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Blitze schossen aus Fingerspitzen, schwarzgekleidete Körper krümmten sich vor Schmerz, Schreie der Qual und des Zorns hallten wider, während Gestein und Holz zerbarsten.

Magische Feuerwände tauten Eiswände, heiße Winde bliesen mit der Kraft von Orkanen. Flammenstürme fegten durch die Korridore, Monster sprangen auf Befehl ihrer Meister aus der Hölle herbei, Elementargeister erschütterten die Grundfesten des Schlosses. Die große, dunkle Festung von Fistandantilus begann auseinanderzufallen, Steine stürzten von den Zinnen.

Und dann brach mit einem Aufschrei des Zornes und der Angst einer der schwarzgekleideten Magier zusammen, Blut floß aus seinem Mund.

Wer war gestürzt? Die Wächter versuchten das herauszufinden, aber es war unmöglich.

Der andere Magier ruhte sich kurz aus, dann schaffte er es, über den Boden zu kriechen. Seine zitternde Hand suchte und fand den Blutsteinanhänger. Mit letzter Kraft umklammerte der Magier den Anhänger und kroch zurück, um neben den immer noch lebenden Körper seines Opfers zu knien.

Der Magier auf dem Boden konnte nicht sprechen, aber seine Augen, die in die Augen seines Mörders starrten, drückten eine derart entsetzliche Verwünschung aus, daß die zwei Wächter des Turms die Eiseskälte ihrer qualvollen Existenz dagegen als warm empfanden.

Der schwarzgekleidete Magier mit dem Blutstein zögerte. Er war seinem Opfer so nah, daß er die unausgesprochene Botschaft in diesen Augen lesen konnte, und seine Seele schrak vor dem, was er sah, zurück. Aber dann zogen sich seine Lippen zusammen. Er schüttelte den Kopf und gab ein bitteres Lächeln des Triumphes von sich, dann drückte er den Anhänger bedachtsam auf die schwarzgekleidete Brust seines Opfers.

Der Körper auf dem Boden krümmte sich in qualvollem Schmerz, ein schriller Schrei sprudelte von seinen blutbefleckten Lippen. Dann plötzlich verstummte der Schrei. Die Haut des Magiers knitterte wie trockenes Pergamentpapier, seine Augen starrten blind in die Dunkelheit. Langsam vertrocknete er.

Mit einem Seufzer brach der andere Magier auf dem Körper seines Opfers zusammen, geschwächt, verwundet, dem Tod nahe. Aber in seiner Hand lag der Blutstein, und durch seine Adern floß frisches Blut, das ihm neues Leben schenkte und im Lauf der Zeit seine Gesundheit wieder vollständig herstellen würde. In seinem Geist befanden sich Erinnerungen aus Hunderten von Jahren der Macht, Zaubersprüche, Visionen von Wundern und entsetzlichen Dingen, die Generationen überspannten. Aber es gab auch Erinnerungen an einen Zwillingsbruder, Erinnerungen an einen zerstörten Körper und eine verlängerte schmerzvolle Existenz.

Als zwei Leben sich in ihm vermischten, als Hunderte von seltsamen, in Konflikt stehenden Erinnerungen durch ihn brausten, wurde dem Magier schwindelig. Sich neben dem Leichnam seines Rivalen krümmend, starrte er, der als Sieger hervorgegangen war, auf den Blutstein in seiner Hand. Dann flüsterte er voller Entsetzen: »Wer bin ich?«

4

Die Wächter entfernten sich von Raistlin und starrten ihn an.

Zu schwach, um sich zu bewegen, starrte der Magier zurück; seine Augen spiegelten die Dunkelheit wider. »Ich warne euch«, wies er sie an, ohne seine Stimme zu benutzen; aber sie verstanden ihn. »Wenn ihr mich noch einmal berührt, verwandle ich euch zu Staub – so wie ich es mit ihm getan habe!«

»Ja, Meister«, flüsterten sie, während ihre blassen Gesichter sich im Schatten auflösten.

»Was...«, murmelte Crysania verschlafen, »was hast du gesagt?« Als ihr bewußt wurde, daß sie mit ihrem Kopf an seiner Schulter geschlafen hatte, errötete sie vor Verlegenheit und richtete sich eilig auf. »Kann ich etwas für dich tun?« fragte sie.

»Heißes Wasser« – Raistlin legte sich schlaff zurück – »für meinen Zaubertrank.«

Crysania sah sich um und strich ihre dunkles Haar aus den Augen. Graues Licht sickerte durch die Fenster und brachte keinen Trost. Der Stab des Magus warf immer noch sein Licht, hielt die dunklen Dinge der Nacht fern. Aber er strahlte keine Wärme aus. Crysania rieb ihren schmerzenden Nacken. Sie war steif, und ihre Glieder schmerzten; sie wußte, daß sie stundenlang geschlafen haben mußte. Der Raum war immer noch eisig. Sie blickte zum kalten Kamin hin. »Holz ist da«, stammelte sie, »aber ich... ich habe keinen Zunder oder Feuerstein. Ich kann nicht...«

»Weck meinen Bruder!« fauchte Raistlin. Er versuchte, noch etwas zu sagen, konnte aber lediglich schwach gestikulieren. Sein Gesicht war von solcher Wut verzerrt, daß Crysania ihn verängstigt anstarrte und eine Eiseskälte spürte, die schlimmer als die der Luft war.

Raistlin schloß erschöpft die Augen, und seine Hand fuhr zu seiner Brust. »Bitte«, flüsterte er gequält, »der Schmerz...«

»Natürlich«, sagte Crysania sanft. Sie beugte sich vor, zog den Vorhang von ihren Schultern und legte ihn über Raistlin. Der Magier nickte dankbar, konnte aber nicht sprechen. Crysania ging mit Schaudern durch das Zimmer zu Caramon.

Sie wollte gerade seine Schulter berühren, als sie stockte. Was war, wenn er immer noch blind war, dachte sie, oder wenn er sehen konnte und sich entschließen würde, Raistlin zu töten?

Aber sie zögerte nur einen Augenblick. Entschlossen legte sie ihre Hand auf seine Schulter und schüttelte ihn. Wenn er sich dazu entschließt, sagte sie sich grimmig, werde ich ihn aufhalten. Ich habe es schon einmal getan, also kann ich es wieder.

Noch während sie ihn berührte, war sie sich der blassen Wächter bewußt, die im Dunkeln lauerten und jede Bewegung von ihr registrierten. »Caramon«, rief sie leise, »Caramon, wach auf. Bitte! Wir brauchen...«

»Was?« Caramon setzte sich schnell auf, seine Hand fuhr instinktiv zu seinem Schwert – das nicht da war. Seine Augen richteten sich auf Crysania, und sie stellte mit Erleichterung und einem Hauch Angst fest, daß er nicht mehr blind war. Er starrte sie jedoch ausdruckslos an, ohne sie zu erkennen, dann warf er einen flüchtigen Blick auf seine Umgebung.

Crysania gewahrte die Erinnerung, die seine Augen verdunkelte und mit Schmerz erfüllte. Sie sah Erinnerung in der Anspannung seiner Kiefermuskeln und dem kalten Blick, mit dem er sie betrachtete. Sie wollte gerade etwas sagen – sich entschuldigen, ihn rügen —, als seine Augen sanft und sein Gesicht vor Sorge weich wurde.

»Crysania«, sagte er, richtete sich auf und zog den Vorhang von sich, »du frierst ja! Hier, leg das um.« Bevor sie ein Wort des Protestes sagen konnte, legte Caramon den Vorhang über sie.

Sie bemerkte, daß er zu seinem Zwillingsbruder sah. Aber sein Blick glitt schnell über Raistlin hinweg, als ob er nicht existierte. Sie ergriff seinen Arm. »Caramon«, sagte sie, »er hat unser Leben gerettet. Er hat einen Zauber geworfen. Diese Dinge hier in der Dunkelheit lassen uns in Ruhe, weil er es ihnen befohlen hat!«

»Weil sie ihn als einen ihresgleichen wiedererkennen!« erwiderte Caramon barsch, senkte den Blick und versuchte, seinen Arm von ihr wegzuziehen.

Aber Crysania hielt ihn fest, eher mit ihren Augen als mit ihrer kalten Hand. »Du kannst ihn jetzt töten«, sagte sie wütend. »Sieh, er ist hilflos, schwach. Natürlich werden wir alle sterben, wenn du es tust. Aber du hattest es ja schon geplant, nicht wahr?«

»Ich kann ihn nicht töten«, sagte Caramon. Seine braunen Augen waren klar und kalt, und Crysania stellte wieder eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen den Zwillingen fest. »Laß uns den Tatsachen ins Gesicht sehen, Verehrte Tochter. Wenn ich es versuchen würde, würdest du mich wieder blind machen.« Er schob ihre Hand von sich. »Zumindest einer von uns sollte klar sehen können«, sagte er.

Crysania errötete vor Scham und Zorn, sie hörte Loralons Worte in dem Sarkasmus des Kriegers widerhallen.

Caramon wandte sich von ihr ab und erhob sich schnell. »Ich werde ein Feuer machen«, sagte er mit kalter, harter Stimme, »falls diese Freunde meines Bruders nichts dagegen haben.«

»Ich glaube nicht«, sagte Crysania im gleichen kalten Ton, während sie aufstand. »Sie haben mich nicht gehindert, als ich die Vorhänge herunterriß.« Sie konnte ein Beben nicht unterdrücken, das sich bei der Erinnerung, von diesen Schatten des Todes eingeschlossen zu sein, in ihre Stimme schlich.