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»Ganz sicher, gewiß«, wisperte er sich selbst zu. »Das hier wird uns nicht sehen, nicht wahr, mein Schatz? Nein. Es wird uns nicht sehen, und sein häßliches kleines Schwert wird ihm nichts nützen, ganz gewiß nichts.«

Dieser heimtückische Gedanke ging ihm durch den Kopf, als er plötzlich von Bilbos Seite glitt, zurück in das Boot patschte und fort in das Dunkel fuhr. Bilbo dachte, er hätte das letzte Mal etwas von ihm gehört. Er wartete jedoch noch eine Weile, denn er hatte keine Ahnung, wie er allein hier hinausfinden sollte.

Plötzlich hörte er einen schrillen Schrei. Der jagte Bilbo einen Schauder den Rücken hinunter. Im Dunkel fluchte und klagte Gollum. Dem Geräusch nach zu urteilen, konnte er nicht weit weg sein – er befand sich ja auf seiner Insel, scharrte hier und scharrte dort, fingerte und suchte vergeblich.

»Wo ist er? Wo issst er?« hörte der Hobbit ihn schreien.

»Verschwunden ist er, mein Schatz, verschwunden, verschwunden! Donner und Blitz, mein Schatz ist verschwunden!«

»Was ist los?« rief Bilbo. »Was habt Ihr verloren?«

»Niemand soll uns fragen«, schrie Gollum. »Nicht seine Sache, nein, gollum! Oh, er ist verschwunden, gollum, gollum, gollum!«

»Nun gut«, rief Bilbo. »Aber ich will nicht für immer hier unter der Erde verschwinden. Und ich habe das Spiel gewonnen, und Ihr habt versprochen, mir zu helfen. Kommt also her! Führt mich hinaus, und dann sucht meinetwegen weiter!« So kläglich Gollum auch jammerte, konnte Bilbo doch nicht viel Mitleid in seinem Herzen spüren, und er hatte ein Gefühl, als wenn etwas, das Gollum sich so sehr wünschte, schwerlich etwas Gutes sein konnte. »Kommt schon!« schrie der Hobbit.

»Nein, nicht jetzt Schatz«, antwortete Gollum. »Wir müssen ihn suchen, er ist verschwunden, gollum.«

»Aber Ihr habt mein letztes Rätsel nicht erraten, und Ihr habt es mir versprochen«, sagte Bilbo.

»Nicht erraten!« schrie Gollum. Und dann kam plötzlich ein scharfes Zischen aus der Finsternis. »Was hat das da in seiner Tasche? Das muß es uns sagen. Das muß es uns zuerst einmal sagen.«

Bilbo sah keinen besonderen Grund, warum er es nicht hätte sagen sollen. Gollums Verstand war schneller als seiner auf die Lösung gekommen. Natürlich, denn er hatte viele Jahre lang diesen einen einzigen Gegenstand bewacht und behütet, denn er hatte immer gefürchtet, daß der Ring gestohlen werden könnte. Aber Bilbo war über die Verzögerung verärgert. Schließlich hatte er das Spiel gewonnen, ziemlich fair, und zu einem sehr gefährlichen Preis. »Antworten werden geraten und nicht gegeben«, sagte er.

»Aber es war keine anständige Frage«, sagte Gollum. »Kein richtiges Rätsel, Schatz, nein.«

»O ja. Und wenn es jetzt um eine gewöhnliche Frage geht«, erwiderte Bilbo, »so habe ich zuerst gefragt. Also: Was habt Ihr verloren? Antwortet Ihr zuerst!«

»Was ist in der Tasche?« Das zischende Geräusch klang näher und schärfer, und als Bilbo hinschaute, sah er zu seinem Schrecken, daß zwei kleine, helle Punkte ihn anstarrten. Verdacht war in Gollum aufgestiegen, und deshalb brannte das Licht in seinen Augen mit fahler Flamme.

»Was habt Ihr verloren?« drang Bilbo in ihn.

Aber jetzt war das Licht in Gollums Augen zu grünem Feuer geworden und kam sehr rasch näher.

Gollum saß wieder in seinem Boot. Wild paddelte er an das dunkle Ufer zurück.

Und in ihm kochte eine solche Wut, aus Verlust und Verdacht genährt, daß selbst das Schwert kein Schrecken mehr für ihn war.

Bilbo konnte nicht wissen, was dieses sonderbare Wesen so erzürnt hatte, aber er sah, daß Gollum ihn, koste es, was es wolle, ermorden wollte. Gerade noch zur rechten Zeit drehte er sich um und rannte blindlings die dunklen Gänge hinauf, die er gekommen war. Er hielt sich dicht an der Wand und tastete sich mit der linken Hand weiter.

»Was hat das da in seinen Taschen?« hörte er es laut hinter sich zischen, und dann hörte er das Patschen, als Gollum aus seinem Boot sprang. Was habe ich denn bloß? sagte Bilbo zu sich selbst, als er so daherkeuchte und weiterstolperte. Er steckte seine linke Hand in die Tasche. Der Ring fühlte sich sehr kalt an, als er auf seinen tastenden Zeigefinger glitt.

Das Zischen war dicht hinter ihm. Bilbo drehte sich um und sah Gollums Augen wie kleine grüne Lampen den Gang heraufkommen. Entsetzt versuchte Bilbo schneller zu laufen, aber plötzlich stießen seine Zehen gegen eine Unebenheit des Bodens, und patsch, fiel er längelang hin und begrub sein kleines Schwert unter sich.

Im nächsten Augenblick hatte Gollum ihn eingeholt. Doch bevor Bilbo etwas tun konnte, Atem holen, sich aufrichten oder sein Schwert schwingen, war Gollum vorbeigelaufen, ohne ihn zu bemerken, wobei er mächtig fluchte und wisperte.

Was sollte das bedeuten? Gollum konnte doch im Finstern sehen! Bilbo bemerkte selbst von hinten den bleichen Lichtschimmer von Gollums Augen. Mühsam erhob er sich und zog sein Schwert, das jetzt wieder schwächer leuchtete. Dann folgte er vorsichtig, denn nichts anderes konnte man jetzt tun.

Es wäre unsinnig gewesen, zu Gollums See hinabzusteigen. Wenn er Gollum folgte, so würde ihm dieser vielleicht, ohne es zu beabsichtigen, einen Weg zum Entwischen zeigen.

»Verflucht soll’s sein, verflucht soll’s sein!« zischte Gollum.

»Verflucht sei dieser Beutlin! Er ist fort! Was hat er in seinen Taschen? Oh, wir wissen’s, wir wissen’s, mein Schatz! Er hat’s gewiß, er muß es haben, mein Geburtstagsgeschenk!«

Bilbo spitzte die Ohren. Ihm dämmerte des Rätsels Lösung. Er beeilte sich ein bißchen und kam so nahe an Gollum heran, wie er es gerade noch wagen konnte. Gollum lief sehr rasch weiter und schaute nicht zurück, aber er drehte seinen Kopf nach allen Seiten, wie Bilbo an dem schwachen Schimmer an den Wänden erkennen konnte.

»Mein Geburtstagsgeschenk! Verflucht, wie konnten wir es bloß verlieren, mein Schatz? Ja, so ist es: Als wir diesen Weg zuletzt entlangkamen, als wir dem häßlichen jungen Quieker den Hals herumdrehten. So war es. Verflucht, es fiel herunter, nach all den Jahren! Es ist weg, gollum.«

Auf einmal setzte Gollum sich hin und fing an zu weinen, ein pfeifendes, gurgelndes Geräusch, das schrecklich anzuhören war. Bilbo blieb stehen und drückte sich ganz dicht an die Stollenwand. Nach einer Weile hörte Gollum auf zu weinen und begann zu sprechen. Er schien mit sich selbst zu streiten.

»Es ist Unsinn, zurückzugehen und zu suchen. Nein. Wir erinnern uns nicht mehr an alle Stellen, an denen wir gewesen sind. Und das hat keinen Zweck. Der Beutlin hat ihn in der Tasche. Der häßliche Schnüffler hat ihn gefunden, das wissen wir jetzt.

Wir denken es, mein Schatz, aber wir denken es bloß. Wir können es nicht wissen, wenn wir nicht dieses häßliche Geschöpf finden und ausquetschen. Aber es weiß nicht, was mit dem Geschenk los ist, nicht wahr? Es hat es nur in der Tasche. Es weiß es nicht, und es kann damit nicht weit kommen. Es verirrt sich, das häßliche, neugierige Ding. Es weiß den Weg nicht hinaus. Das hat es doch selbst gesagt.

Es hat das gesagt, ja. Aber es ist tückisch. Es sagt nicht, was es meint. Es wollte nicht sagen, was es in seiner Tasche hat.

Es weiß es. Es weiß einen Weg herein, es muß auch einen Weg hinaus wissen, ja. Es ist auf dem Weg zur Hintertür. Zur Hintertür, das ist es. Dann werden es die Orks erwischen. Den Weg kann es nicht hinaus, Schatz.

Sss, ss, gollum! Orks! Aber, wenn es unser Geschenk hat, unser kostbares Geschenk, dann werden die Orks es bekommen, gollum! Sie werden es finden, sie werden auch herausfinden, was mit ihm los ist.

Wir werden nie wieder sicher sein, nie wieder, gollum! Einer der Orks wird ihn anstecken, und dann wird ihn niemand sehen. Er wird da sein – aber man wird ihn nicht sehen. Nicht einmal unsere klugen Augen werden ihn bemerken. Und heimlich und tückisch wird er ankommen und uns fangen, gollum, gollum!

Dann Schluß mit den Reden, Schatz, wir müssen uns beeilen. Wenn Beutlin den Weg genommen hat, müssen wir schnell sein und nachschauen. Los! Er kann nicht weit sein. Mach schnell!«