Выбрать главу

»Ich verstehe nicht«, schrie Tolpan.

»Doch, du verstehst«, antwortete die Stimme gelassen. »Dein Kommen hat mir die Zukunft gezeigt. Du hast mir die Möglichkeit gegeben, sie zu verändern. Und in deiner Zerstörung hat Fistandantilus seine einzige Möglichkeit des Ausbrechens zerstört. Sein Körper wird wieder umkommen, so wie er vor langer Zeit umgekommen ist. Nur dieses Mal, wenn seine Seele einen anderen Körper sucht, werde ich ihn aufhalten. Also wird sich der junge Magier Raistlin in der Zukunft der Prüfung im Turm der Erzmagier unterziehen und dort sterben. Er wird nicht leben, um meine Pläne zu vereiteln. Die anderen werden einer nach dem anderen sterben. Denn ohne Raistlins Hilfe wird Goldmond nicht den blauen Kristallstab finden. Folglich ist das der Beginn des Endes der Welt.«

»Nein!« wimmerte Tolpan von Grauen gepackt. »Das – das kann nicht sein! Das war nicht meine Absicht. Ich wollte nur mit Caramon auf dieses Abenteuer gehen. Er hätte es allein nicht geschafft. Er brauchte mich!«

Der Kender starrte hektisch umher, suchte eine Fluchtmöglichkeit. Aber obgleich es schien, daß man überallhin laufen konnte, gab es nichts, wo er sich hätte verbergen können. Er warf sich vor der schwarzgekleideten Frau auf die Knie und starrte zu ihr hoch. »Was habe ich getan? Was habe ich getan?« schrie er verzweifelt.

»Dein Handeln könnte selbst Paladin in Versuchung bringen, sich von dir abzuwenden, Kender.«

»Was wirst du mit mir anstellen?« Tolpan schluchzte jämmerlich. »Wohin werde ich gehen?« Er hob sein tränenverschmiertes Gesicht. »Glaubst du, daß du mich zu Caramon zurückschicken könntest? Oder zurück in meine Zeit?«

»Deine Zeit existiert nicht mehr. Und dich zu Caramon zu schicken, das ist völlig unmöglich, wie du sicher verstehen wirst. Nein, du wirst hier bei mir bleiben, auf diese Weise kann ich sicherstellen, daß nichts schief geht.«

»Hier?« Tolpan keuchte. »Wie lange?«

Die Frau begann vor seinen Augen zu verblassen, und schließlich löste sie sich in nichts auf. »Nicht lange, stelle ich mir vor, Kender. Nicht allzu lange. Oder vielleicht für immer...«

»Was... was meint sie?« fragte Tolpan den grauhaarigen Kleriker, der hervorplatzte, um die Leere zu füllen, die die Dunkle Majestät hinterlassen hatte. »Nicht lange oder immer?«

»Obwohl du nicht tot bist, befindest du dich im Sterben. Deine Lebenskraft schwindet, so wie es jedem Lebewesen ergeht, das sich irrtümlicherweise auf diese Ebene wagt und nicht die Kraft hat, das Böse zu bekämpfen, von dem es innerlich verschlungen wird. Wenn du tot bist, werden die Götter über dein Schicksal entscheiden.«

»Ich verstehe«, sagte Tolpan. Er ließ den Kopf hängen. »Ich vermute, das verdiene ich. O Tanis, es tut mir so leid! Ich habe das wirklich nicht beabsichtigt...«

Der Kleriker ergriff Tolpans Arm. Die Umgebung veränderte sich, der Boden bewegte sich unter ihren Füßen. Aber Tolpan bemerkte es nicht. Seine Augen füllten sich mit Tränen, er gab sich düsterer Verzweiflung hin und hoffte, daß sein Tod schnell eintreten werde.

8

»Hier bitte«, sagte der dunkle Kleriker.

»Wo?« fragte Tolpan teilnahmslos.

Der Kleriker hielt inne, dann zuckte er die Schultern: »Gäbe es in der Hölle ein Gefängnis, dann würdest du dich jetzt darin befinden.«

Tolpan sah sich um. Wie gewöhnlich gab es nichts – nur einen unermeßlichen, öden Fleck unheimlicher Leere. Es gab keine Wände, keine Zellen, keine Gitterfenster, keine Türen, keine Schlösser, keinen Gefängniswärter. Und er wußte mit vollkommener Sicherheit, daß es – dieses Mal – kein Entkommen gab. »Soll ich jetzt einfach herumstehen, bis ich umfalle?« fragte er leise. »Ich meine, könnte ich nicht zumindest ein Bett und einen Schemel haben?«

Während er sprach, materialisierte sich ein Bett vor seinen Augen und dann ein dreibeiniger Holzschemel. Aber selbst diese vertrauten Gegenstände wirkten beängstigend. Tolpan konnte ihren Anblick nicht lange ertragen bei der Vorstellung, mitten im Nichts zu sitzen. »D... danke«, stammelte er, ging zu dem Schemel und setzte sich mit einem Seufzer. »Und wie sieht es mit Essen und Wasser aus?«

Er wartete, um zu sehen, ob sich jetzt auch diese Wünsche materialisieren würden.

Aber das traf nicht ein. Der Kleriker schüttelte den Kopf, sein graues Haar flog umher wie eine wirbelnde Wolke. »Die Bedürfnisse deines sterblichen Körpers werden während deines Aufenthaltes hier ruhen. Du wirst weder Hunger noch Durst verspüren. Ich habe auch deine Wunden geheilt.«

Tolpan bemerkte plötzlich, daß die Schmerzen in den Rippen und im Kopf verschwunden waren. Und auch das Eisenband um seinen Hals war nicht mehr da.

»Du brauchst dich nicht zu bedanken«, fuhr der Kleriker fort, als Tolpan den Mund öffnen wollte. »Wir haben uns nur darum gekümmert, damit du uns nicht bei der Arbeit störst. Und nun, lebe wohl...« Er erhob die Hände, offensichtlich wollte er aufbrechen.

»Warte!« schrie Tolpan, sprang von seinem Schemel auf und klammerte sich an die schwarzen, fließenden Roben. »Sehe ich dich wieder? Laß mich nicht allein!« Aber er hätte ebenso gut versuchen können, Rauch festzuhalten. Die fließenden Roben glitten zwischen seinen Fingern hindurch, und der dunkle Kleriker war verschwunden.

»Ich bin allein!« sagte Tolpan und sah sich verzweifelt in seiner düsteren Umgebung um. »Wirklich allein... allein, bis ich sterbe... Was nicht lange dauern wird«, fügte er traurig hinzu. Er setzte sich wieder auf seinen Schemel. »Ich könnte genauso gut so schnell wie möglich sterben und alles hinter mich bringen. Zumindest gehe ich dann wohl an einen anderen Ort – hoffe ich.« Er sah hinaus in die unendliche Leere. »Fizban«, sagte er leise, »du kannst mich von hier unten wahrscheinlich nicht hören. Und vermutlich kannst du auch nichts für mich tun, aber bevor ich sterbe, möchte ich dir eins sagen. Es war nicht meine Absicht, diesen ganzen Ärger zu verursachen, Par-Salians Zauber zu unterbrechen und in die Vergangenheit zurückzureisen.« Einen Seufzer ausstoßend, preßte Tolpan seine kleinen Hände zusammen, seine Unterlippe bebte. »Vielleicht hat das keine große Bedeutung mehr... Ich vermute, daß ein Teil von mir mit Caramon ging, weil« – er schluckte die Tränen hinunter – »weil es sich nach sehr viel Spaß anhörte! Aber ein anderer Teil von mir ging mit ihm, weil er zu fertig war, um allein in die Vergangenheit zu reisen! Er war von dem Zwergenspiritus völlig besoffen, verstehst du. Und ich habe Tika versprochen, mich um ihn zu kümmern. O Fizban, wenn es nur einen Weg aus diesem Schlamassel gäbe, würde ich mein Bestes versuchen, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Ehrlich...«

»Hallo!«

»Was?« Tolpan fiel fast vom Schemel. Er wirbelte herum, dachte fast, vielleicht Fizban zu sehen, statt dessen war es eine kleine Gestalt – kleiner als er selbst – in brauner Hose, grauer Tunika und brauner Lederschürze.

»Ich sagte: Hallo«, wiederholte die Stimme ziemlich gereizt.

»Oh, hallo«, stotterte Tolpan, auf die Gestalt starrend. Sie sah gewiß nicht wie ein dunkler Kleriker aus, zumindest hatte Tolpan nie gehört, daß sie braune Lederschürzen trugen. Dennoch hatte diese Gestalt große Ähnlichkeit mit einer Person, die er kannte... »Gnosch!« rief er plötzlich aus und schnalzte mit den Fingern. »Du bist ein Gnom! Oh, entschuldige bitte, eine persönliche Frage – aber bist du tot?«

»Bist du es?« fragte der Gnom und beäugte den Kender argwöhnisch.

»Nein«, sagte Tolpan ziemlich beleidigt.

»Nun, ich auch nicht!« erwiderte der Gnom.

»Wie ist dein Name?« fragte der Gnom.

»Tolpan Barfuß.« Der Kender streckte seine kleine Hand aus, die der Gnom nahm und herzlich schüttelte. »Wie ist deiner?«

»Gnimsch.«

»Danke schön. Schön, dich kennenzulernen, Gnimsch«, sagte Tolpan.

»Nett, dich kennenzulernen, Barfuß«, sagte der Gnom, und sie schüttelten einander wieder die Hände.