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Die Männer waren glattrasiert, sie trugen nicht den langen Bart, der diese Ritter kennzeichnete, aber ihre ernsten jungen Gesichter erinnerten Caramon an seinen Freund, den Ritter Sturm Feuerklinge.

Als Caramon die Männer betrachtete, die im Lager herumstanden, ihre Waffen putzten und sich leise unterhielten, sah er zwar verruchte Taten in ihre Gesichter geschrieben, aber er sah auch Blicke der Resignation und Hoffnungslosigkeit. Er hatte selbst harte Zeiten durchgemacht. Er wußte, wozu ein Mann dann in der Lage war. All dies erfüllte ihn mit der Hoffnung, daß sein Plan gelingen könnte.

Ein Feuer loderte mitten im Lager, nicht weit von der Stelle, wo er und Raistlin auf den Boden geworfen worden waren. Als er sich umblickte, sah er seinen Bruder, der immer noch Bewußtlosigkeit vortäuschte.

Caramon trat ins Licht des Feuers. Die meisten Männer hörten mit ihren Beschäftigungen auf und bildeten einen Halbkreis um ihn. Auf einem großen Holzstuhl neben den Flammen thronte Stahlfuß mit einer Flasche in der Hand. Neben ihm standen lachend und Witze reißend mehrere Männer, die Caramon als typische, sich bei ihrem Anführer einschmeichelnde Speichellecker erkannte. Und es überraschte ihn nicht, am Rand der Menge das grinsende, häßliche Gesicht des Gastwirtes zu erblicken.

Auf einem Stuhl neben Stahlfuß saß Crysania. Ihren Umhang hatte man ihr abgenommen. Ihr Kleid war am Oberteil aufgerissen – er konnte sich vorstellen, von welchen Händen. Und Caramon sah mit wachsendem Zorn einen purpurroten Fleck auf ihrer Wange. Ein Mundwinkel war angeschwollen. Aber sie hielt sich mit unbeugsamer Würde aufrecht, starrte geradeaus und bemühte sich, die groben Witze und beängstigenden Geschichten zu überhören, die ausgetauscht wurden.

Caramon lächelte grimmig vor Bewunderung. Er erinnerte sich an ihren panischen, fast an Wahnsinn grenzenden Zustand, in dem sie sich während der letzten Tage von Istar befunden hatte, und er dachte an ihr vorheriges friedliches, behütetes Leben; er war überrascht, sie in dieser gefährlichen Situation mit einer Kühle reagieren zu sehen, um die sie Tika beneidet hätte.

Tika... Caramons Blick verfinsterte sich. Er wollte nicht an Tika denken, insbesondere nicht in Verbindung mit Crysania. Er zwang sich in die Gegenwart zurück, wandte die Augen von der Frau zu seinem Feind ab und konzentrierte sich auf ihn.

Als Stahlfuß Caramon bemerkte, brach er seine Unterhaltung ab und deutete dem Krieger mit einer derben Handbewegung an, er solle zu ihm kommen. »Zeit zu sterben, Krieger«, sagte er zu ihm, immer noch im gleichen freundlichen Tonfall. Er blickte Crysania an. »Ich bin sicher, meine Dame, daß es dich nicht stört, wenn unser Stelldichein um einige Augenblicke verschoben wird.« Er streichelte Crysanias Wange. Als sie vor ihm zurückwich und ihre Augen vor Zorn aufblitzten, wurde aus seiner Liebkosung ein Schlag in ihr Gesicht.

Crysania schrie nicht auf. Sie hob den Kopf und starrte ihren Peiniger mit grimmigem Stolz an.

Caramon hielt seinen Blick auf den Anführer gerichtet und musterte ihn gelassen. Dieser Mann herrscht mit Angst und roher Gewalt, dachte er. Von seinen Anhängern folgen ihm viele nur widerwillig. Sie haben alle Angst vor ihm; er ist wahrscheinlich das einzige Gesetz in diesem von den Göttern verlassenen Land. Aber offensichtlich versorgt er sie gut, so daß sie zumindest genug zu essen haben. Sie sind ihm also ergeben, aber wie weit reicht ihre Ergebenheit?

Caramon richtete sich auf und musterte den Halboger mit einem geringschätzigen Blick. »Ist das die Art, wie du deinen Mut zeigst? Frauen zusammenschlagen?« Caramon grinste höhnisch. »Binde mich los und gib mir ein Schwert, und wir werden sehen, was für ein Mann du wirklich bist!«

Stahlfuß musterte ihn interessiert, und Caramon bemerkte mit Unbehagen eine gewisse Intelligenz in seinem Blick.

»Ich habe mir schon gedacht, daß du etwas origineller bist, Krieger«, sagte Stahlfuß mit einem Seufzer, der teilweise gespielt und teilweise echt war. Er erhob sich. »Vielleicht bist du keine derartige Herausforderung für mich, wie ich anfangs dachte. Aber ich habe nichts Besseres vor heute abend. Am frühen Abend, meine ich«, fügte er mit einer anzüglichen Verbeugung vor Crysania hinzu, die ihn nicht beobachtete.

Der Halboger warf seinen großen Fellumhang beiseite, drehte sich um und befahl einem seiner Männer, sein Schwert zu holen. Die Speichellecker zerstreuten sich, um seinem Befehl nachzukommen, während die anderen Männer an einer Seite des Lagerfeuers einen Kreis bildeten – offensichtlich waren sie mit diesem Zeitvertreib vertraut. Während dieser Unordnung gelang es Caramon, Crysanias Blick aufzufangen.

Seinen Kopf neigend, blickte er bedeutungsvoll zu der Stelle, wo Raistlin lag. Crysania verstand seine Absicht sofort. Sie sah zu dem Magier hin, lächelte traurig und nickte. Ihre Hand schloß sich um das Medaillon von Paladin, und ihre geschwollenen Lippen bewegten sich.

Caramons Wächter stießen ihn in den Kreis. »Wir werden mehr als Gebete zu Paladin nötig haben, um hier herauszukommen, Crysania«, murmelte er und fragte sich mit einer gewissen Belustigung, ob sein Bruder in diesem Augenblick zu der Königin der Finsternis um Hilfe betete.

Nun, er hatte niemand, zu dem er beten konnte, nichts, was ihm helfen konnte, abgesehen von seinen Muskeln, Knochen und Sehnen.

Sie schnitten die Fesseln von seinen Armen. Caramon zuckte vor Schmerz zusammen, als das Blut in seine Glieder zurückfloß; er spannte seine steifen Muskeln an und rieb sie, um die Blutzufuhr anzuregen und sich zu wärmen. Dann rissen sie ihm das klatschnasse Hemd und seine Hosen vom Leib, damit er nackt kämpfte.

Beim Anblick von Caramons prächtigem Körperbau setzte ein bewunderndes Murmeln der Männer ein, die im Kreis standen. Der Regen strömte über seinen sonnengebräunten, muskulösen Körper, das Feuer glänzte auf seiner kräftigen Brust und seinen kräftigen Schultern. Jemand überreichte Caramon ein Schwert, und der Krieger schwang es mit Leichtigkeit und offensichtlichem Geschick. Selbst Stahlfuß, der in den Kreis der Männer trat, schien ein wenig aus der Fassung gebracht beim Anblick des ehemaligen Gladiators.

Aber wenn Stahlfuß vom Aussehen seines Gegners überrascht war, dann war Caramon über das Aussehen von Stahlfuß nicht weniger verblüfft. Halb Oger und halb Mensch, hatte der Mann die besten Eigenschaften beider Rassen geerbt. Er besaß den Körperumfang und die Muskeln der Oger, aber er war schnell auf den Füßen und flink, während in seinen Augen die gefährliche Intelligenz eines Menschen lag. Auch er kämpfte fast nackt; er trug nur einen ledernen Lendenschurz. Aber was Caramon verwunderte, war die Waffe, die der Halboger trug – es war das erstaunlichste Schwert, das der Krieger in seinem ganzen Leben gesehen hatte.

Die riesige Klinge war als zweihändige Waffe angefertigt. Als Caramon sie fachmännisch betrachtete, fielen ihm nur wenige Männer ein, die sie hätten heben können, geschweige denn schwingen. Aber Stahlfuß hielt sie nicht nur mühelos, sondern auch noch mit nur einer Hand! Und er machte das gut, soweit Caramon aus den geübten Schlägen beurteilen konnte. Die Stahlklinge wurde vom Licht des Feuers beleuchtet, als er sie durch die Luft schlug.

Als sein Gegner in den Ring hinkte, erkannte Caramon mit Verzweiflung, daß er nicht einem primitiven, dümmlichen Gegner gegenüberstand, wie er erwartet hatte, sondern einem geübten Schwertkämpfer, einem intelligenten Mann, der seine Behinderung überwunden hatte und mit einer Überlegenheit kämpfte, um die ihn Männer mit zwei gesunden Beinen beneiden konnten.

Die zwei stolzierten aufeinander zu, täuschten Manöver vor, achteten auf jede Schwäche in der Verteidigung des Gegners. Dann plötzlich hielt Stahlfuß auf dem gesunden Bein mühelos sein Gleichgewicht und gebrauchte sein Eisenbein als weitere Waffe. Er wirbelte herum und schlug mit dem Eisenbein mit solcher Wucht auf Caramon ein, daß der große Mann zu Boden stürzte. Sein Schwert flog ihm aus den Händen.