»Wie du willst«, sagte er, winkte zwei der Wächter herbei, deutete auf mich und sagte: »Füttert sie!« Dann wandte er sich um und ging.
Die Wächter sahen sich an, zuckten die Schulter, öffneten den Käfig und zogen mich heraus. Der eine hielt mich fest, während der andere das Essen holte. Es war wieder der, der draußen mit dem Dicken gesprochen hatte. Grinsend sagte er: »Bisher war es noch nie nötig, eine Sklavin zu füttern. Man mußte ihnen nur die Peitsche zeigen, und schon schlangen sie ihren Schleim herunter, als sei es seit jeher ihre Lieblingsspeise gewesen. Dich zu füttern, meine Süße, wird mir ein besonderes Vergnügen sein.« Der andere Wächter griff in mein Haar, zog meinen Kopf nach hinten und hielt mir die Nase zu. Daraufhin öffnete mir der erste gewaltsam den Mund und schüttete einiges von dem widerlichen Brei hinein. Vergebens versuchte ich mich zu wehren, dann schloß ich den Mund und tat so, als schlucke ich den Brei hinunter. Im nächsten Moment spuckte ich ihn dem ersten Wächter ins Gesicht. Mit einem Schrei sprang er zurück, zu spät. Ich hatte gut getroffen.
Der andere Wächter, meine Kriegerinnen und die meisten der Sklaven im Raum brachen in lautes Gelächter aus. Der Bespuckte wischte sich mit offensichtlichem Ekel das Gesicht ab und starrte mich böse an. Eine Sklavin eilte herbei und brachte ihm ein feuchtes Tuch. Damit wischte er die Reste ab, dann nahm er einen neuen Topf und kam drohend näher. »Dafür wirst du diesen Topf leeressen und noch einen zweiten«, sagte er. »Wenn du mir gehörtest, würde ich dich mit dem größten Vergnügen auch noch auf andere Weise bestrafen.« Danach zwang er mich, den scheußlichen Brei hinunterzuschlingen, ohne daß er mir Gelegenheit gab, ihn noch einmal zu bespucken. Tatsächlich zwang er mich, auch noch einen zweiten Topf zu leeren. Zum Schluß war ich halb erstickt und von Ekel gewürgt.
Auch meine Kriegerinnen wurden auf Anordnung von Bariose auf die gleiche Weise gefüttert. Dann wurden wir mit vielen Wassergüssen gesäubert. Wir hatten es wahrlich nötig. Nach dem Kämmen wurde ich wieder zu Bariose befohlen. Neben ihm stand Karil. Beide musterten mich streng, dann ließ Bariose mich in die Knie zwingen und sagte: »Du hast erneut eine Strafe verdient, Sklavin. Die Zahl der Hiebe kann diesmal jedoch verringert werden, wenn du deine Handlungen bedauerst. Dazu mußt du dich zunächst bei deiner Meisterin entschuldigen, danach bei mir.«
»Jalav bedauert nur, daß sie ihre Waffen verloren hat«, entgegnete ich. »Zu einem offenen Kampf würdet ihr nicht den Mut haben.« Dabei betete ich im stillen zu Mida, sie möge mir die Kraft verleihen, im Angesicht der Feinde nicht schwach zu werden. Die beiden waren über meine Wort sehr zornig und ließen mich sofort wieder zur Wand führen und anbinden. Ich preßte meine Wange gegen die kühle Wand und dachte unentwegt daran, daß ich eine Kriegerin der Midanna war und nicht schwach werden durfte.
Zweimal fünf Hiebe zählte ich auf meinem gepeinigten Rücken, ehe mich wohltuende Dunkelheit umfing. Kein Laut des Schmerzes war über meine Lippen gekommen. Ich wurde im Käfig inmitten meiner Kriegerinnen wach, gefesselt wie üblich. Ich lag auf der rechten Seite und war nicht in der Lage, mich aufzurichten. Jede Bewegung verursachte unendliche Schmerzen. Laut verfluchte ich die Leute aus den Städten, wie ich noch nie einen Feind verflucht hatte. Es war Fayan, die mich als erste ansprach. »Jalav«, sagte sie leise, ihre Stimme gefüllt mit Bitterkeit, »diese Menschen hier sind der Abschaum des Bösen. Sie beleidigen uns mit jeder ihrer Handlungen, und sie behandeln uns, als wären wir ihr Eigentum. Wir müssen ihnen entkommen.« »Du sprichst die Wahrheit, Fayan«, sagte ich mühsam. Der Schmerz in mir brannte, aber meine Gedanken waren vollkommen klar. »Wir müssen jetzt unbedingt irgend etwas unternehmen. «
»Sie angreifen«, zischte Fayan. Ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken. Auch die anderen Kriegerinnen blickten zustimmend.
»Wir können sie nicht angreifen«, sagte ich und wünschte, es wäre nicht so. »Durch ihr Schwert zu sterben, würde Entkommen bedeuten, aber wir dürfen nicht den Kristall der Mida vergessen. Die Hosta müssen ihn wiederfinden, egal, welches Schicksal ihre Anführerin erleidet.«
Meine Kriegerinnen schwiegen. Ihnen war klar geworden, daß ich sie bei einem Ausbruch nicht begleiten konnte. Bariose und Karil würden mich niemals ungefesselt lassen. Mir blieb nur übrig, abzuwarten, welchen Erfolg ein Ausbruchsversuch meiner Kriegerinnen haben würde, um dann den einzigen Ausweg zu nehmen – den Weg in Midas Königreich.
»Mit dem neuen Licht werdet ihr es versuchen«, sagte ich. »Ihr habt gesehen, daß einige Sklavinnen ungefesselt nach draußen kommen können. Dazu werdet ihr morgen gehören. «
Dann erklärte ich ihnen die Einzelheiten meines Planes. Sie waren sehr beunruhigt und enttäuscht darüber, aber ich war die Anführerin, und sie hatten zu gehorchen. Als alles klar war, befahl ich, daß sie sich ausruhen und Kräfte sammeln sollten, dann erflehte ich Midas Segen. Trotz der brennenden Fackeln waren meine Kriegerinnen bald eingeschlafen. Auch ich versuchte zu schlafen, aber vergeblich. Der Schmerz brannte in meinem Rücken, und viele Gedanken jagten in meinem Kopf durcheinander. Daß meine Kriegerinnen vermutlich entkommen würden, freute mich, aber der Gedanke, dann alleine zu sein, hilflos unter meinen Feinden, bedrückte mich. Vielleicht wäre ich noch nicht einmal in der Lage, meinen Weg in Midas Königreich zu finden. Die Möglichkeit, so weiterzuleben wie jetzt, war für mich unfaßbar, aber sie bestand. Dann wandten sich meine Gedanken derjenigen zu, die mich geboren hatte, und deren Blut ich noch nicht hatte rächen können. Nur, daß andere sie rächen würden, tröstete mich etwas. Aber wie würde ich dort oben vor ihr Antlitz treten können, wenn es den Feinden weiterhin gelang, mich derartig zu beschämen? Ich war die Anführerin der Hosta, der man das Recht verweigerte, in Ehren zu sterben. Wohin würde dann aber meine Seele gehen? Mit solchen Gedanken konnte ich lange nicht einschlafen.
7
Entkommen – und ein Preis wird eingelöst
Als ich erwachte, saßen meine Kriegerinnen bereits gespannt herum. Mühsam richtete ich mich auf und bemerkte, daß Larid, Binat und Comir zusammenhockten, Fayan sich aber etwas separat von ihnen hielt. Niemand sprach ein Wort, denn es war ja bereits alles gesagt.
Die Sklavinnen, die aus ihren Käfigen herausgelassen wurden, begannen eifrig mit ihrer Arbeit, denn ihre Zahl hatte sich ja verringert. Wir saßen, beobachteten und warteten ab. Bald verbreitete sich wieder der Gestank aus dem großen, eisernen Topf. Als man die kleinen hölzernen Töpfe brachte und uns in den Käfig hineinschob, blieb ich sitzen, wo ich war. Larid, Binat und Comir sahen sich jedoch, wie wir es abgesprochen hatten, an und erhoben sich zögernd.
Ich sprang, als sei ich darüber erzürnt, gleichfalls auf und herrschte sie an: »Was tut ihr da ? Von solchem Zeug kann man nicht essen.«
Larid, die immer schon eine bessere Schauspielerin als die anderen gewesen war, entgegnete: »Aber Jalav, wir haben so großen Hunger. Und wenn wir nicht essen, bekommen wir die Peitsche.«
»Kehrt auf eure Plätze zurück!« befahl ich. »Nein«, kreischte Larid und fiel vor einem Topf auf die Knie. »Ich muß essen.«
Binat und Comir folgten ihrem Beispiel. Ich sprang auf sie zu und versuchte, sie mit den Füßen von den Töpfen wegzustoßen, als die Wächter, wie geplant, in den Käfig eindrangen und meine Kriegerinnen hinausführten. Zu meiner Verwunderung hatte sich Fayan auf meine Seite geschlagen. Bald waren wir alleine im Käfig.
Larid, Binat und Comir knieten draußen vor den Füßen von Bariose und weinten, wie sie es bei den Sklavinnen gesehen hatten. Midanna weinen sonst selten, aber im Dienst der Mida sind alle Dinge möglich.
»Ich müßte euch eigentlich bestrafen lassen«, sagte Bariose zögernd. »Untereinander zu streiten, ist Sklaven verboten.« »Sie wollte uns nicht erlauben, zu essen«, weinte Larid mit erhobenem Gesicht. »Ich möchte nicht ausgepeitscht werden, aber sie erlaubt uns nicht, dir zu gehorchen. Beschütze mich vor ihrem Zorn, und ich werde dir unbedingt gehorchen!«