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»Die Pferde sind versorgt. Wir haben sie nicht überanstrengt und können also in einer Stunde weiterreiten. Ich will Solantus vor Einbruch der Nacht erreichen«, sagte Caramon nach einem Augenblick unbehaglichen Schweigens. Er breitete seinen Umhang vor dem Kamin aus. »Hast du etwas zu essen bestellt?« fragte er Crysania.

»Nein, nur heißes Wasser«, murmelte sie und reichte Raistlin seinen Trank.

»Gastwirt, Wein für die Dame und den Magier, Wasser für mich und etwas zu essen, egal, was du hast«, sagte Caramon und setzte sich ans Feuer, seinem Bruder gegenüber. Nach wochenlanger Reise durch dieses verödete Land hatten sie gelernt, das zu essen, was in den Wirtshäusern zur Verfügung stand.

»Das ist nur der Anfang der Herbststürme«, sagte Caramon gelassen zu seinem Bruder, als der Gastwirt wieder aus dem Raum schlurfte. »Sie werden schlimmer werden, je südlicher wir reisen. Willst du trotzdem deinen Plan durchführen? Es könnte dein Tod sein.«

»Wie meinst du das?« Raistlins Stimme klang erregt.

»Beruhige dich, Raistlin«, antwortete Caramon, der vor dem stechenden Blick seines Bruders zurückwich. »Nur, dein Husten wird bei dieser Feuchtigkeit immer schlimmer.«

Nachdem Raistlin seinen Bruder gemustert und erkannt hatte, daß er offenbar wirklich nichts anderes gemeint hatte, lehnte er sich wieder in seine Kissen zurück. »Ja, ich bin immer noch dazu entschlossen. Ich würde dir das Gleiche empfehlen, mein Bruder. Denn für dich ist es die einzige Möglichkeit, dein Zuhause wiederzusehen.«

»Es würde mir sehr gut tun, wenn du unterwegs sterben würdest«, knurrte Caramon.

Crysania sah Caramon entsetzt an, aber Raistlin lächelte nur bitter. »Deine Sorge rührt mich tief, Bruder. Aber fürchte nicht für meine Gesundheit. Meine Kraft wird ausreichen, um ans Ziel zu kommen, falls ich mich in der Zwischenzeit nicht übermäßig anstrenge.«

»Offenbar hast du jemand, der Sorge trägt, daß das nicht eintritt«, erwiderte Caramon ernst mit einem Blick auf Crysania.

Sie errötete wieder und wollte gerade etwas erwidern, als der Gastwirt zurückkam.

Er trat zu ihnen, einen dampfenden Kessel in einer Hand und einen Krug in der anderen, und musterte sie mißtrauisch. »Entschuldigt meine Bitte, meine Herren«, winselte er, »aber ich will erst Euer Geld sehen. Die Zeiten sind so...«

»Hier«, sagte Caramon, nahm eine Münze aus seiner Geldbörse und warf sie auf den Tisch. »Reicht das?«

»Natürlich, meine Herren, natürlich.« Der Gastwirt stellte Kessel und Krug ab, verschüttete dabei den Eintopf auf dem Tisch, ergriff gierig die Münze und beäugte dann den Magier, als ob er befürchtete, er könnte sie verschwinden lassen.

Die Münze in seine Tasche werfend, schlufte der Gastwirt hinter die Theke und kehrte mit drei Schüsseln, drei Hornlöffeln und drei Bechern zurück. Diese stellte er auf den Tisch, dann trat er zurück und rieb sich wieder die Hände. Crysania nahm die Schüsseln, starrte sie voller Ekel an und wusch sie sofort mit dem Rest des heißen Wasssers ab.

»Habt Ihr weitere Wünsche, meine Herren, meine Dame?« fragte der Gastwirt in derart schmeichlerischem Ton, daß Caramon eine Grimasse zog.

»Hast du Brot und Käse?«

»Ja, Herr.«

»Dann pack es in einen Korb.«

»Ihr wollt... Weiterreisen?« fragte der Gastwirt.

Crysania, die die Schüsseln auf den Tisch zurückstellte, sah auf, nahm eine leichte Veränderung in der Stimme des Mannes wahr. Sie blickte zu Caramon hin, ob er auch etwas bemerkt hatte, aber der große Mann rührte hungrig den Eintopf um. Raistlin, der nichts gehört zu haben schien, starrte ins Feuer, seine Hände hielten den leeren Becher fest.

»Wir werden hier sicherlich nicht die Nacht verbringen«, sagte Caramon, während er den Eintopf in die Schüsseln schöpfte.

»Ihr werdet keine besseren Unterkünfte in... Was habt Ihr gesagt, wohin Ihr wollt?« fragte der Gastwirt.

»Das geht dich nichts an«, erwiderte Crysania kühl. Sie nahm eine Schüssel Eintopf und reichte sie Raistlin. Aber der Magier winkte nach einem Blick auf das fettüberzogene Essen ab. Trotz ihres Hungers konnte Crysania nur wenige Löffel hinunterwürgen. Sie schob die Schüssel beiseite, zog den immer noch feuchten Umhang über, schloß die Augen und versuchte nicht daran zu denken, daß sie in einer Stunde wieder auf ihrem Pferd sitzen und durch das düstere, sturmgepeitschte Land reiten würde.

Raistlin war bereits eingeschlafen. Die einzigen Geräusche kamen von Caramon, der seinen Eintopf aß, und vom Gastwirt, der in die Küche zurückging, um den bestellten Lebensmittelkorb zu packen.

Nach einer Stunde holte Caramon die Pferde aus dem Stall, drei Reitpferde und ein schwerbeladenes Packpferd. Er half seinem Bruder und Crysania beim Aufsteigen, und als sie beide in ihren Sätteln saßen, bestieg Caramon sein eigenes riesiges Pferd. Der Gastwirt stand mit dem Korb barhäuptig im Regen.

Er überreichte ihn Caramon, grinste und verbeugte sich, während der Regen seine Kleidung durchnäßte.

Caramon bedankte sich knapp und warf dem Gastwirt eine Münze zu, dann ergriff er die Zügel des Packpferdes und ritt los. Crysania und Raistlin, gegen den Regenguß schwer in ihre Umhänge eingemummt, folgten.

Der Gastwirt, der offenbar den Regen vergessen hatte, hob die Münze auf und beobachtete die Drei beim Wegreiten. Plötzlich tauchten zwei Gestalten hinter den Ställen auf und traten zu ihm.

Die Münze in die Luft werfend, sah der Gastwirt sie an. »Sagt ihnen Bescheid – sie reisen auf der Straße nach Solantus.«

Dem Hinterhalt fielen sie mühelos zum Opfer.

Im schwindenden Licht des trostlosen Tages unter Bäumen reitend, von deren Zweigen Regen tropfte, war jeder in seine düsteren Gedanken verloren. Sie hörten erst das Galoppieren der Hufe und das Rasseln von hellem Stahl, als es zu spät war.

Bevor sie wußten, was geschah, stürzten dunkle Gestalten herbei. Der Überfall verlief routiniert.

Einer schlug den Magier ohnmächtig, bevor er sich umdrehen konnte. Ein anderer stürzte sich auf Crysania, schlug die Hand über ihren Mund und hielt die Spitze seines Dolches an ihre Kehle. Aber drei waren nötig, um Caramon von seinem Pferd zu ziehen und den großen Mann auf dem Boden zu überwältigen, und als der Kampf endlich vorbei war, kam einer der Räuber nicht mehr auf die Füße. Er lag reglos im Schlamm.

Caramons Arme wurden mit Bogensehnen zusammengebunden. Er blutete aus einer Kopfwunde.

Der Anführer, der seine Muskeln bemerkte, die sich unter den Bogensehnen spannten, schüttelte vor Bewunderung den Kopf.

Zwanzig bis dreißig schwerbewaffnete Männer hatten die Reisenden umzingelt. Als Caramon zu dem Anführer aufsah, fluchte er leise. Er hatte noch nie einen so großen Mann gesehen!

Seine Gedanken kehrten sofort zu Raag und der Gladiotorenarena in Istar zurück. »Ein halber Oger«, sagte er sich und spuckte einen Zahn aus, der ihm im Kampf locker geschlagen worden war. Sich lebhaft an den riesigen Oger erinnernd, der Arak bei der Ausbildung der Gladiatoren geholfen hatte, sah Caramon, daß dieser Mann, der auf dem ersten Blick ein Mensch zu sein schien, eine gelbliche, für Oger typische Hautfärbung hatte und die gleiche flache Nase. Auch war er größer als die meisten Menschen und hatte Arme wie Baumstämme. Aber seine Gangart war merkwürdig, und er trug einen langen Umhang, der am Boden schleifte und seine Füße verborgen hielt.

Da er in der Arena gelernt hatte, einen Feind abzuschätzen und nach jeder Schwäche zu suchen, beobachtete Caramon den Mann gründlich. Als der Wind den dicken Fellumhang zur Seite blies, sah Caramon erstaunt, daß der Mann nur ein Bein hatte. Das andere war ein künstliches Eisenbein.

Als der Halboger Caramons Blick bemerkte, grinste er breit und trat einen Schritt näher zu dem großen Mann. Er streckte eine Riesenhand aus und tätschelte Caramon leicht an der Wange.

»Ich bewundere Männer, die einen guten Kampf liefern«, sagte er mit sanfter Stimme. Dann ballte er mit überraschender Schnelligkeit seine Hand zur Faust und schlug Caramon an den Kiefer. Die Wucht des Schlages stieß den großen Krieger nach hinten und rieß beinahe seine Wächter mit ihm zusammen um. »Aber du wirst für den Tod meines Mannes bezahlen.«