Ich antwortete nicht, sondern vergrub mein Gesicht in den Pelzen auf dem Boden. Leider konnte ich nicht verhindern, daß mir ein leises Wimmern entfuhr.
Plötzlich wurde ich hochgehoben und fand mich an Ceralts Brust wieder. »Jalav, vergib mir!« sagte er fast demütig. »Solch eine Pein wollte ich dir nicht bereiten. Ich habe einmal einen Falth gesehen, der eine tödliche Speerwunde hatte. Er gab einen solchen Ton von sich, wie du gerade. Ich werde ihn nie vergessen.«
Er schwieg einen Moment, dann ließ er mich los und sagte: »Es gibt nur einen Weg, um mich bei dir zu entschuldigen.« Damit zog er seine Kleider aus und legte sich vor mir auf den Boden. »Ich bin die Ursache deines Schmerzes«, sagte er. »Komm und halte dich schadlos an mir!« Verdrossen sah ich ihn an, und verdrossen wandte ich mich ab. Einen Mann zu nehmen, der sich so anbietet, ist noch schlimmer, als gar keinen Mann zu haben, zumal, wenn er es aus Mitleid tut.
»Machst du dir nichts aus mir?« fragte Ceralt. »Wie kannst du einem so prächtigen Burschen wie mir widerstehen? Oder willst du behaupten, ich könne einer Frau nicht gefallen?« Plötzlich kniff er mich fest ins Hinterteil. Als ich mich empört herumdrehte, lachte er und sagte: »Oder hast du etwa Angst vor mir?«
Rasend vor Zorn warf ich mich auf ihn und griff nach seiner Kehle. Sein Spaß verwandelte sich in Bestürzung, er wollte protestieren, als ich ihn auch schon in Besitz nahm, aber nicht auf sein Verlangen hin, sondern als Beute einer freien Kriegerin. Seine Bestürzung verwandelte sich aber bald in Vergnügen. Er zog mich an sich. Seine Lippen suchten die meinen. Viel Spaß hatte ich an ihm, bevor es mir reichte und wir unsere Plätze wechselten. Danach hatte er viel Spaß an mir. Das Nilno war kalt, als wir es endlich zu uns nahmen.
Ich lachte, warf meinen Kopf in den Nacken und mußte so laut und herzlich lachen, daß Ceralt mich ärgerlich schüttelte. »Da gibt es nichts zu lachen«, schimpfte er. »Der Sache muß sofort Einhalt geboten werden.«
»Ich sehe nur Frauen mit aufgelösten Haaren«, kicherte ich.
»So wie du davon sprichst, scheinen es ja fast Kriegerinnen zu sein, die bewaffnet auf ihren Gandod sitzen.«
»Davon scheinen sie nicht weit entfernt zu sein«, grollte er.
»Siehst du nicht mehr, als daß sie nur ihre Haare aufgelöst haben?«
Ich sah mir die Frauen an. Es waren die gleichen Weiber, mit denen ich am Tag zuvor gesprochen hatte. Heute waren ihre Haare nicht so streng zusammengebunden wie gestern, aber viel mehr konnte ich nicht bemerken. Doch, sie gingen recht merkwürdig herum. Ihre Hinterteile bewegten sich so stark, daß man fast befürchten mußte, sie verlören das Gleichgewicht.
»Warum bewegen sie sich so merkwürdig?« fragte ich. »Sind sie verletzt?«
»Ja, verletzt«, erwiderte Ceralt angewidert. »Kannst du nicht sehen, Kind der Wildnis, daß sie deinen Hadatähnlichen Schritt nachahmen wollen? Aber während deiner anmutig ist, sehen sie dabei aus, als seien sie verletzt, jawohl.« »Das ist lediglich eine Angewohnheit, die man beim Anschleichen auf das Wild erwirbt«, sagte ich. »Soll ich ihnen den richtigen Schritt beibringen?«
»Nein!« brüllte er, aber mit unterdrückter Stimme. »Du sollst sie wieder davon abbringen! Ihre Väter waren schon alle bei mir und haben sich beschwert, daß sie verrückt geworden sind. Selbst die Androhung von Prügel hat sie nicht wieder zur Vernunft gebracht, und die Prügel selbst scheinen sie in ihrem Wahnsinn noch zu bestärken. Sie haben erklärt, daß sie keinen Mann nehmen werden, der ihnen nicht gefällt. Die Väter sind außer sich. Auch die anderen jungen Damen scheinen ihnen nacheifern zu wollen.«
»Es gibt nichts, was ich in dieser Sache tun kann«, erklärte ich. »Ich habe ihnen ein solches Verhalten nicht nahegelegt, also kann ich es ihnen auch nicht ausreden. Aber es ist eine Schande, daß sie zu alt sind, um sich mit dem Schwert zu üben.« »Es ist eine Schande, daß man dir nicht den Hals umdrehen kann«, stieß Ceralt zwischen den Zähnen hervor, dann fragte er neugierig: »Wieso sind sie zu alt, um mit dem Schwert zu üben? Sie sind doch nicht älter als du.« »Wann, glaubst du denn, habe ich damit angefangen?« fragte ich ihn lachend. »Ich war noch ein Kind, als ich das erstemal ein Schwert in die Hand nahm. Damals schien es mir so schwer, daß ich glaubte, niemals damit fertig zu werden. Aber schon bald war ich eine der Kriegerinnen, und nicht lange darauf ihre Anführerin.« Ceralt sah mich nachdenklich an. »Nidisar erzählte mir, daß drei der Wächter erschlagen wurden, als man euch gefangennahm«, sagte er. »Hast du einen von ihnen getötet?« »Zwei«, entgegnete ich. »Und Pileth hätte ich auch erledigt, wenn mich nicht jemand von hinten niedergeschlagen hätte.« »Aber Pileth ist der Anführer der Wachmannschaft«, sagte Ceralt und sah mich beinahe entsetzt an. »Er ist einer der besten Schwertkämpfer in der Stadt. Du hättest ihn nicht besiegen können.«
»Du vergißt, daß ich die beste Kriegerin der Hosta bin, und ihre Anführerin«, entgegnete ich verägert. »Er wäre gefallen, wie die anderen.«
»Die anderen waren unzweifelhaft Neulinge«, meinte Ceralt, »die nicht sehr geübt mit dem Schwert waren, und bestimmt Bedenken hatten, mit einer Frau zu kämpfen. Aber Pileth hätte dich mit Sicherheit in deine Schranken verwiesen. Ich möchte niemals erleben, daß du dich mit einem richtigen Krieger anlegst, oder ich würde mich gezwungen sehen, dir das Schwert abzunehmen und dich kräftig damit durchzuwalken. Aber laß uns zu unserem eigentlichen Problem zurückkommen. Was machen wir mit diesen albernen Weibern?« »Das ist nicht mein Problem«, erwiderte ich kurz, verärgert darüber, daß er so wenig von der Anführerin Jalav hielt. »Sie sind nicht meine Kriegerinnen, also habe ich nichts mit ihnen zu tun.«
Damit wandte ich mich ab, aber er kam mir nach und hielt mich fest. »Da sie bestrebt sind, dir nachzuahmen, ist es offensichtlich auch dein Problem«, sagte er. »Du solltest einen Weg finden, sie von ihren Albernheiten abzubringen, oder ich muß mich selbst um diese Angelegenheit kümmern!« Ohne ein weiteres Wort kehrten wir zu den anderen zurück. Sie hatten bereits ihr Mittagsmahl zu sich genommen, und Telion unterhielt sich mit Nidisar. Fayan saß nahe bei ihnen. Noch immer weigerte sie sich, mit mir zu sprechen, schien aber oft in sorgenvollen Gedanken versunken. Ich dachte, daß es das beste sei, sie in Ruhe zu lassen. Mit der Zeit würde sie schon wieder zu sich zurückfinden. Larid saß abseits des Weges im Gras. Sie war nicht gefesselt, trug aber noch das Halsband. Ärgerlich zupfte sie Gras. Auch sie hatte reiten müssen, und zwar so wie ich, vor Telion, was ihr offensichtlich wenig Spaß bereitete. Ich setzte mich zu ihr. Obwohl ich ein ernstes Gesicht zeigte, fauchte sie mich leise an: »Es gibt keinen Grund, darüber zu lachen! Ich bedaure nur, daß ich sein Blut nicht vergossen habe, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«
»Nur, weil er dich vor sich reiten läßt?« fragte ich belustigt. »Das ist das wenigste«, sagte sie mit flammenden Augen. »Aber er verlangt, daß ich mich wie eine Sklavin benehme, und wenn ich nicht gehorche, schlägt er mich. Dann muß ich immer noch so tun, als habe ich Angst vor der Peitsche, sonst wird er mißtrauisch. Wann kann ich sein Blut haben?« »Nimm es doch sofort, wenn du willst«, sagte ich. Ich lag auf dem Rücken, der Himmel über den Bäumen war klar, Midas Licht wärmte mich, aus dem Wald ertönten die Stimmen der Kinder der Wildnis, und bald würde ich in Reichweite derjenigen sein, die den Kristall geraubt hatten. Ich war glücklich. »Ich finde deine Antwort nicht komisch, Anführerin«, sagte Larid bitter. »Mein Schwert und mein Dolch sind wohlverwahrt auf seinem Kan, und ein Versuch, an seine Waffen zu kommen, brachte mir nur Schläge ein. Wenn sich die Dinge nicht bald ändern, können wir unser Haar zusammenbinden und uns tatsächlich so benehmen wie die Sklavenweiber.« »Die Dinge werden sich nicht ändern, bevor wir Ranistard erreicht haben«, erklärte ich freundlich. »Dort befindet sich der Kristall, und ihn müssen wir zurückholen.« Larid zog scharf den Atem ein und sagte: »Vergib mir, Jalav, aber über die Nachricht von der Gefangennahme der beiden Männer vergaß ich, dir etwas anderes zu berichten. Rilas sandte eine Botschaft. Den Hüterinnen wurde der Zutritt zu dem Hort, in dem sich der Kristall befindet, den die Silla bewachen, verwehrt. Ihre Hüterin Tanir war verschwunden. Rilas glaubt, daß die Silla nicht länger den Kristall besitzen, daß er aber nicht gestohlen wurde.«