Выбрать главу

»Euer Diener: Mister Beutlin«, entgegnete Bilbo.

Dann wollten sie alles über seine Abenteuer hören, alles, seit sie ihn verloren hatten, und er setzte sich nieder und erzählte seine Erlebnisse von hinten bis vorn – ausgenommen die Geschichte von dem Ring. (Nicht gerade jetzt, dachte er.) Sie waren besonders an dem Rätselkampf interessiert und schauderten bei der Beschreibung Gollums.

»Und dann fiel mir keine andere Frage ein, als er so dicht neben mir saß«, endete Bilbo, »und ich sagte: ›Was ist in meiner Tasche?‹ Und das konnte er dreimal nicht erraten. Da sagte ich: ›Wie steht’s mit Eurem Versprechen? Zeigt mir den Weg hinaus!‹ Aber er kam an und wollte mich töten, und ich rannte weg und fiel hin, und er verlor mich im Dunkeln. Dann folgte ich ihm, denn ich hörte ihn mit sich selbst reden. Er dachte, in Wirklichkeit würde ich den Weg doch kennen, und so ging er den richtigen Weg entlang. Und dann setzte er sich in den Eingang, und ich konnte nicht vorbei. Da sprang ich über ihn hinweg und entkam und rannte zum Tor hinunter.«

»Und die Wachen?« fragten sie. »Waren keine Wachen da?«

»O ja! Massenweise. Aber ich legte sie herein. Dann blieb ich in der Tür hängen, die nur einen Spalt offen war, und verlor Dutzende von Knöpfen dabei«, sagte er und blickte traurig an seinen zerrissenen Kleidern herab. »Aber ich habe mich richtig durchgequetscht – und hier bin ich nun.«

Die Zwerge betrachteten ihn mit einem ganz neuen Respekt, als er davon sprach, wie er die Wachen hereingelegt hatte, wie er über Gollum hinweggesprungen war und sich durchgequetscht hatte, als ob das gar nicht sehr schwer und aufregend gewesen wäre.

»Was habe ich euch gesagt?« meinte Gandalf lachend. »An Mister Beutlin ist mehr daran, als ihr denkt.« Unter seinen buschigen Augenbrauen jedoch sandte er Bilbo einen seltsamen Blick zu, während er dies sagte, und der Hobbit überlegte, ob Gandalf erraten habe, was er wohlweislich ausgelassen hatte.

Dann mußte Bilbo selbst einige Fragen stellen, denn obgleich den Zwergen gerade alles von Gandalf erklärt worden war, hatte der Hobbit es doch nicht mit angehört. Er wollte wissen, auf welche Weise der Zauberer wieder aufgetaucht und wo sie nun alle waren.

Dem Zauberer, um die Wahrheit zu sagen, kam es durchaus nicht ungelegen, seine Gescheitheit noch einmal zu beweisen. Und so berichtete er Bilbo, daß ihm sowohl als auch Elrond die Gegenwart übler Orks in diesen Teilen des Gebirges durchaus bekannt gewesen wäre. Aber ihr Haupttor befand sich früher an einem ganz anderen Paß, an einem Paß, über den zu reisen viel leichter war, so daß die Orks oft genug Leute auf griffen, die in der Nähe ihrer Türen übernachteten. Offensichtlich hatte man deshalb diesen Weg aufgegeben, und die Orks mußten den neuen Eingang gerade auf jener Paßhöhe angelegt haben, über die die Zwerge gekommen waren – kürzlich erst, denn dieser Paß war bisher ganz sicher gewesen.

»Ich muß einmal sehen, ob ich nicht einen mehr oder weniger netten Riesen finde, der den Sack dort wieder zumacht«, sagte Gandalf, »oder es gibt bald überhaupt keinen Weg mehr über das Gebirge.«

Kaum hatte Gandalf Bilbos Schrei gehört, als er auch schon begriff, was da vor sich ging. Mit dem Blitz, der die nach ihm greifenden Orks niederstreckte, hatte er sich in den Spalt gezwängt, gerade als er zuschnappte. Er folgte den Treibern und ihren Gefangenen bis zur großen Halle, und dort setzte er sich nieder und zauberte so gut, wie er es in der Finsternis überhaupt konnte.

»Es war ein heikles Geschäft«, sagte er. »Anzünden – und nichts wie weg!«

Aber Gandalf hatte sich natürlich ganz besonders mit Feuer und Lichtzaubereien beschäftigt (selbst der Hobbit hatte niemals die zauberhaften Feuerwerke auf den Mittsommergesellschaften des alten Tuk vergessen, wie ihr euch erinnert). Den Rest wissen wir schon – ausgenommen, daß Gandalf über die Hintertür genau Bescheid wußte, jenen unteren Ausgang, an dem Bilbo seine Knöpfe verlor.

Dieses untere Tor war übrigens jedermann wohlbekannt, der mit diesen Gegenden des Gebirges vertraut war. Aber es bedurfte eines Zauberers, damit man in den unterirdischen Gängen den Kopf nicht verlor und die rechte Richtung fand.

»Dieses Tor bauten sie vor vielen Jahren«, sagte er, »einesteils, um einen Fluchtweg zu besitzen, falls einmal einer gebraucht wurde. Andernteils benutzten sie es als Ausfalltor in die Länder auf der andern Seite, in die sie nachts noch immer einfallen und wo sie großes Unheil stiften. Niemals ist es unbewacht, und niemand ist es bisher gelungen, dieses Tor ein für allemal zu sperren. Jetzt werden sie es doppelt bewachen«, bemerkte Gandalf lachend.

Auch die anderen lachten. Recht betrachtet, hatten sie zwar viel verloren, aber sie hatten den Großen Ork getötet und viele andere Kerle auch, und schließlich waren sie entkommen. Man konnte also sagen, daß sie doch das Bestmögliche erreicht hatten.

Aber der Zauberer rief sie zu vernünftigen überlegungen zurück. »Jetzt, da wir ein wenig ausgeruht sind, müssen wir sofort aufbrechen«, sagte er. »Sie werden zu Hunderten hinter uns her sein, wenn erst die Nacht kommt. Und die Schatten werden schon länger. Sie können unsere Fährten noch nach Stunden riechen. Wir müssen also etliche Meilen hinter uns bringen, ehe es dämmert. Wenn das Wetter gut bleibt, haben wir ein wenig Mondlicht, und das kann man Glück nennen. Nicht, daß die Orks das Mondlicht scheuen. Aber es wird uns helfen, uns besser zurechtzufinden.

»O ja!« antwortete der Zauberer auf einige weitere Fragen des Hobbits. »Drinnen in den Orkgängen verliert man den Sinn für die Zeit. Heute ist Donnerstag, und es war Montag nacht oder Dienstag morgen, als wir gefangen wurden. Wir sind viele Meilen gelaufen und mitten durch das Herz des Gebirges gekommen, und jetzt sind wir auf der anderen Seite – ein schönes Stück haben wir dabei abgeschnitten. Aber wir sind nun nicht an jener Stelle, an die unser Paßweg uns gebracht hätte. Wir sind zu weit nördlich herausgekommen und haben eine nicht sehr angenehme Gegend vor der Nase.

Außerdem sind wir hier noch sehr hoch oben. Los, jetzt müssen wir weiter!«

»Ich bin so schrecklich hungrig«, klagte Bilbo, der plötzlich gewahr wurde, daß er seit der vorvorigen Nacht nichts mehr gegessen hatte. Denkt bloß, was das für einen Hobbit heißt! Sein Magen fühlte sich ganz leer und schlaff an, und seine Beine waren richtig weich, jetzt, da die Aufregung vorüber war.

»Ich kann es nicht ändern«, sagte Gandalf, »es sei denn, Ihr fragt die Orks höflich, ob sie Euch das Pony und Euren Verpflegungssack zurückgeben wollen.«

»Nein, vielen Dank«, entgegnete der Hobbit.

»Gut also, wir müssen uns den Gürtel enger schnallen und weitertrotten – oder wir werden zu Hackfleisch gemacht, und das dürfte in jedem Fall schlimmer sein als selbst keines haben.«

Als sie so marschierten, blickte Bilbo nach allen Seiten, ob nicht etwas Eßbares zu finden wäre. Aber die Heidelbeeren standen gerade erst in der Blüte. Nüsse gab es natürlich auch nicht, nicht einmal Weißdornbeeren. Er knabberte ein bißchen am Sauerampfer, trank aus einem kleinen Gebirgsfluß und aß drei wilde Stachelbeeren, die er am Ufer fand. Aber das half nicht viel.

Sie marschierten und marschierten. Der holprige Pfad verschwand. Die Büsche und das hohe Gras zwischen den Felsbrocken, die von Kaninchen abgefressenen Rasenflecke, der Thymian, die Salbei, der Majoran und die gelben Felsenrosen, alles blieb zurück, und plötzlich standen sie hoch oben an einem breiten, steilen Hang aus losem Geröll, dem überbleibsel eines Erdrutsches. Als sie mit dem Abstieg begannen, rollten Schutt und Kiesel unter ihren Füßen weg. Bald kamen krachend die größeren Gesteinsbrocken hinterher und rissen andere Stücke mit. überall unter ihnen glitt und rollte es. Felsklötze wurden angestoßen und auf die Reise geschickt; sie krachten mit wehenden Staubfahnen und tosendem Lärm hinunter. Es dauerte nicht lange, und der ganze Hang über ihnen und unter ihnen schien in Bewegung geraten zu sein. Sie rutschten mit, fielen aufeinander, und das alles geschah in einem furchtbaren Tohuwabohu von scheppernden, rutschenden, krachenden Steinen, Schutt und Geröll.