatte er auch noch nicht abgeschlossen. Er würde in die Berge zurückkehren. Allein! Was er dort tat und wonach er suchte, ging niemanden etwas an. Er konnte von Golo nicht erwarten, daß er mit ihm ritt. Bald würde der erste Schnee fallen. Gott allein wußte, ob es sein Schicksal war, vielleicht in den Bergen zu verrecken. Deshalb würde er gehen, ohne es irgend jemand zu sagen. Er wollte für niemanden mehr verantwortlich sein. Und schon gar nicht für einen Aufstand. Was sollte er mit einem Haufen schlechtbewaffneter Rebellen anfangen, die sich in ihre Dickschädel gesetzt hatten, gegen den fähigsten Kriegsherren Germaniens Krieg zu führen? Nach der ersten Schlacht wäre dieser Aufstand beendet.

Ricchar würde bis zum Frühling warten, bis das Wetter gut genug war, um Armeen zu bewegen. Dann würde er längstens noch einen Monat brauchen, um auch den letzten Rebellen zur Hölle zu schicken.

Und wer wäre schuld an diesem Aufstand? Wer hätte dieses ganze sinnlose Gemetzel entfesselt?

Giselher beugte sich zu ihm herüber. »Singt sie nicht wunderschön? Wenn ich sie höre, muß ich an Engel denken.«

Volker nickte. Antworten konnte er nicht. Man hätte seiner Stimme angehört, was er dachte. Ein Engel! Weiß der Henker, woher sie wirklich kam! Vielleicht hatte Ricchars Statthalter am Ende recht, als er sie der Zauberei anklagte und verbrennen wollte.

Mißmutig blickte sich der Spielmann um. Es herrschte eine Stimmung im Saal wie im Münster zu Worms, wenn während der Ostermesse der Knabenchor sang. Alle waren in stummer Andacht erstarrt. Und sie sahen immer wieder verstohlen zu ihm herüber.

Wenn er zurückschaute und einen der Blicke zu fangen versuchte, dann blickten sie wieder demütig zu Boden. Verdammt, er war kein Auserwählter in einer heiligen Sache! Und er wollte auch nicht so behandelt werden!

Irgendwann würde Belliesa aufhören zu singen und den Saal wieder verlassen. Dann würde er sie finden!

»Bitte entschuldigt mich.« Volker verneigte sich vor Giselher und den anderen Adligen, die ihn umstanden. »Doch es ist nun an der Zeit, in mich zu gehen.«

Der Kriegsherr nickte bedeutungsschwer. »So warst du früher nie. Es ist wirklich ein Wunder geschehen!«

Was hätte man darauf noch sagen sollen? Der Spielmann drehte sich um und verließ gemessenen Schrittes den Festsaal. Es waren nur ein paar Augenblicke verstrichen, seitdem Belliesa sich verabschiedet hatte. Wohin immer sie ging, er würde sie finden!

Als die Pforten des Festsaals sich hinter ihm schlossen, beschleunigte Volker seine Schritte. Er wußte, daß sie in einem der Nebengebäude auf der linken Seite des Palastvorplatzes gemeinsam mit Mechthild untergebracht worden war.

Volker betrat den Säulengang, der sich entlang der Gebäudefront zog. In regelmäßigen Abständen waren hier Nischen in der Seitenwand ausgespart, in denen hohe Steinsockel standen.

»Du hast länger gebraucht, als ich erwartet hätte.« erklang plötzlich eine vertraute Stimme in seinem Rücken.

Überrascht fuhr der Spielmann herum. Hinter einem der steinernen Sockel trat Belliesa hervor. »Ich wußte, daß du mir folgen würdest. Du solltest lernen, deine Gefühle besser zu verbergen. Man kann sie an deinen Augen ablesen.«

»Dann weißt du also schon, daß ich dir den Hals umdrehen werde!«

Die Bardin lachte leise. »Du hast mir das Leben gerettet. Warum solltest du mir etwas antun? Nicht du bist es, den ich fürchten muß. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, so bin doch ich es, die du suchst, um deine geheimsten Sehnsüchte zu erfüllen.«

Volker schnaubte verächtlich. »Du solltest nicht zu sehr darauf vertrauen, daß jeder Mann verrückt danach ist, mit dir sein Lager zu teilen. Mich läßt deine Schönheit kalt. Ich verlange von dir, daß du damit aufhörst, diese Lieder über mich zu singen! Warum tust du das? Willst du, daß ich in den Bergen sterbe? Es ist vollkommen sinnlos, sich gegen Ricchar zu erheben. Ich hege keine Feindschaft gegen den Franken. Wenn du glaubst, ich würde in die Berge zurückkehren, um dort einen Haufen von zwei Dutzend abgerissenen Rebellen anzuführen, dann hast du dich geirrt!«

»Du kannst deinem Schicksal nicht entgehen, Volker. Sieh dir den Sockel an, vor dem wir stehen. Glaubst du, daß es Zufall ist, daß wir uns an diesem Ort wiederbegegnet sind?«

Alles, was von der Statue geblieben war, die einmal an diesem Ort gestanden hatte, waren ein paar Füße auf dem Marmorpodest. Sie steckten in Sandalen, und es waren auch noch Ansätze von Beinschienen zu erkennen. Irgendein Held der Römer wahrscheinlich. Volkers Blick wanderte tiefer. Vier Buchstaben waren in den Sockel gemeißelt. MARS. Der Gott des Krieges!

Der Spielmann schüttelte den Kopf. »Glaubst du, du könntest mich so leicht täuschen? Auch ich trete als wandernder Barde auf. Ich weiß, wie man seine Zuhörer hinters Licht führt und schlichte Gemüter von Omen überzeugt. Du hast den Platz gewählt, an dem wir nun stehen. Versuche nicht, mir zu erzählen, du hättest nicht genau darauf geachtet, in welcher Nische du dich versteckst. Ich glaube nicht an diese Art von Orakeln!«

»Und was ist mit dem Erzengel, der dir erschienen ist? Und wie konntest du den Eber besiegen, obwohl du mit verbundenen Augen gegen ihn gekämpft hast? Du sahst aus wie ein Jäger aus den Bergen, als du nach Treveris gekommen bist. Du gehörst dorthin. Die Menschen werden dir folgen. Ich habe auf der Stadtmauer gestanden und dich kommen sehen. Glaubst du, das sind alles Zufälle? Du kannst nicht vor deinem Schicksal davonlaufen, Volker. Stelle dich! Nimm es an!«

»Du meinst das Schicksal, das du mir bestimmt hast?« Er lachte bitter. »Alles was in den letzten Wochen geschehen ist, hast du verdreht, bis es in deine Pläne paßte! Du weißt doch wohl sehr gut, daß keines der Lieder, die du heute abend gesungen hast, wahr ist!«

»Hast du einmal darüber nachgedacht, daß du vielleicht derjenige bist, der blind für die Wahrheit ist, weil er sie nicht sehen will! Und was ist mit all den Menschen, die ihre ganze Hoffnung in dich setzen? Wirst du sie enttäuschen? Wohin willst du gehen? Sogar dein eigener König erwartet von dir, daß du in die Berge zurückkehrst und den Kampf gegen den Tyrannen Ricchar aufnimmst. Willst du dich gegen den Herren stellen, dem du die Treue geschworen hast? Ist das deine Vorstellung von Ritterlichkeit?«

In hilfloser Wut ballte Volker die Fäuste. »Du...« Wäre sie ein Mann gewesen, er hätte sie jetzt niedergeschlagen. »Du... Was willst du von mir? Was habe ich dir getan? Du bist selbst eine Heidin. Warum befehdest du Ricchar? Was hat dir der Franke getan?«

»Er verachtet die Freiheit! Du hast gesehen, was er seinem Volk angetan hat! Erinnerst du dich nicht mehr an den Priester, der in Icorigium erhängt worden ist?«

»Es gibt viele Herren, die ungerecht sind. Warum er? Er will den Frieden, auch wenn er vielleicht manchmal die falschen Mittel wählt, um zum Ziel zu kommen. Er ist nicht der Unmensch, als den du ihn in deinen Liedern darstellst!«

Die Bardin schüttelte den Kopf. »Wie gut kennst du ihn schon? Auch ich war an seinem Hof. Ich habe ihn beobachtet, bevor ich begonnen habe, ihn zu bekämpfen. Er ist von Ehrgeiz zerfressen, und er hat das Zeug dazu, seine Ziele zu erreichen. Das ist es, was ihn so gefährlich macht. Noch kann er aufgehalten werden. Jetzt ist er nur ein Graf in einem Grenzgau des Frankenreiches. Doch was wird sein, wenn er für König Merowech noch ein paar Siege erringt? In Kriegszeiten ist er der Heermeister. Das heißt, er befehligt die ganze Armee des Frankenreiches. Und seine Soldaten vergöttern ihn! Sie sehen in ihm den Günstling des Sol Invictus. Unbesiegbar scheint er. Und wenn wir ihn nicht in diesem Winter aufhalten, dann wird er wirklich unbesiegbar sein. Du weißt, wie krank König Merowech ist. Ricchar will den Thron, und er wird ihn bekommen, denn die Soldaten folgen ihm. Er begeistert sich so sehr an den Römern... Davon hat er dir sicher auch erzählt. Er sieht sich als Soldatenkaiser. Als den, der von Mithras auserwählt ist, das römische Reich aus seinen Ruinen wieder aufzurichten, so, wie er damit begonnen hat, in seinem Gau die zerstörten römischen Städte wieder aufzubauen.«