Am dritten Tag entschied ich, daß es Zeit sei, mich ernsthaft nach den Männern umzusehen, die den Hort überfallen hatten. Larid würde bald zurück sein, und dann konnte ich sie nach Gimin und meinen Hosta schicken, um mich zu befreien. Und dann – dann! würden wir die Männer verhören und sie danach befragen, wo der Kristall sei. Das Verhör würde kurz sein, aber lang ihre Qual!
An diesem Tag hatte Ceralt mich erneut beschämt. Während der Rast, als das Himmelslicht am höchsten stand, hatte er mich mit zu den Weibern genommen, die neben ihrem Gefährt saßen. Er setzte sich neben sie, zog mich auf seinen Schoß und hielt mich fest. Belustigt hatten die Weiber gekreischt und fröhlich in die Hände geklatscht, als ich mich wehrte. Ceralt ließ nicht locker und küßte mich, heftig und verlangend. Midas Hand mußte meinen Willen gelähmt haben, denn ich wehrte mich kaum noch.
Halia kreischte vor Freude. »Und nun nehmt sie!« rief sie. »Zeigt ihr, daß sie nur eine Sklavin ist, die den Männern zu Willen sein muß!«Ceralt blickte auf und sah sie an. Ihre Augen funkelten erregt. Jede Faser ihres Körpers wünschte, das war zu spüren, daß ich in ihrer Gegenwart beschämt wurde. Ruhig fragte Ceralt sie: »Habt Ihr es noch nie mit einem Mann getrieben, Halia?« Sie errötete heftig, dann fragte sie schrilclass="underline" »Was hat das mit dieser Sache zu tun, Ceralt? Nehmt sie!« »Ihr werdet auch bald genommen werden, Halia«, sagte Ceralt freundlich. »Ich aber könnte Eurem Vater nicht mehr unter die Augen treten, wenn ich so etwas vor Euren unschuldigen Augen machen würde. Ich glaube, es ist das beste, wenn wir jetzt gehen.«
Unter dem enttäuschten »Oooh« der Weiber stand er auf, zog mich hoch, bestieg sein Kan und entfernte sich mit mir. Eine verlegene Halia blieb zurück.
Ceralt vermied es, meinem Blick zu begegnen. Ich war sehr zornig auf ihn, da er mich so vor den Weibern behandelt hatte, war aber erfreut darüber, daß er mir so wenig Aufmerksamkeit schenkte. Als wir am Abend hielten, und die Zelte wieder aufgebaut wurden, beachtete er mich noch immer nicht. Vorsichtig band ich die Leine von meinem Halsband ab und schlug mich in die Büsche.
Ich jubelte im stillen. Obwohl meine Hände noch immer gefesselt waren, war ich doch frei. Leicht hätte ich den Weg fortsetzen können. Ich brauchte nur die Zeichen zu suchen, die die Hosta für ihre Schwestern hinterlassen. Gern hätte ich es getan, aber Mida hatte es mir verboten. Da waren noch Fayan und die Männer, die den Hort überfallen hatten. Um Fayan mußte ich mir keine Sorgen machen, auf sie paßte Nidisar auf. Trotzdem, sie war eine Schwester, die man nicht preisgab. Aber am meisten hielten mich die drei Männer zurück. Ich würde niemals fliehen und ihr Blut unvergossen lassen, eher würde ich einem Befehl von Mida nicht gehorchen. Leise schlich ich mich durch das Dickicht des Waldes an den bewaffneten Männern vorbei, die zur Wache um das Lager aufgestellt waren. Das war nicht schwer, denn sie kannten den Wald nicht so gut wie die, die tagtäglich in ihm leben. Jeden dieser Wächter sah ich mir genau an. Auch unter denjenigen im Lager, die die Sklaven antrieben, konnte ich die drei nicht entdecken. Sollten sie auf und davon sein? Dieser Gedanke war kaum zu ertragen.
Ich umrundete das ganze Lager, ohne sie zu finden. Auch gab es für Larids Rückkehr kein Anzeichen. Aber ich bemerkte etwas anderes. Halia hatte sich von ihrer Gesellschaft entfernt und befand sich nun am Rande einer winzigen Lichtung. Sie hatte sich an einen Baum gelehnt und weinte. Das war äußerst gefährlich, denn ich hatte die Spur eines jagenden Hadat bemerkt, der um das Lager herumstrich.
Nun konnte ich auch seine Witterung aufnehmen.
Aus dem Lager ertönten Rufe. Halia stand auf, aber nur, um sich noch tiefer in den Wald hinein zu begeben. Plötzlich blieb ich erschrocken stehen. Vor ihr war der Hadat aufgetaucht und bewegte sich langsam, sprungbereit auf sie zu. Er schlug mit dem Schwanz leicht hin und her, hatte die Fänge kaum entblößt und knurrte. Manche hatten sich schon von diesem Knurren täuschen lassen, hatten angenommen, der Hadat sei ein zahmes Tier. Sie alle waren in seinen Klauen gestorben. Wie eine Salzsäule stand die Frau vor der sprungbereiten Bestie, die Hand vor dem Mund, und nur ein einziger Schrei entfloh ihrer Kehle. Der Lärm aus dem Lager wandte sich plötzlich in unsere Richtung und verwirrte mich. Mit der Beute in den Fängen, würde sich der Hadat nicht schnell davonmachen können und somit den Leuten aus dem Lager zum Opfer fallen. Dies würde bedeuten, daß diese Halia die Ursache dafür war, daß der Hadat, mein Totemtier, erschlagen wurde. Das durfte nicht geschehen.
Der Hadat war nur noch zwei Schritte von der Frau entfernt. Ich sprang auf die Lichtung und ahmte das herausfordernde Fauchen eines anderen Hadat nach. Der Hadat wandte sich in Gedankenschnelle um und jagte auf mich zu, so, wie jeder Hadat seine Beute gegenüber einem anderen verteidigt, wobei einer von beiden den Zweikampf nicht überlebt. Als er hochsprang, um seinen Feind wie gewohnt in der Luft zu treffen,warf ich mich zur Seite. Der Hadat wandte sich unwillig ab und verschwand in den Büschen.
An der Spitze der Verfolger erblickte ich Ceralt, der auf die hysterisch schreiende Halia zulief – und an ihr vorbei dorthin, wo ich auf dem Boden saß. Er zog mich hoch, nahm mich in die Arme und hielt mich so für einen langen Moment fest. Halia beobachtete uns mit großen Augen. Ihr Schreien war verstummt. Viele Männer liefen auf sie zu, und einer, den ich oft neben ihr gesehen hatte, nahm sie in die Arme, ohne daß sie dessen gewahr zu werden schien.
Ceralt ließ mich los, dann schüttelte er mich und grollte: »Nun verdienst du wirklich geschlagen zu werden. Einfach den Hadat auf sich zu locken, nur um das Leben einer Frau zu retten, die dir nichts als Kummer bereitet hat, das ist wahrlich die Handlungsweise eines großen, dummen Kindes! Hast du denn gar keine Vernunft im Kopf? Wirst du niemals lernen, auf dich selbst acht zu geben?«
Er schüttelte mich in großer Aufregung. Obwohl ich nicht verstand warum, war ich aber andererseits nicht in der Lage, ihm zu erklären, weshalb ich den Hadat auf mich gelenkt hatte. Ceralt stieß weiter ärgerliche Fragen hervor, ohne auf meine Einwände zu hören, bis der Mann, der Halia in den Arm genommen hatte, zu uns kam und seine Hand auf Ceralts Schulter legte.
»Beruhigt Euch, Jäger«, sagte er. »Ich weiß, wie Euch zumute ist, doch muß ich Euch daran erinnern, daß meine Tochter verloren gewesen wäre, wenn es diese Sklavin nicht gegeben hätte. Dafür möchte ich ihr meinen Dank aussprechen, bevor Ihr sie wegen ihrer Dummheit prügelt.« »Ihr mögt Ihr danken«, entgegnete Ceralt ärgerlich, »aber verprügelt wird sie, und das nicht zu wenig. Alleine schon, weil sie versucht hat, mir wegzulaufen.«
»Natürlich, das hatte ich vergessen«, sagte der Mann. »Sie ist ja Eure Sklavin.« Dann sah er mich an und sagte: »Ich möchte sie Euch abkaufen, Jäger. Nennt mir ihren Preis.« »Man kann sie mir nicht abkaufen«, sagte Ceralt, mich noch immer festhaltend. »Ihr Preis ist so hoch, daß niemand ihn zahlen kann. Sie gehört mir, und sie wird mir immer gehören. «
»Als Sklavin?« fragte der Mann in merkwürdigem Ton, Ceralt lächelte leicht, dann entgegnete er: »Wenn es sein muß«, dann hob er mich hoch und legte mich über seine Schultern. Als ich protestierte, weil noch nie jemand so etwas mit mir zu tun gewagt hatte, kicherte er und sagte: »Sie hat es noch immer nicht gelernt, mir zu gehorchen. Würdet Ihr uns jetzt bitte entschuldigen?«
Unter dem fröhlichen Gelächter von allen, die herumstanden, verließ er mit mir die Lichtung. Ich trommelte auf ihn ein, ohne ihn beirren zu können. Er trug mich in das Zelt, stellte mich dort auf die Füße und nahm das Metall von meinen Handgelenken ab. Dann warf er es zusammen mit seinem Schwert fort. Ich sah ihm unsicher zu, denn es war das erstemal, daß wir beide uns so gegenüberstanden. Ceralt lachte über meine Unsicherheit und sagte: »Du hast recht. Ich habe die Absicht, dich jetzt erneut zu nehmen, aus Erleichterung darüber, daß ich dich nicht ganz verloren habe. Hast du etwas dagegen?«