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»Regar Feuerschmied von den Hügelzwergen und Begleiter.« Der Herold verkündete den Namen und stieß seinen Zeremonienspeer auf den harten Granitboden. Die Hügelzwerge traten ein und schritten stolzen Hauptes zu dem Thron, wo Dunkan in der sogenannten Halle der Lehnsmänner saß. Hinter ihm saßen auf kleineren, für diese Gelegenheit eilig herbeigeholten Stühlen die sechs Vertreter der anderen Sippen, um als Zeugen aufzutreten. Sie würden ihren Lehnsherren alles berichten, was gesagt und getan worden war. Da es Kriegszeit war, lag alle Autorität bei Dunkan.

Die Zeugen waren eigentlich nichts weiter als Hauptleute ihrer jeweiligen Sippen. Angeblich eine einzige Einheit, war die Armee nichtsdestoweniger eine Ansammlung von Sippen. Jede Sippe versorgte ihre eigenen Einheiten mit eigenen Anführern; jede Sippe lebte getrennt und abgesondert von den anderen. Kämpfe unter den Sippen waren nicht ungewöhnlich – es gab seit Generationen bestehende Blutfehden. Dunkan hatte sein Bestes versucht, diese siedenden Kessel unter strenger Kontrolle zu halten, aber hin und wieder war der Druck zu stark, und der Kessel explodierte.

Angesichts eines gemeinsamen Feindes waren die Sippen wieder vereint. Selbst der Vertreter der Dewaren, ein schmutziger Hauptmann namens Argat, der seinen Bart nach barbarischer Manier in Knoten geflochten hatte und sich während der Verhandlungen unterhielt, indem er ein Messer in die Luft warf und es wieder auffing, trug eine gemäßigtere Miene höhnischer Verachtung als sonst bei der Beobachtung der Vorgänge zur Schau.

Außerdem war noch der Hauptmann einer Abteilung Gossenzwerge anwesend. Bekannt als der Großgug, war er nur aufgrund von Dunkans Höflichkeit eingeladen. Das Wort »gug« bedeutete in der Sprache der Gossenzwerge »privat«, der Zwerg war also nichts weiter als ein »großer Privater«, ein Rang, der in der restlichen Armee als lächerlich betrachtet wurde. Unter den Gossenzwergen galt er jedoch als eine besondere Ehre, und der Großgug wurde von den meisten seiner Soldaten mit großem Respekt behandelt. Der stets diplomatische Dunkan verhielt sich gegenüber dem Großgug immer höflich und hatte dadurch seine Ergebenheit gewonnen.

Und so war auch der Großgug in der Halle anwesend, obgleich ihn nur wenige sahen. Man hatte ihm einen Stuhl in einer dunklen Ecke zugewiesen und ihn angewiesen, Platz zu nehmen und sich still zu verhalten, Anordnungen, die er selbstverständlich befolgte.

»Zwerge sind Zwerge«, hieß ein altes Sprichwort bei der übrigen Bevölkerung Krynns, wenn man sich auf Unterschiede zwischen Hügelzwergen und Bergzwergen bezog.

Aber es gab wirklich Unterschiede – riesige Unterschiede im Bewußtsein der Zwerge, obgleich diese einem Außenseiter nicht sofort aufgefallen wären.

Die Zwerge von Thorbadin führten ein streng geregeltes Leben. Jeder kannte seinen Platz in seiner Sippe. Heirat zwischen Sippen war unerhört; die Treue zur Sippe war die bindende Kraft im Leben eines jeden Zwergs. Der Kontakt mit der Außenwelt wurde vermieden – die schlimmste Bestrafung, die einem Zwerg auferlegt werden konnte, war die Verbannung; selbst die Hinrichtung wurde als barmherziger angesehen. Die Zwergenvorstellung eines idyllischen Lebens bestand darin, geboren zu werden, aufzuwachsen und zu sterben, ohne jemals seine Nase außerhalb der Tore von Thorbadin zu stecken.

Unglücklicherweise war dies lediglich ein Traum gewesen. Ständig zur Verteidigung ihrer Besitztümer genötigt, waren die Zwerge gezwungen, sich mit der Außenwelt zu vermischen. Und falls kein Krieg herrschte, gab es immer Leute, die die Zwerge wegen ihres Könnens im Bauwesen anforderten und bereit waren, dafür riesige Summen zu zahlen. Die wunderschöne Stadt Palanthas wurde von einer regelrechten Zwergenarmee liebevoll errichtet, so wie viele andere Städte auf Krynn. So entstand eine Rasse von reiseerfahrenen, freigeistigen und unabhängigen Zwergen. Sie sprachen über Heirat zwischen den Sippen, sie sprachen sachlich über Handelsbeziehungen mit Menschen und Elfen. Und das Abscheulichste von allem: Sie äußerten die Überzeugung, daß es im Leben vielleicht Wichtigeres gebe als das Bearbeiten von Stein.

Dies wurde natürlich von den strengeren Zwergen als Bedrohung der Zwergengesellschaft an sich angesehen, so daß es unausweichlich zu einer Spaltung kam. Die unabhängigen Zwerge verließen ihre Heimat unter dem Gebirge. Der Abschied verlief nicht friedlich. Auf beiden Seiten fielen harsche Worte. Blutfehden begannen, die jahrhundertlang anhalten sollten. Jene, die aufbrachen, ließen sich in den Hügeln nieder, wo das Leben frei war, wenn sich auch nicht alle ihre Hoffnungen erfüllten – sie konnten heiraten, wen sie sich auswählten, kommen und gehen, wann sie wollten, ihr eigenes Geld verdienen. Die zurückgebliebenen Zwerge schlossen die Reihen und wurden noch starrer, falls das überhaupt möglich war.

Die zwei Zwerge, die sich nun gegenüberstanden, dachten darüber nach, während sie sich gegenseitig einschätzten. Sie dachten vielleicht auch, daß dies ein historischer Augenblick sei – das erste Treffen beider Parteien seit Jahrhunderten.

Regar Feuerschmied war der ältere der beiden, ein hochstehendes Mitglied der stärksten Sippe der Hügelzwerge. Obgleich sich sein zweihundertster Geburtstag näherte, war der alte Zwerg immer noch gesund und munter. Er kam aus einer langlebigen Sippe. Das Gleiche konnte jedoch nicht von seinen Söhnen gesagt werden. Ihre Mutter war an schwachem Herzen gestorben; diese Krankheit schien in der Familie zu liegen. Regar hatte seinen ältesten Sohn begraben und konnte die Symptome eines frühen Todes auch bei dem Zweitältesten sehen, einem jungen, frisch verheirateten Mann von fünfundsiebzig.

In Felle gekleidet, stand Regar breitbeinig da und starrte Dunkan an. Seine Augen glitzerten unter seinen Augenbrauen, die so dicht waren, daß viele sich fragten, wie der alte Zwerg überhaupt sehen konnte. Sein Haar wie auch sein Bart waren eisengrau, und er trug den Bart geflochten und gekämmt und nach Mode der Hügelzwerge in den Gürtel gestopft. Umgeben von einer Eskorte Hügelzwerge, die alle ähnlich gekleidet waren, bot der alte Zwerg einen eindrucksvollen Anblick.

König Dunkan erwiderte Regars Blick, ohne zu schwanken. Dieser Wettstreit, bei dem man sich so lange anstarrt, bis der andere verlegen wird, war eine uralte Zwergenpraktik. Falls die Gegner besonders dickköpfig waren, konnte es vorkommen, daß beide Zwerge vor Erschöpfung umkippten, sofern sie nicht von einer dritten Person unterbrochen wurden. Dunkan, grimmig Regar musternd, begann über seinen gelockten silbrigen Bart zu streichen, der frei über seinen dicken Bauch hing. Es war eine Geste der Verachtung, und Regar, der dies bemerkte, wurde zornrot.

Die sechs Sippenmitglieder saßen unerschütterlich auf ihren Stühlen, auf eine lange Sitzung vorbereitet. Regars Begleiter stellten sich breitbeinig auf und sahen ins Leere. Der Dewar warf weiterhin sein Messer in die Luft, zur großen Verärgerung der anderen Anwesenden. Der Großgug saß vergessen in seiner Ecke. Wie die Dinge aussahen, schien es wahrscheinlich, daß Pax Tarkas über ihren Köpfen zerfiel, bevor jemand den Mund aufmachte. Schließlich trat Kharas mit einem Seufzer zwischen Regar und Dunkan. Beide konnten den Blick abwenden, ohne das Gesicht zu verlieren.

Nachdem Kharas sich vor seinem König verneigt hatte, drehte er sich um und verbeugte sich mit tiefem Respekt vor Regar. Dann zog er sich zurück. Beide Parteien waren nun frei, auf gleicher Ebene miteinander.

»Ich habe dir eine Audienz gewährt, Regar Feuerschmied«, stellte Dunkan fest, »um zu hören, welche Gründe unsere Verwandten zu einer Reise in ein Reich veranlaßt haben, das sie vor langer Zeit verlassen haben.«

»Ein guter Tag war es für uns, als wir den Staub des modernden alten Grabes von unseren Füßen schüttelten«, knurrte Regar, »um wie ehrliche Männer im Freien zu leben, anstatt wie Echsen unter dem Stein zu schleichen.«

Regar klopfte auf seinen geflochtenen Bart, Dunkan strich über seinen. Beide funkelten sich an. Regars Begleiter wackelten mit den Köpfen, überzeugt, daß ihr Anführer bei dem ersten verbalen Wettkampf besser abgeschnitten habe.