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Golo gab seiner Stute die Sporen und galoppierte zum Stadttor. Er hielt seinen Langschild schräg vor der Brust. Zehn Schritt vor den Mauern zog er sein Schwert. Aus der Stadt ertönte Lärmen. Es klang nicht wie eine Schlacht...

Unter dem Tor zügelte Golo sein Pferd. Die Hauptstraße lief pfeilgerade durch die Stadt. Nach etwa hundert Schritt traf sie auf einen Marktplatz, wo sich viele Menschen drängten. Der junge Ritter konnte einige Pferde erkennen. Die Reiter jedoch waren verschwunden. Nirgends waren Soldaten zu sehen.

»Heho, Ritter! Wo bleiben deine Kameraden?« Ein dicklicher Mann in mittleren Jahren, der eine fleckige Lederschürze umgebunden hatte, kam die steinerne Treppe heruntergelaufen, die direkt neben dem Tor zur Stadtmauer hinaufführte. Er hielt Golo ein großes Methorn entgegen und schob mit der anderen Hand die flache Lederkappe zurück, die ihm in die Stirn gerutscht war.

»Komm, trink, Freund! Auf unseren Sieg!«

Golo blickte den Mann verwirrt an. »Sieg?«

»Ja, Kerl! Der Auserwählte hat es geschafft, die Stadt ohne einen einzigen Schwertstreich zu erobern. Gott liebt ihn! Als der Statthalter der Heiden hörte, daß eure Armee in Richtung Beda marschiert, hat er sich schleunigst mit all seinen Truppen aus dem Staube gemacht!«

Golo musterte den Mann mißtrauisch. Das war die mit Abstand dreisteste Lügengeschichte, die er seit langem gehört hatte! »Er ist also einfach so abgezogen?«

»Ja, er hat nicht einmal die Zeit gehabt, die Lagerhäuser zu räumen. Die Franken sind kurz vor Morgengrauen Hals über Kopf aus der Stadt geflohen.«

»Und wo ist der Auserwählte jetzt?«

»Er ist mit seinen Rittern zum Praetorium. Wir feiern dort unsere Befreiung von den Franken. Wahrscheinlich inspiziert er schon eure Quartiere. Das Lager war früher zwar einmal sehr groß, zu Zeiten der Römer konnten dort sechshundert Krieger untergebracht werden, doch für euch wird es nicht reichen... Aber in den Wachräumen der Türme kann man auch noch Schlafplätze herrichten und die restlichen Männer werden wir gerne in unseren eigenen Häusern bewirten. Wann kommt die Armee eigentlich? Ich habe dich von der Mauer aus mit der Vorhut gesehen. Sind die anderen tausend noch im Wald?«

Golo schluckte. Tausend Mann! Das mußte eine der Geschichten Belliesas sein. Er durfte jetzt nichts Falsches sagen. Golo reckte den Hals und blickte noch einmal zum Marktplatz hinauf. Jetzt konnte er einen der burgundischen Ritter erkennen. Ein paar Kerle hatten ihn auf ihre Schultern gehoben und ihm ein Methorn in die Hand gedrückt. Das war keine Falle. Bei allen Heiligen! Sie hatten die Stadt!

»Mann, was ist mit dir? Du schaust ja drein, als hättest du gerade die Jungfrau Maria gesehen.« Der Brauer nahm einen tiefen Schluck aus seinem Horn und seufzte. »Endlich darf man den Namen Maria wieder in den Mund nehmen, ohne Angst zu haben, daß die Franken einen dafür in den Kerker werfen. Wir müssen zur Kirche! Es ist höchste Zeit, den ganzen heidnischen Stierplunder herauszuwerfen, den die Franken dort aufgestellt haben. Oder wollt ihr das lieber tun? Gehört das zu eurem Triumph, Ritter? Sollen wir warten, bis die ganze Armee da ist, um dann vor aller Augen das Mithrasbild von der Stadtmauer zu stoßen. Das macht sich sicher gut!«

»Ähm... tut das nur ruhig jetzt schon. Die Armee... ähm Volker hat beschlossen, sie auf die eroberten Dörfer und Städte aufzuteilen. Wegen des Nachschubs... Damit alle versorgt und untergebracht sind.«

»Wie? Ihr seid alle?« Der Mann glotzte ihn an wie eine Kuh. Dann begann er schallend zu lachen. »Das ist ein Zeichen! Der Auserwählte wird wahrlich von Gott selbst geführt. Kommt mit einer Handvoll Männer und vertreibt eine Garnison von fast hundert bis an die Zähne bewaffneter Franken.«

Golo nickte. »Ja, ein Wunder.« Im stillen aber fragte er sich, wie lange das gutgehen mochte. Es schien, als wolle keiner die Wahrheit sehen. Keinen Atemzug hatte der Mann überlegt, ob er ihn vielleicht belog. Statt nachzudenken, war er sofort mit einer neuen Geschichte über den Auserwählten bei der Hand. Was sie sich über den heutigen Tag wohl erzählen würden. In dem Lied, das Belliesa dazu dichten mochte, würde sich alles sicher wie eine außergewöhnliche Heldentat anhören. Wo die Bardin wohl steckte?

13. KAPITEL

Niemand, nicht einmal die Ältesten, konnten sich erinnern, daß jemals so früh der Winter angefangen hatte. Es war, als wolle die Natur den Kämpfen ein Ende setzen. Volker schlug sich die Hände vor die Brust, damit das Gefühl in seine tauben Finger zurückkehrte. Er war ein gottverdammter Narr! Jetzt könnte er an einem warmen Feuer sitzen! Die Art, in der ihn die meisten seiner Männer verehrten und für einen Auserwählten hielten, war zwar nervtötend, aber im Vergleich zu der Kälte wäre es das kleinere Übel gewesen.

In den letzten drei Wochen war er von Sieg zu Sieg gezogen. Seine Erfolge waren ihm selbst zum Schluß schon unheimlich gewesen. Alle kleineren Dörfer, die großen Gutshöfe und Minen waren von den Franken verlassen worden. Nur in den befestigten Städten leisteten sie Widerstand. Doch die Bevölkerung hatte sich gegen die Besatzer verschworen.

Die Garnison von Sarabodis war im Schlaf von aufständischen Bergarbeitern überrascht worden. Der Pferdedieb Claudius Marcellinus hatte die Männer aus den Minen rund um die befestigte Villa angeführt. Dort waren Elitereiter einquartiert. Jene zwei Schritt großen Krieger mit den eisernen Masken, die Volker schon in Castra Bonna gesehen hatte. Die Aufständischen mußten sie im Schlaf überrascht haben. Mehr als die Hälfte von ihnen war gefangengenommen worden.

Volker preßte die Lippen zusammen. Er war nur wenige Meilen entfernt gewesen, als dies geschah, doch als er endlich in Sarabodis eintraf, war es bereits zu spät. Marcellinus hatte alle Franken hinrichten lassen. Man hatte den Kriegern zunächst mit Schmiedehämmern jeweils den rechten Arm zertrümmert. Dazu hatte der Roßtäuscher ausgerufen, daß es jedem so ergehe, der sein Schwert gegen Gott den Herren erhebe. Dann ließ er den Franken die Schädel einschlagen. Ihre Leichen wurden nackt in die Villa getragen, wo man die Mauern einriß und schließlich die Ruinen in Brand setzte.

Als Volker Marcellinus am nächsten Tag zur Rechenschaft zog und von ihm wissen wollte, warum er dies getan habe, hatte der Hüne nur grinsend geantwortet, es sei halt Krieg und im Krieg würde nun einmal getötet.

Zwei Tage später machte sich der Schurke bei Nacht davon. Dabei nahmen er und seine Männer sämtliche Pferde mit, die sie in Sarabodis erbeutet hatten. Seitdem wurde Volker das Gefühl nicht mehr los, daß Marcellinus den Überfall allein nur wegen der erstklassigen Pferde organisiert hatte, und der Spielmann fragte sich, wie viele Gesellen von ähnlichem Schlage sich wohl unter seinen Rebellen befinden mochten. Plünderer, die einfach desertieren würden, sobald sie genügend Beute zusammengeraubt hatten.

Wie lange würde das Glück ihm wohl noch hold sein? Das befreite Gebiet reichte von Treveris im Süden bis nach Icorigium im Norden, quer durch das Bergland. Die Schmiedestadt hatte er belagern müssen, doch die Einwohner hatten ihm nachts die Tore geöffnet. Drei Tage später mußte sich die Garnison ergeben. Er gewährte den Franken freien Abzug, was für einiges Murren sorgte. Doch egal, was die Bauern und der Pöbel denken mochten, die unter seiner Führung kämpften, für ihn galten die Regeln der Ritterlichkeit!

Zehn der zwölf Ritter, die mit ihm Treveris verlassen hatten, lebten noch. Sie hatten den Befehl, den Bauern das Kämpfen beizubringen. Sein Armee war inzwischen auf siebenhundert Mann angewachsen, und täglich meldeten sich neue Freiwillige. Sie hatten nicht genug Waffen, so konnte ein Teil der Streiter nur mit Sicheln, Hämmern oder Spitzhacken ausgerüstet werden. Diese Hinterwäldler waren zwar tapfer, aber ohne jede Disziplin. Die Ritter sollten ihnen beibringen, in Formationen zu kämpfen.