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Galoppinski, der ihn im Vorbeihinken hörte, sagte zähneknirschend: „Eine Katastrophe nennen Sie das? Ich nenne so etwas eine Schweinerei! Eine Riesenschweinerei! Wer hat mir das eingebrockt? Her mit ihm! Ich verfüttere den Kerl an die Löwen! Aua!“ Er hielt sich das Kreuz und schnitt vor Schmerzen Grimassen.

Der Professor stürzte in die Manege hinaus, packte das Kaninchen an den Löffeln, lockte die beiden Tauben, bis sie sich auf seine ausgestreckte Hand gesetzt hatten, rannte mit den dreien in die Zeltgasse zurück und war außer sich und außer Atem. „Ich bin bis auf die Knochen blamiert!“ schimpfte er. „Wenn der Präsident des Magischen Zirkels davon erfährt, komme ich vors Ehrengericht! Weil ich das Ansehen der Zauberkünstler geschädigt habe!“

„Aber doch nicht durch Ihre eigene Schuld!“ besänftigte ihn Direktor Brausewetter.

„Ich verlange Schmerzensgeld!“ brüllte Galoppinski. „Erst haben mich zweitausend Leute ausgelacht, und dann bin ich auch noch vom Pferd gefallen!“

„In zehn Minuten müßte ich auftreten“, rief der Professor. „Ich denke nicht im Traum daran! Nachdem der Herr Kunstreiter meinen Zauberfrack lächerlich gemacht hat? Niemals! Und einen der teuren Blumensträuße hat sein Gaul gefressen!“ „Ausgespuckt hat er das blöde Zeug!“ kreischte Galoppinski, machte vor Zorn einen Luftsprung und sagte wieder: „Aua!“

„Ruhe, meine Herren!“ bettelte Direktor Brausewetter. „Das Programm muß weitergehen! Was soll jetzt werden?“ „Ich trete unter keinen Umständen auf, und wenn Sie vor mir auf die Knie fallen“, erklärte der Professor. „Ich nehme meine Tiere, fahre ins Hotel und trinke eine Flasche Kognak leer!“

„Nein, lieber Jokus“, rief da der Kleine Mann laut aus der Brusttasche. „Ich habe eine gute Idee! Halte mich doch einmal an dein Ohr! Es ist sehr wichtig!“ Und als ihn der Jokus hochhielt, begann Mäxchen geheimnisvoll zu wispern und zu flüstern.

Der Professor hörte erstaunt zu, schüttelte den Kopf und sagte: „Nein. Du mußt mindestens noch drei Monate trainieren. Es wäre verfrüht.“

Mäxchen gab aber keine Ruhe. „Sie haben dich geärgert“, flüsterte er, „und das lassen wir uns nicht gefallen.“

„Nein, Mäxchen, heute noch nicht!“

„Gerade heute!“

„Es ist zu früh!“

„Bitte bitte! Sag ja! Ich wünsche mir’s zum Geburtstag und außerdem gar nichts anderes! Nicht einmal die Puppenwohnstube!“

„Du hast doch erst in einem halben Jahr Geburtstag.“

„Trotzdem, lieber Jokus!“

In diesem Augenblick spürte der Professor ein paar ganz, ganz kleine Tränen an seinem großen Ohrläppchen. Da holte er tief Luft und sagte: „Herr Direktor Brausewetter, ich habe es mir überlegt. Ich werde den Kognak später trinken. Ich trete auf! Kündigen Sie mich am Mikrophon an! Tun Sie es persönlich!“

„Mit dem größten Vergnügen!“ rief der Herr Direktor erleichtert. „Und was soll ich dem Publikum sagen?“

„Sagen Sie den Leuten, ich zauberte heute zum allerersten Male mit meinem Zauberlehrling zusammen! Und die Nummer heiße ,Der große Dieb und der Kleine Mann‘!“

DAS NEUNTE KAPITEL

Direktor Brausewetter besänftigt das Publikum / ,Der große Dieb und der Kleine Mann‘, eine verfrühte Premiere / Der dicke Herr Mager und Doktor Hornbostel werden ausgeraubt / Braune und schwarze Schnürsenkel / Mäxchen winkt zweitausend Menschen zu.

Herr Direktor Brausewetter hielt sein Wort. Kaum daß die ,Wirbelwinds‘, zwei berühmte Rollschuhläufer, unter großem Applaus in der Zeltgasse verschwunden waren, zog er seine weißen Glacehandschuhe an und gab dem Kapellmeister ein Zeichen. Das Orchester spielte einen Tusch.

Der Direktor schritt würdig zum Mikrophon. Im Zirkus wurde es still. „Verehrtes Publikum“, sagte Herr Brausewetter. „Wie Sie aus Ihrem Programmheft ersehen haben, tritt jetzt Professor Jokus von Pokus auf. Er ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Großmeister unter den lebenden Zauberkünstlern. Wenn ich ihn loben wollte, müßte ich Eulen nach Athen tragen. Und so viel Zeit hat kein Zirkusdirektor.“

„Das ist aber schade!“ rief ein Flegel aus den oberen Reihen. Doch die anderen zischten ihn nieder, und es wurde wieder still. Nur in den Ställen, ganz in der Ferne, wieherte ein Pferd. Wahrscheinlich war es Nero, den Galoppinski beim Absatteln auszankte.

„Infolge eines rätselhaften Mißgeschicks“, fuhr Herr Brausewetter in seiner Ansprache fort, „griff Maestro Galoppinski vorhin zum Zauberstab statt zur Reitpeitsche. Dabei mußte er feststellen, daß Zaubern und Reiten so wenig zusammenpassen wie ... wie Rollmops und Schokoladensoße oder wie der Kölner Dom und der Hauptbahnhof.“

Ein Teil des Publikums lachte.

„Das Resultat“, erklärte der Direktor, „ist doppelt betrüblich. Denn unser Großmagier weigert sich aufs entschiedenste, nunmehr zum Zauberstab zu greifen. Ich bin vor ihm niedergekniet. Ich wollte ihm mein Briefmarkenalbum schenken. Es war alles vergeblich. Er will nicht.“

Die Menge wurde unruhig. Man pfiff und schrie „Buh“. Einer rief: „Dann verlang ich mein Eintrittsgeld zurück!“ Direktor Brausewetter winkte ab. „Er wird nicht zaubern, liebe Freunde - aber er wird auftreten!“

Die Leute klatschten.

„Was er heute zeigen wird, hat er noch nie vorher gezeigt. Sogar ich selber, der Chef des Hauses, kenne die Darbietung noch nicht! Was Sie und mich und uns alle erwartet, ist eine Weltpremiere!“

Die Leute klatschten noch länger.

„Ich kenne nur den Titel der Nummer!“ Direktor Brausewetter warf die Arme samt den weißen Glacehandschuhen hoch und rief, so laut er konnte: „Die Darbietung heißt: ,Der große Dieb und der Kleine Mann’!“

Dann verbeugte er sich schwungvoll und ging. Die Kapelle spielte wieder einen Tusch. Alles wartete. Und es wurde mäuschenstill.

„Es ist soweit“, sagte der Professor.

„Jawohl“, flüsterte Mäxchen in der Brusttasche. „Hals- und Beinbruch, lieber Jokus!“

„Toi, toi, toi und dreimal schwarzer Kater!“ murmelte der

Zauberkünstler und betrat langsam die Manege. In der Mitte blieb er stehen, verneigte sich und sagte lächelnd: „Heute wird nicht gezaubert, meine Herrschaften. Heute wird nur gestohlen. Halten Sie Ihre Taschen zu! Vor mir und meinem jugendlichen Mitarbeiter ist nichts und niemand sicher.“

„Wo bleibt er denn, Ihr Mitarbeiter?“ rief ein dicker Mann in der zweiten Reihe.

„Er ist schon hier“, erwiderte der Professor.

„Ich sehe ihn aber nicht“, rief der Dicke.

„Kommen Sie doch bitte etwas näher!“ sagte der Jokus freundlich. „Vielleicht sehen Sie ihn dann!“

Der dicke Mann erhob sich ächzend, kam in die Manege gestapft, gab dem Professor die Hand und sagte: „Mein Name ist Mager.“

Das freute das Publikum.

Der dicke Herr Mager schaute sich gründlich um. „Ich sehe ihn noch immer nicht!“

Der Professor trat dicht an den Dicken heran, blickte ihm gründlich in die Pupillen, klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „An Ihren Augen kann’s nicht liegen, Herr Mager. Die sind in Ordnung. Trotzdem ist mein Gehilfe hier. Ich gebe Ihnen mein großes Ehrenwort.“

Ein Herr in der ersten Reihe rief: „Ist ja völlig ausgeschlossen! Wette mit Ihnen um zwanzig Mark, daß Sie allein sind!“

„Nur zwanzig Mark?“

„Fünfzig Mark!“

„Einverstanden“, sagte der Jokus vergnügt. „Treten auch Sie ruhig näher! Hier ist noch eine Menge Platz. Und vergessen Sie nicht, das Geld mitzubringen!“ Er hakte sich bei Herrn Mager unter und wartete lächelnd auf den Herrn aus der ersten

Reihe, der fünfzig Mark gewettet hatte. Auch Herr Mager lächelte, obwohl er gar nicht wußte, warum.