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Kharas, der den Vorgang schweigend beobachtete, benutzte ihn als bedeutungsvolle Unterstützung für die Erklärung, die er schließlich gab. »Ich finde, du solltest anhören, was er dir zu sagen hat«, sagte er. »Es gibt Gerede, daß du unsere Verwandten in den Krieg treibst...«

»Ich?« brüllte Dunkan vor Zorn. »Ich treibe sie in den Krieg? Sie sind es doch, die aufmarschieren, wie die Ratten aus ihren Löchern schwärmen! Sie waren es, die das Gebirge verlassen haben. Wir haben sie niemals aufgefordert, ihre uralte Heimat aufzugeben! Aber nein, in ihrem halsstarrigen Stolz...« Er schimpfte weiter und gab lange Geschichten von Kränkungen von sich, die sowohl wirklich als auch eingebildet waren. Kharas ließ ihn reden und wartete geduldig, bis Dunkan den Großteil seines Zornes abgelassen hatte.

Dann sagte der große Zwerg geduldig: »Es wird dich nichts kosten zuzuhören und könnte uns langfristig großen Nutzen bringen. Nicht nur unsere Verwandten, auch andere Augen halten Ausschau, dessen kannst du sicher sein.«

Als einem von sieben Königen, die über die sieben Sippen des Zwergenkönigreichs herrschten, war es Dunkan gelungen, die anderen Könige unter seiner Führerschaft zu vereinen. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten hatten die Zwerge von Thorbadin einen einzigen König. Selbst die Dewaren erkannten Dunkan, wenn auch widerwillig, als ihren Anführer an.

Die Dewaren, die sogenannten Dunkelzwerge, lebten tief unter der Erde, in schwach beleuchteten, übelriechenden Höhlen, die selbst die Bergzwerge von Thorbadin, die den größten Teil ihres Lebens unter der Erde verbrachten, nur zögernd betraten. Vor langer Zeit hatte sich bei dieser Sippe Wahnsinn bemerkbar gemacht, so daß sie von den anderen gemieden wurden. Jetzt, nach Jahrhunderten der Inzucht, die ihnen durch ihre Isolation aufgezwungen wurde, trat ihr Wahnsinn noch stärker hervor, während jene, die als geistig gesund eingestuft wurden, ein verbitterter, mürrischer Haufen waren.

Aber sie hatten auch ihr Gutes. Schnell zornig, grausame Mörder mit Spaß am Töten, machten sie einen wertvollen Teil der Armee des Königs aus. Aus diesem Grund, und weil Dunkan im Innersten ein gerechter Zwerg war, behandelte er sie gut. Aber er war klug genug, ihnen nicht den Rücken zuzuwenden.

Gleichermaßen war Dunkan klug genug, die weisen Worte von Kharas in Erwägung zu ziehen. »Andere Augen halten Ausschau.« Das war nur allzu wahr. Er warf einen Blick nach Westen, dieses Mal einen achtsamen. Die Elfen wollten keinen Ärger, in dieser Hinsicht fühlte er sich sicher. Trotzdem, wenn sie annahmen, daß die Zwerge einen Krieg wollten, würden sie schnell handeln, um ihre Heimat zu schützen. Er wandte sich um und sah nach Norden. Es gab Gerüchte, daß kriegerische Menschen aus den Ebenen Abanasinias ein Bündnis mit den Hügelzwergen in Erwägung zogen und in ihren Gebieten Lager errichten wollten. Soweit Dunkan wußte, konnte dieses Bündnis bereits bestehen. Zumindest konnte er das herausfinden, wenn er mit dem Hügelzwerg Feuerschmied redete.

Und dann gab es noch dunklere Gerüchte, Gerüchte von einer Armee, die aus dem zerstörten Land Solamnia anmarschierte, eine Armee, die von einem mächtigen, schwarzgekleideten Zauberer angeführt wurde...

»Na schön!« knurrte König Dunkan. »Du hast wieder einmal gewonnen, Kharas. Sag dem Hügelzwerg, daß ich ihn zur nächsten Wacht in der Halle der Lehnsmänner treffen werde. Sieh zu, daß du Vertreter der anderen Lehnsmänner auftreibst. Wir werden ehrlich und offen vorgehen, da es ja das ist, was du empfiehlst.«

Lächelnd verbeugte sich Kharas; sein langer Bart fegte fast über seine Stiefelspitzen. Mit einem verdrießlichen Nicken drehte sich Dunkan um und stapfte nach unten; das laute Geräusch seiner Stiefel gab den Grad seines Mißfallens bekannt. Die Zwerge an den Zinnen verbeugten sich, als ihr König vorbeiging, aber fast unverzüglich wandten sie sich wieder der Beobachtung zu. Zwerge sind ein unabhängiges Volk, in erster Linie ihren Sippen ergeben, jeden anderen an zweiter Stelle einstufend. Dunkan wurde zwar von allen respektiert, aber nicht verehrt, und das war ihm wohl bewußt. Die Aufrechterhaltung seiner Position war ein tagtäglicher Kampf.

Unterhaltungen, die durch das Vorbeigehen des Königs unterbrochen worden waren, wurden fast unverzüglich wiederaufgenommen. Diese Zwerge wußten, daß der Krieg nahte; in der Tat waren sie erpicht darauf. Als er ihren tiefen Stimmen lauschte, ihre Gespräche über Schlachten und Kämpfe hörte, stieß Kharas einen weiteren Seufzer aus.

Er wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und machte sich auf die Suche nach der Abordnung der Hügelzwerge. Sein Herz war fast so schwer wie der gigantische Kriegshammer, den er trug – ein Hammer, den nur wenige Zwerge heben konnten. Auch Kharas sah den Krieg kommen. Er fühlte sich, so wie er sich einmal gefühlt hatte, als er im Kindesalter in die Stadt Tarsis gereist war und am Strand gestanden und verwundert die Wellen beobachtet hatte, die am Ufer zerbarsten. Daß der Krieg nahte, schien genauso unvermeidbar und unaufhaltsam wie die Wellen. Aber er war trotzdem entschlossen, alles zu tun, um ihn zu verhindern.

Kharas machte keinen Hehl aus seinem Haß gegen den Krieg, er machte sich für den Frieden stark. Viele Zwerge fanden das merkwürdig, denn Kharas galt als der anerkannte Held seiner Rasse. In den Tagen vor der Umwälzung war er als junger Zwerg unter jenen gewesen, die gegen die Legionen der Goblins und Oger in den Großen Goblinkriegen gekämpft hatten, die von Istars Königspriester entfacht worden waren.

Es war eine Zeit gewesen, in der noch Vertrauen unter den Rassen geherrscht hatte. Mit den Rittern verbündet, waren die Zwerge ihnen zu Hilfe gekommen, als die Goblins in Solamnia einmarschierten. Zwerge und Ritter hatten Seite an Seite gekämpft, und der junge Kharas war vom ritterlichen Verhalten tief beeindruckt gewesen. Die Ritter wiederum waren vom Kampfgeschick des jungen Zwergs beeindruckt gewesen.

Größer und stärker als alle anderen seiner Rasse, schwang Kharas einen riesigen Hammer, den er selbst geschmiedet hatte – in Legenden hieß es, mit der Hilfe des Gottes Reorx —, und unzählige Male kam es vor, daß er das Kampffeld allein behielt, bis seine Männer sich wieder hinter ihm sammeln konnten.

Für seinen Mut belohnten die Ritter ihn mit dem Namen »Kharas«, der in ihrer Sprache »Ritter« bedeutete. Es gab keine größere Ehre, die sie jemand gewähren konnten.

Als Kharas nach Hause zurückkehrte, stellte er fest, daß sich sein Ruhm bereits verbreitet hatte. Er hätte der militärische Anführer der Zwerge werden können. Er hätte sogar König werden können, aber einen derartigen Ehrgeiz hegte er nicht. Er war einer von Dunkans stärksten Unterstützern gewesen, und viele glaubten, daß Dunkan Kharas seinen Aufstieg zur Macht verdankte. Aber wenn dem so war, hatte es ihre Beziehung nicht vergiftet. Der ältere Zwerg und der junge Held wurden enge Freunde – Dunkans steinhartes, praktisches Wesen ergänzte sich gut mit Kharas’ Idealismus.

Und dann kam die Umwälzung. In jenen ersten schrecklichen Jahren nach der Zerstörung des Landes glänzte Kharas’ Mut als Beispiel für sein geplagtes Volk. Es war seine Ansprache gewesen, die dazu führte, daß die Lehnsmänner sich vereinten und Dunkan zum König wählten. Die Dewaren vertrauten Kharas, wenn sie sonst niemand vertrauten. Aufgrund dieser Vereinigung hatten die Zwerge überlebt und es sogar geschafft, zu Wohlstand zu kommen.

Jetzt befand sich Kharas im besten Mannesalter. Er war einst verheiratet gewesen, aber seine Frau war während der Umwälzung umgekommen, und Zwerge bleiben ein Leben lang verheiratet, wenn sie heiraten. Er hatte keine Söhne, die seinen Namen tragen würden, ein Umstand, für den Kharas angesichts der düsteren Zukunft, die er für die Welt voraussah, fast dankbar war.