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Raistlin schrak vor diesen Zorn nicht zurück. Er blieb gelassen stehen und beobachtete kühl den nahenden Zauberer.

»Wie hast du...« Fistandantilus’ Blick fiel auf die schlanken Hände des jungen Magiers. Mit einem bösartigen Knurren ergriff der Zauberer Raistlins Handgelenk.

Raistlin schrie vor Schmerz auf, die Berührung des Erzmagiers war so kalt wie das Grab. Er lächelte weiter, obgleich ihm bewußt war, daß sein Grinsen wie das eines Totenkopfes wirken mußte.

»Blitzpuder!« Fistandantilus riß Raistlin nach vorne und hielt seine Hand unter das Kerzenlicht, so daß alle es sehen konnten. »Ein ganz gewöhnlicher Taschenspielertrick.«

»Auf diese Weise habe ich meinen Lebensunterhalt verdient«, erwiderte Raistlin. »Ich hielt es für angemessen angesichts der Amateure, die hier vertreten sind.«

Fistandantilus verstärkte seinen Griff. Raistlin würgte vor Schmerz, aber er wich dem Blick des Meisters nicht aus.

»Du glaubst also, du wärst besser als die anderen?« fragte Fistandantilus Raistlin mit sanfter, fast freundlicher Stimme, das zornige Gemurmel der Lehrlinge überhörend.

»Du weißt, daß es so ist!«

Finstandantilus starrte ihn an, seine Hand hielt immer noch Raistlins Handgelenk umklammert. Dieser bemerkte eine plötzliche Furcht in den Augen des alten Mannes, eine Furcht, die schnell durch den Blick unersättlichen Hungers ersetzt wurde. Fistandantilus lockerte seinen Griff um Raistlins Arm. Der junge Magier konnte einen Seufzer unendlicher Erleichterung nicht unterdrücken, als er auf seinen Stuhl sank und sein Handgelenk rieb. Die Hand des Erzmagiers war deutlich auf seiner Haut erkennbar – sie hatte seine Haut in ein eisiges Weiß verwandelt.

»Verschwindet!« schnappte Fistandantilus. Die sechs Magier erhoben sich, ihre schwarzen Roben raschelten. Auch Raistlin stand auf. »Du bleibst«, befahl der Erzmagier kühl.

Raistlin setzte sich wieder, immer noch sein verletztes Handgelenk reibend. Wärme und Leben kehrten wieder zurück. Als die anderen jungen Magier hintereinander hinausgingen, folgte ihnen Fistandantilus zur Tür. Dann drehte er sich um und sah seinem neuen Lehrling ins Gesicht. »Die anderen werden bald verschwunden sein, und wir werden das Schloß für uns allein haben. Komm zur Dunkelwacht in die unterirdischen geheimen Räume. Ich werde ein Experiment leiten, das deine... Mitarbeit erforderlich macht.«

Raistlin beobachtete mit einer Art entsetzter Faszination, wie die Hand des Zauberers zu dem Blutstein fuhr und ihn liebevoll streichelte. Raistlin konnte nicht antworten. Dann lächelte er höhnisch – dieses Mal galt es ihm selbst, seiner eigenen Angst. »Ich werde dort sein, Meister«, sagte er.

Raistlin lag auf der Steinplatte im Laboratorium, das sich tief unterhalb des Schlosses des Erzmagiers befand. Nicht einmal seine dicken schwarzen Samtroben konnten die Kälte abhalten, und Raistlin zitterte. Aber er konnte nicht sagen, ob Kälte, Furcht oder Aufregung schuld daran war.

Er sah Fistandantilus nicht, hörte ihn aber – das Rascheln seiner Roben, das sanfte Aufschlagen des Stabs auf dem Boden, das Wenden einer Seite im Zauberbuch. Auf der Platte liegend, unter dem Einfluß des Zauberers Hilflosigkeit vortäuschend, spannte sich Raistlin an.

Fistandantilus erschien in seinem Blickfeld und beugte sich über den jungen Magier; der Blutsteinanhänger schwang an der Kette um seinen Hals. »Ja«, sagte er, »du bist geschickt, geschickter und mächtiger als jeder andere junge Lehrling, den ich seit vielen, vielen Jahren getroffen habe.«

»Was hast du mit mir vor?« fragte Raistlin heiser. Der verzweifelte Ton in seiner Stimme war nicht ganz unecht. Er mußte wissen, wie der Anhänger funktionierte.

»Spielt das eine Rolle?« entgegnete Fistandantilus kühl und legte seine Hand auf die Brust des jungen Magiers.

»Mein Ziel und Bestreben war, bei dir zu lernen«, sagte Raistlin, biß die Zähne zusammen und versuchte, sich bei der abscheulichen Berührung nicht zu krümmen. »Ich will lernen.«

»Löblich.« Fistandantilus nickte, seine Augen starrten in die Dunkelheit, seine Gedanken waren ganz woanders. Wahrscheinlich ging er den Zauber noch einmal durch, dachte Raistlin. »Ich werde bald in den Genuß kommen, in einem Körper und in einem wissensdurstigen Geist zu wohnen, und dazu noch in einem, der von Natur aus in der Kunst geschickt ist. Meine letzte Lektion, Lehrling! Lerne sie gut. Du kennst die Schrecken des Älterwerdens nicht, junger Mann. Wie gut erinnere ich mich an mein erstes Leben, und wie gut erinnere ich mich an das entsetzliche Gefühl des Zorns und der Enttäuschung, als ich erkannte, daß ich – der mächtigste Zauberkundige, der jemals gelebt hat – dazu bestimmt war, in einem schwachen und erbärmlichen Körper gefangen zu sein, der vom Alter aufgezehrt wird! Mein Geist war so gesund! In der Tat, geistig war ich stärker als je zuvor in meinem ganzen Leben. Aber all diese Kraft, all dieses umfangreiche Wissen würde umsonst sein – zu Staub verwandelt! Von Würmern zerfressen!... Damals trug ich die roten Roben... Du schrickst zusammen. Bist du überrascht? Meine Entscheidung für die roten Roben war eine bewußte, kaltblütige, da sie für meine Bestrebungen und Ziele am vorteilhaftesten waren. In der Neutralität lernt man besser, ist in der Lage, an beiden Enden zu ziehen, ohne einem verpflichtet zu sein. Ich trug Gilean, dem Herrn der Neutralität, meine Bitte vor, auf dieser Ebene bleiben und mein Wissen erweitern zu dürfen. Aber dabei konnte mir der Gott der Schriften nicht helfen. Menschen waren seine Schöpfung, und aufgrund meiner ungeduldigen menschlichen Natur und des Wissens über die Kürze meines Lebens hatte ich meine Studien so schnell vorangetrieben. Mir wurde geraten, mich mit meinem Schicksal abzufinden.« Fistandantilus zuckte die Achseln. »Ich sehe in deinen Augen Verständnis, Lehrling. In gewisser Weise tut es mir leid, dich zu zerstören. Ich glaube, wir könnten zu einem seltenen Einvernehmen gelangen. Aber kurz und gut, ich ging in die Dunkelheit hinaus. Den roten Mond verfluchend, bat ich um die Erlaubnis, zum schwarzen aufzusehen. Die Königin der Finsternis hörte mein Gebet und gewährte meine Bitte. Ich zog also die schwarzen Roben an und verschrieb mich ihren Diensten, und als Gegenleistung wurde ich auf ihre Existenzebene gebracht. Ich habe die Zukunft gesehen, ich habe in der Vergangenheit gelebt. Sie gab mir diesen Anhänger, damit ich in der Lage bin, während meines Aufenthaltes in dieser Zeit einen neuen Körper zu wählen. Und wenn ich mich entscheide, die Grenzen der Zeit zu überschreiten und in die Zukunft einzutreten, ist ein Körper vorbereitet und wartet darauf, meine Seele aufzunehmen.«

Raistlin konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Seine Lippen kräuselten sich vor Haß. Es war sein Körper, von dem der Zauberer sprach!

Fistandantilus hob den Blutsteinanhänger und wollte mit dem Zauber beginnen.

Als Raistlin den Anhänger ansah, der im blassen Licht einer Kugel inmitten des Laboratoriums glänzte, schlug sein Herz schneller. Seine Hände ballten sich zusammen. Seine Stimme zitterte vor Aufregung, und er hoffte, daß man es als Entsetzen verstehen würde, als er mühsam flüsterte: »Sag mir, wie er funktioniert! Sag mir, was mit mir geschehen wird!«

Fistandantilus lächelte, seine Hand drehte sich langsam um den Blutstein. »Ich werde ihn auf deine Brust legen, über dein Herz. Und langsam wirst du spüren, wie die Lebenskraft aus deinem Körper schwindet. Der Schmerz ist, glaube ich, recht qualvoll. Aber er wird nicht lange anhalten, Lehrling, wenn du dich nicht sträubst. Gib einfach nach, dann wirst du schnell das Bewußtsein verlieren. Aus meinen bisherigen Beobachtungen kann ich nur sagen, daß das Sträuben die Schmerzen verlängert.«

»Müssen keine Worte gesprochen werden?« fragte Raistlin bebend.

»Natürlich«, erwiderte Fistandantilus kühl, sein Körper beugte sich dicht über Raistlin, seine Augen waren fast auf gleicher Ebene wie die des jungen Magiers. Sorgfältig legte er den Blutstein auf Raistlins Brust. »Du wirst sie hören... Es wird das letzte sein, was du überhaupt hören wirst...«