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Im Wald gab es schwarze Eichhörnchen. Als Bilbos scharfe, forschende Augen sich eingewöhnt hatten, konnte er hin und wieder einen Blick auf sie werfen, wenn sie über den Pfad fegten oder hinter den Stämmen davontrippelten. Es gab auch andere sonderbare Geräusche, Grunzen, Schnaufen, Rascheln im Unterholz und in den Blättern, die sich an einigen Stellen zu unglaublich hohen Haufen aufgetürmt hatten. Aber von wem die Geräusche herrührten – das konnte er nicht entdecken. Das Scheußlichste, was ihnen begegnete, waren die Spinngewebe: dunkle, dichte Spinngewebe mit außerordentlich dicken Fäden, oft zwischen den Bäumen, oft auch wirr in den unteren Zweigen auf allen Seiten der Stämme. Aber kein Netz war quer über den Pfad gespannt. Hielt nun ein Zauber ihn frei, oder gab es sonst einen besonderen Grund – sie konnten es nicht erraten.

Es dauerte nicht allzulange, da begannen sie diesen Wald aus ebenso tiefem Herzen zu hassen wie die Stollengänge der Orks, nur schien ihnen der Nachtwald noch unendlicher zu sein. Immer weiter mußten sie ziehen, und schon lange wünschten sie sich heiß und innig ein bißchen Sonne und ein Stückchen blauen Himmel und sehnten sich nach einem Windhauch auf ihrem Gesicht. Unter dem Dach des Waldes aber rührte sich die Luft nicht. Hier gab es nur ewig währende Stille, Finsternis und Moder. Selbst die Zwerge spürten das, obgleich sie doch gewohnt waren, in der Erde zu graben und lange Zeit ohne Licht und Sonne zu leben. Aber der Hobbit, der Höhlen nur dazu benutzte, um eine Wohnung hineinzubauen, der jedoch nie einen einzigen Sonnentag darin verbrachte, merkte, wie es ihm allmählich den Hals zuschnürte.

Die Nächte waren am schlimmsten. Es wurde pechfinster, nicht, was ihr so pechfinster nennt, sondern es war wirklich finster wie Pech: so schwarz, daß man in der Tat rein gar nichts sah. Bilbo hielt die Hand vor seine Nase, aber er konnte sie nicht sehen. Nun, vielleicht ist es doch nicht richtig zu sagen, daß sie rein nichts sahen: Sie sahen Augen. Dicht aneinander gedrückt schliefen sie und wachten reihum. Als die Reihe an Bilbo kam, konnte er rund um sich ein Schimmern in der Schwärze sehen und zuweilen gelbe, rote oder grüne Augenpaare, die ihn aus kurzer Entfernung anstarrten und dann langsam verblaßten und verschwanden und allmählich wieder von einer anderen Stelle her zu glühen begannen. Manchmal schimmerten sie auch von den Zweigen dicht über ihm herab, und das war das entsetzlichste. Aber die Augen, die er am meisten verabscheute, waren bleiche, knopfrunde, schreckliche Augen. Insektenaugen, dachte er, keine Säugetieraugen! Allerdings, sie sind viel zu groß dafür.

Obgleich es noch nicht sehr kalt war, versuchten sie, nachts Wachfeuer zu unterhalten; aber das gaben sie bald wieder auf. Es lockte Hunderte und aber Hunderte Augen an, obgleich die Wesen, welcher Art sie auch immer sein mochten, sehr vorsichtig waren und niemals ihren Körper in dem kleinen Flackerlicht des Feuers sehen ließen. Schlimmer aber: Es zog Tausende von dunkelgrauen und schwarzen Nachtfaltern an, von denen einige fast so groß wie eure Hand waren, und die schwirrten und flatterten ihnen um die Ohren. Das hielten sie nicht aus, und die riesenhaften Fledermäuse, die so schwarz waren wie ein Zylinderhut, gaben ihnen den Rest. Sie verzichteten auf Wachfeuer und saßen in der Nacht und dösten in der gewaltigen, unheimlichen Dunkelheit vor sich hin.

All dies nahm kein Ende, und dem Hobbit schien es, als seien Jahre und Jahre vergangen. Außerdem war er stets hungrig, denn sie gingen außergewöhnlich vorsichtig mit ihren Vorräten um. Wie die Tage so einander folgten und der Wald doch immer derselbe blieb, fingen sie an, ängstlich zu werden. Die Lebensmittel würden nicht ewig reichen. Längst waren sie knapp geworden. Sie versuchten, Eichhörnchen zu schießen, und vergeudeten viele Pfeile, bevor sie eines zur Strecke brachten. Aber als sie es brieten, schmeckte es scheußlich, und sie schossen nie wieder auf Eichhörnchen.

Durstig waren sie auch, denn sie besaßen nicht viel Wasser, und während der ganzen Zeit hatten sie weder eine Quelle noch einen Bach gesehen. So stand es mit ihnen, als sie eines Tages ihren Pfad von einem fließenden Gewässer versperrt fanden. Es floß schnell und mächtig dahin, obgleich es an ihrem Pfad gar nicht so breit war. Es war schwarz oder sah in der Dämmerung jedenfalls schwarz aus. Gut nur, daß Beorn sie gewarnt hatte, sonst hätten sie von diesem Fluß getrunken, gleichgültig, wie auch immer seine Farbe war. Und ihre leer gewordenen Wasserschläuche hätten sie ebenfalls am Ufer gefüllt. Jetzt aber waren sie einzig darauf bedacht, den Fluß zu kreuzen, ohne einen Tropfen von diesem Wasser auf die Haut zu bekommen. Es hatte hier einmal eine Holzbrücke gegeben, aber sie war verfault und verfallen, und nur die zerbrochenen Uferpfosten waren übriggeblieben.

Bilbo, der am Ufer kniete und hinüberstarrte, schrie: »Dort ist ein Boot am anderen Ufer! Warum in aller Welt kann es nicht auf unserer Seite liegen!«

»Wie weit ist es weg?« fragte Thorin, denn mittlerweile hatten sie gemerkt, daß Bilbo von allen die schärfsten Augen besaß.

»Nicht allzu weit. Ich möchte annehmen, nicht mehr als zwölf Meter.«

»Zwölf Meter! Ich dachte, es wären mindestens dreißig, aber meine Augen sind nicht mehr so gut wie noch vor hundert Jahren. Trotzdem, zwölf Meter sind ebenso gut und so schlecht wie eine ganze Meile. Wir können keine zwölf Meter springen, und wir dürfen es auch nicht wagen, zu waten oder zu schwimmen.«

»Kann einer von euch ein Tau werfen?«

»Wozu soll das gut sein? Das Boot ist gewiß festgebunden, selbst wenn wir einen Haken hineinwerfen können, was ich noch bezweifle...«

»Ich glaube aber nicht, daß es angebunden ist«, sagte Bilbo, »obgleich ich bei diesem Licht natürlich nicht sicher sein kann. Mir scheint, es ist bloß ein Stück aufs Ufer gezogen worden, und das ist dort, wo der Pfad ins Wasser führt, nicht sehr hoch.«

»Dori ist der Stärkste, aber Fili der Jüngste, und außerdem sieht er am besten«, entschied Thorin.

»Kommt her, Fili, und schaut, ob Ihr das Boot sehen könnt, von dem Mister Beutlin spricht.«

Fili meinte, er sähe es. Und nachdem er eine lange Weile hinübergestarrt hatte, um die Richtung festzustellen, brachten ihm die anderen eine Leine. Sie hatten mehrere Leinen mitgenommen, und am Ende der längsten befestigten sie einen der großen Eisenhaken, die sie sonst dazu benutzten, um das Gepäck an ihre Schultergurte zu hängen. Fili nahm den Haken in die Hand, wog ihn eine Weile und schleuderte ihn dann über den Fluß.

Patsch, er fiel ins Wasser. »Nicht weit genug!« sagte Bilbo, der nach drüben starrte. »Ein paar Ellen mehr, und Ihr hättet das Boot getroffen, versucht es noch einmal. Der Zauber, glaub ich, ist nicht so stark, daß ein bißchen nasses Tau Euch gefährlich werden kann.«

Als er es zurückgezogen hatte, nahm Fili zwar den Haken wieder auf, aber mißtrauisch blieb er doch.

Diesmal warf er mit größerer Kraft.

»Ruhig, ruhig!« sagte Bilbo. »Ihr habt den Haken mitten in den Wald drüben geworfen. Zieht ihn vorsichtig zurück.« Fili holte langsam die Leine ein, und nach einer Weile sagte Bilbo: »Sorgfältig jetzt!

Sie liegt auf dem Boot. Haltet bloß den Daumen, daß der Haken faßt!«

Er faßte. Die Leine wurde straff – und Fili zog vergeblich. Kili kam ihm zu Hilfe, und dann Oin und Gloin. Sie zerrten und ruckten, und plötzlich fielen sie alle auf den Rücken. Bilbo, der noch immer Ausschau hielt, ergriff die Leine und lenkte mit einem Stock das kleine Boot, das über den Fluß geschossen kam. »Hilfe. schrie er, und Balin kam gerade recht, um das Boot zu ergreifen, ehe es von der Strömung erfaßt wurde.

»Es war also doch angebunden«, sagte Balin und betrachtete die abgerissene Fangleine, die noch herabhing. »Das war ein guter Ruck, meine Lieben. Und ein Glück, daß unsere Leine stärker war!«

»Wer setzt zuerst über?« fragte Bilbo.

»Ich«, antwortete Thorin, »und Ihr geht mit, und Fili und Balin auch. Mehr trägt das Boot nicht auf einmal. Danach Kili und Oin und Gloin und Dori; als nächste Ori und Nori, Bifur und Bofur; als letzte Dwalin und Bombur.«