»Gut«, sagte Tolpan grimmig und setzte sich aufs Bett. »Nun, dann sieh dir das an.« Er öffnete den Beutel und kippte den Inhalt aus. »Woran erinnert dich das?«
»An das Jahr, in dem meine Mutter das Gerät zum Geschirrspülen erfand«, sagte der Gnom. »Die Küche war knietief mit zerbrochenem Geschirr bedeckt. Wir mußten...«
»Nein!« rief Tolpan gereizt. »Sieh doch mal, halte dieses Stück zu diesem und...«
»Mein Reisegerät!« Gnimsch keuchte. »Du hast recht! Es sieht ungefähr so aus. An meinem waren nicht all diese protzigen Juwelen, aber... Paß auf! Du machst es falsch. Ich glaube, das kommt hierhin, nicht dort. Verstehst du? Und diese Kette wird hier eingehakt und wickelt sich so herum. Dieses Stück muß hierhin.« Gnimsch hatte sich aufs Bett gesetzt, nahm ein Juwel und legte es an seinen Platz. »Jetzt brauche ich noch mehr von diesen roten Dingern.« Er begann unter den Juwelen zu wühlen. »Was hast du denn überhaupt damit angestellt?« brummte er. »Hast du sie durch einen Fleischwolf gedreht?« Aber der Gnom, in seine Aufgabe völlig vertieft, überhörte Tolpans Antwort.
Der Kender nutzte die Gelegenheit, seine Geschichte noch einmal vorzutragen. Auf dem Schemel hockend, erzählte er, ohne unterbrochen zu werden, während Gnimsch, der die Existenz des Kenders völlig vergessen hatte, die unzähligen Juwelen und die kleinen goldenen und silbernen Teile und Ketten zu ordnen begann und sie zu kleinen Häufchen schichtete.
Während Tolpan erzählte, beobachtete er jedoch Gnimsch. Hoffnung erfüllte sein Herz. Natürlich, dachte er, er hatte zu Fizban gebetet, und es bestand jede Möglichkeit, daß das Gerät sie zum Mond entführte oder sie in Hühner oder sonst etwas verwandelte, wenn Gnimsch es gelang, es zu reparieren. Aber Tolpan meinte, daß er diese Gelegenheit nutzen müsse. Immerhin hatte er versprochen zu versuchen, die Dinge wieder gerade zu biegen, und obgleich es nicht seinen Wünschen entsprach, einen Gnom zu finden, der ein Versager war, war alles besser, als herumzusitzen und auf den Tod zu warten.
In der Zwischenzeit hatte Gnimsch eine kleine Tafel und ein Stück Kreide herbeigerufen und zeichnete Diagramme, während er murmelte: »Stecke Juwel A in das goldene Ding B...«
9
»Ein elender Ort, mein Bruder«, bemerkte Raistlin leise, als er steif von seinem Pferd stieg.
»Wir waren an schlimmeren«, entgegnete Caramon, der Crysania von ihrem Pferd half. »Innen ist es warm und trocken, also hundertmal besser als draußen. Außerdem«, fügte er mit einem Blick auf seinen Bruder hinzu, der an der Seite seines Pferdes zusammenbrach, »kann keiner von uns ohne Pause weiterreiten. Ich kümmere mich um die Pferde. Ihr beide könnt schon hineingehen.«
Crysania stand in ihrem durchnäßten Umhang im Schlamm und starrte teilnahmslos auf das Wirtshaus. Es war, wie Raistlin sagte, ein elender Ort.
Den Namen wußte niemand, denn über der Tür hing kein Schild. Das einzige Kennzeichen, daß es sich um ein Wirtshaus handelte, war eine Tafel, die an der Tür befestigt und mit »Wandersmann, willkommen!« beschriftet war.
Raistlin war vorausgegangen. Nun stand er in der geöffneten Tür und sah zu Crysania zurück. Von innen kam Licht, und der Geruch von brennendem Holz versprach ein Feuer. Mit einem Seufzer watete Crysania durch den Schlamm und erreichte die Tür.
»Willkommen, Herr. Willkommen, die Dame.«
Crysania zuckte bei der Stimme zusammen, die neben ihr ertönte. Sie hatte niemanden gesehen. Die Tür schlug zu, und als sie sich umsah, erblickte sie einen häßlichen Mann, der im Schatten hinter der Tür kauerte.
»Ein rauher Tag, Herr«, sagte der Mann und rieb sich unterwürfig die Hände. Diese Geste, ein fettverschmierter Kittel und ein zerrissener Lappen über seinem Arm kennzeichneten ihn als den Gastwirt. Als sich Crysania in dem schmutzigen, schäbigen Gasthaus umblickte, dachte sie, daß es genügte. Der Mann kam auf sie zu, immer noch seine Hände reibend, bis er so dicht bei Crysania stand, daß sie den üblen Biergeruch seines Atems riechen konnte. Ihr Gesicht mit dem Umhang bedeckend, trat sie von ihm zurück. Er schien darüber zu grinsen; es war ein betrunkenes Grinsen, das dümmlich gewirkt hätte, wäre da nicht der listige Ausdruck in seinen Augen gewesen.
Als Crysania ihn betrachtete, verspürte sie den Wunsch, lieber wieder in den Sturm hinaus zu gehen. Aber Raistlin, der dem Gastwirt einen durchdringenden Blick zuwarf, sagte kalt: »Einen Tisch am Feuer.«
»Natürlich, Herr, natürlich. Einen Tisch am Feuer, natürlich. Kommt, mein Herr, meine Dame, hier entlang.« Mit schmeichlerischen Verbeugungen, die dem Ausdruck in seinen Augen widersprachen, schlufte der Mann über den Boden, niemals seinen Blick von ihnen abwendend, und führte sie zu einem schmutzigen Tisch.
»Ein Zauberer seid Ihr, Herr?« fragte der Gastwirt und streckte die Hand aus, um Raistlins schwarze Roben zu berühren, zog sie aber bei dem stechenden Blick des Magiers zurück. »Auch noch einer von den Schwarzen. Es ist schon eine Weile her, daß wir so einen gesehen haben«, fuhr er fort.
Raistlin gab keine Antwort. Von einem Hustenanfall übermannt, stützte er sich schwer auf seinen Stab. Crysania half ihm auf einen Stuhl in der Nähe des Feuers. Er sank darauf nieder und kauerte sich dankbar der Wärme entgegen.
»Heißes Wasser«, befahl Crysania und öffnete ihren nassen Umhang.
»Was ist mit ihm los?« fragte der Gastwirt argwöhnisch und wich zurück. »Doch nicht Gelbfieber, oder? Wenn ja, dann kann er nämlich gehen...«
»Nein!« rief Crysania und warf den Umhang von sich. »Seine Krankheit schadet keinem.« Sie warf dem Gastwirt einen befehlenden Blick zu. »Ich habe heißes Wasser bestellt«, sagte sie.
»Natürlich.« Seine Lippen kräuselten sich. Er rieb sich nicht länger die Hände, sondern schob sie unter die fettige Schürze, bevor er wegschlurfte.
Ihr Ekel verlor sich in ihrer Sorge um Raistlin, und Crysania vergaß den Gastwirt, als sie versuchte, es dem Magier bequemer zu machen. Sie öffnete seinen Reiseumhang und half ihm beim Ausziehen, dann legte sie den Umhang zum Trocknen vor den Kamin. Als sie sich im Gasthaus umsah, entdeckte sie mehrere Stuhlkissen. Sie holte einige und steckte sie hinter Raistlins Rücken, damit er sich bequemer zurücklehnen und leichter atmen konnte.
Sie kniete sich vor ihn und half ihm beim Ausziehen seiner nassen Stiefel, als sie seine Hand spürte, die ihr Haar berührte.
»Ich danke dir«, flüsterte Raistlin, als sie aufsah.
Crysania errötete vor Freude. Seine braunen Augen schienen wärmer als das Feuer zu sein, und seine Hand strich sanft das nasse Haar aus ihrem Gesicht. Sie konnte weder sprechen noch sich bewegen, sondern blieb vor ihm knien, von seinem Blick gefangengehalten.
»Bist du seine Frau?«
Die rauhe Stimme des Gastwirts, die hinter ihr ertönte, ließ Crysania aufschrecken. Sie hatte ihn weder gesehen noch seine schlurfenden Schritte gehört. Sie erhob sich, unfähig, Raistlin anzusehen, wandte ihr Gesicht zum Feuer und schwieg.
»Sie ist eine Dame aus einem fürstlichen Hause von Palanthas«, erklärte eine tiefe Stimme, die von der Tür kam. »Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du sie mit Respekt behandelst, Gastwirt.«
»Natürlich, Herr, natürlich«, murmelte der Gastwirt, scheinbar eingeschüchtert von Caramon, als dieser eintrat. »Sicherlich habe ich keine Respektlosigkeit beabsichtigt, und hoffentlich wurde das auch nicht so aufgefaßt.«
Crysania sagte mit gedämpfter Stimme: »Stell das Wasser auf den Tisch.«
Als Caramon die Tür schloß und sich zu ihnen gesellte, zog Raistlin den Beutel mit der Kräutermischung für seinen Trank hervor. Er warf ihn auf den Tisch und befahl Crysania mit einer Handbewegung, sein Getränk zu bereiten. Dann sank er in die Kissen zurück und starrte mit pfeifendem Atem ins Feuer. Caramons besorgten Blick spürend, hielt Crysania ihre Augen auf die Kräuter gerichtet.