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Der Halboger raffte seinen langen Fellumhang zusammen und stapfte zu Crysania, die von einem Räuber festgehalten wurde. Dieser hielt immer noch seine Hand über ihren Mund, aber obgleich ihr Gesicht blaß war, waren ihre Augen dunkel und zornerfüllt.

»Ist das nicht nett?« sagte der Halboger sanft. »Ein Geschenk, und es ist noch nicht der Heilige Abend.« Sein Gelächter dröhnte durch die Bäume. Er ergriff ihren Umhang und riß ihn am Hals auf. Sein Blick überflog die Wölbungen ihres Körpers, die gut sichtbar wurden, als der Regen sich in ihre weißen Roben sog. Sein Lächeln verstärkte sich, und seine Augen glitzerten. Er streckte seine Riesenhand aus.

Crysania schrak vor ihm zurück, aber der Halboger bekam sie mühelos zu fassen und lachte. »Nun, nun, was trägst du denn da für einen Klunker, Süße?« fragte er, als sein Blick auf das Medaillon von Paladin fiel, das sie um ihren schlanken Hals trug. »Ich finde es... unkleidsam. Reines Platin!« Er stieß einen Pfiff aus. »Am besten, ich bewahre es für dich auf, meine Liebe. Es könnte nämlich in den Freuden unserer Leidenschaft verlorengehen...«

Caramon hatte sich inzwischen soweit erholt, daß er sehen konnte, wie der Halboger das Medaillon in seiner Hand hielt. In Crysanias Augen funkelte ein grimmiges Vergnügen auf, obgleich sie vor der Berührung des Mannes sichtlich erbebte. Ein Blitz reinen weißen Lichtes zischte durch den stürmischen Regen. Der Halboger ließ mit einem Knurren Crysania los.

Unter den Männern, die den Vorfall beobachtet hatten, erhob sich ein Gemurmel. Der Räuber, der Crysania festgehalten hatte, lockerte seinen Griff, und sie riß sich los, funkelte ihn wütend an und zog ihren Umhang wieder über.

Der Halboger hob seine Hand, sein Gesicht war zornverzerrt. Caramon fürchtete, daß er Crysania schlagen würde, als ein Mann aufschrie.

»Der Zauberer, er kommt wieder zu sich!«

Die Augen des Halbogers waren noch auf Crysania gerichtet, aber er senkte seine Hand. Dann lächelte er. »Nun, Hexe, die erste Runde hast du anscheinend gewonnen.« Er blickte zu Caramon zurück. »Ich genieße Wettkämpfe, sowohl in der Schlacht als auch in der Liebe. Dies verspricht für alle eine vergnügliche Nacht zu werden.« Mit einer Handbewegung befahl er dem Mann, der Crysania losgelassen hatte, diese wieder zu packen, und ging zu Raistlin, der vor Schmerzen stöhnend auf dem Boden lag. »Der Zauberer ist am gefährlichsten. Bindet seine Hände hinter dem Rücken zusammen und knebelt ihn«, befahl der Anführer. »Falls er auch nur einen Ton von sich gibt, schneidet seine Zunge ab. Das wird seine Zauberkraft für immer zerstören.«

»Warum töten wir ihn nicht?« knurrte einer der Männer.

»Dann mach es, Brack«, erwiderte der Halboger vergnügt. »Nimm dein Messer und schlitz ihm die Kehle auf.«

»Ich tue das nicht«, brummte der Mann und trat einen Schritt zurück.

»Nein? Wäre es dir lieber, wenn ich derjenige wäre, der für den Mord an einer Schwarzen Robe verflucht wird?« fuhr der Anführer fort. »Würdest du es genießen, wenn meine Schwerthand verkümmern und abfallen würde?«

»Das habe ich natürlich nicht gemeint, Stahlfuß. Ich habe nicht gedacht, das ist alles.«

»Dann fang mal an zu denken. Er kann uns jetzt nichts anhaben. Sieh ihn dir an.« Stahlfuß zeigte auf Raistlin.

Der Magier lag auf dem Rücken, seine Hände waren über seiner Brust gefesselt. Ein Knebel war um seinen Mund gebunden. Aber seine Augen funkelten aus dem Schatten seiner Kapuze in einem bösartigen Zorn, und seine Hände ballten sich in solcher Wut zusammen, daß mehr als einer der Räuber sich unbehaglich fragte, ob diese Maßnahmen ausreichten.

Vielleicht hatte Stahlfuß das gleiche Gefühl, als er zu Raistlin hinkte, der ihn voll Haß anstarrte. Als er neben dem Magier stehen blieb, erschien ein Lächeln in dem gelblichen Gesicht des Halbogers, und plötzlich stieß er sein Eisenbein gegen Raistlins Kopf. Der Magier erschlaffte. Crysania schrie auf, aber ihr Bewacher hielt sie fest. Caramon war verblüfft, als ein stechender Schmerz sein Herz zusammenzog, weil er die Gestalt seines Bruders im Schlamm liegen sah.

»Das wird ihn eine Weile ruhig halten. Wenn wir unser Lager erreichen, werden wir seine Augen verbinden und ihn zu einem Spaziergang auf den Berg mitnehmen. Wenn er ausrutscht und über den Abhang stürzt, nun, das ist der Lauf der Dinge, nicht wahr, Männer?«

Vereinzeltes Gelächter erhob sich, aber Caramon sah, daß viele nervöse Blicke austauschten und die Köpfe schüttelten.

Stahlfuß wandte sich von Raistlin ab, um mit glänzenden Augen das schwerbeladene Packpferd zu untersuchen. »Wir haben heute einen guten Fang gemacht, Männer«, stellte er zufrieden fest. Er stapfte zurück und hielt bei Crysania an.

»In der Tat ein guter Fang«, murmelte er. Seine Riesenhand packte grob Crysanias Kinn. Er beugte sich zu ihr und preßte seine Lippen auf die ihren. In den Armen ihres Bewachers gefangen, konnte Crysania sich nicht wehren. Sie sträubte sich auch nicht; vielleicht sagte ihr ein inneres Gefühl, daß genau das den Erwartungen des Mannes entsprechen würde. Sie stand mit steifem Körper aufrecht da. Aber Caramon sah ihre Hände sich zusammenballen.

»Ihr kennt meine Vorgehensweise, Männer«, sagte Stahlfuß und streichelte grob über ihr Haar. »Die Beute teilen wir unter uns auf – natürlich nachdem ich meinen Anteil erhalten habe.«

Über diese Bemerkung wurde gelacht, und hier und dort gab es vereinzelten Jubel. Caramon hatte keinen Zweifel an der Bedeutung dieser Erklärung, und es war vermutlich nicht das erste Mal, daß »Beute aufgeteilt« wurde.

Aber einige junge Gesichter verdüsterten sich, sahen einander beunruhigt an und schüttelten den Kopf. Und es gab auch einige Bemerkungen, wie: »Mit einer Hexe will ich nichts zu schaffen haben!« und: »Ich würde eher mit dem Zauberer ins Bett gehen!«

Hexe! Verschwommene Erinnerungen regten sich in Caramon – Erinnerungen aus der Zeit, als er und Raistlin mit Flint, dem Zwergenschmied, gereist waren, in der Zeit vor der Rückkehr der wahren Götter. Caramon erbebte. Plötzlich fiel ihm mit lebhafter Deutlichkeit ein, daß sie einmal in einer Stadt gewesen waren, in der eine alte Frau wegen Hexerei verbrannt werden sollte. Er erinnerte sich, wie sein Bruder und Sturm, der immer ehrenhafte Ritter, ihr Leben riskiert hatten, um das alte Weib zu retten. Er schauderte, dann zwang er sich, mit kalter Logik zu denken. Verbrennen war ein furchtbarer Tod, aber es war ein schnellerer als...

»Bringt mir die Hexe.« Stahlfuß humpelte zu dem Pfad, wo einer der Männer sein Pferd hielt. Er stieg auf und machte eine Handbewegung. »Dann folgt mit den anderen.«

Crysanias Bewacher zog sie zu Stahlfuß. Dieser griff nach unten, bekam sie unter den Armen zu fassen und hob sie vor sich aufs Pferd. Crysania saß da und starrte geradeaus, ihr Gesicht war kalt und ausdruckslos.

Weiß sie Bescheid? fragte sich Caramon, der hilflos zusah, wie Stahlfuß an ihm vorbeiritt. Das gelbliche Gesicht des Mannes hatte sich zu einem anzüglichen Grinsen verzerrt. Sie war immer behütet gewesen, vor derartigen Dingen beschützt. Vielleicht war ihr gar nicht bewußt, zu welch furchtbaren Dingen diese Männer in der Lage waren.

Und dann warf Crysania Caramon einen Blick zu. Ihr Gesicht war ruhig und blaß, aber in ihren Augen lag ein Ausdruck, der so viel Entsetzen, Angst und Flehen enthielt, daß er es nicht ertragen konnte und den Kopf neigte. Sie weiß Bescheid... Mögen die Götter ihr beistehen. Sie weiß Bescheid, dachte er.

Jemand stieß Caramon von hinten an. Einige Männer ergriffen ihn und warfen ihn auf den Sattel seines Pferdes. Über den Sattel hängend, seine starken Arme mit Bogensehnen gefesselt, die in sein Fleisch schnitten, sah Caramon, wie Männer den schlaffen Körper seines Bruders aufhoben und ihn über den Sattel seines Pferdes warfen. Dann bestiegen die Banditen ihre Pferde und führten ihre Gefangenen tief in den Wald.