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Nidisar und Ceralt waren über den Anblick, den wir in der Schlacht geboten hatten, sehr erschrocken gewesen. Sie hatten erwartet, daß wir auf die Knie fallen und unsere Gegner um Gnade bitten würden.

Ceralt hatte zuvor die Zahl meiner Kriegerinnen, die ihn und seine Leute überwältigt hatten, geschätzt und angenommen, daß sie recht groß sei, weil wir anders nicht mit ihnen fertig geworden wären. Er hatte dabei jedoch nicht bedacht, daß wir diese große Zahl benötigten, um sie lebend zu fangen. Außerdem wußte er nicht, daß wir auf dem Kriegszug waren, um den geraubten Kristall wiederzuholen. Der Anblick, wie wir zu kämpfen verstanden, hatte die Jäger ängstlich, fast krank gemacht.

Sie hatten neben ihrem Zelt gestanden, als wir kamen, um unsere Kand zu fordern. Der Karawanenmeister hatte auf unsere Waffen geblickt und uns widerspruchslos die Kand bringen lassen. Niemand von den Städtern hatte mit uns gesprochen, auch die Weiber nicht, die wieder ihre langen Gewänder trugen und ihre Haare zusammengesteckt hatten. Selbst die Sklaven, die die Zelte zusammenfalteten, hatten uns ängstlich angesehen.

Meine Kriegerinnen und ich hatten die ledernen Sitze von den Kand abgenommen, waren aufgestiegen und warteten darauf, daß die Karawane sich in Bewegung setzte. Telion war gekommen, hatte uns schweigend die Halsbänder abgenommen und dann mit stolz erhobenem Haupt neben uns gewartet, nicht im geringsten beschämt darüber, daß er sich in der Gesellschaft von – Wilden befand.

Bei der Mittagsrast war Fayan kurz im Wald verschwunden und mit einem kleinen Polt zurückgekehrt, das sie mit ihrem Dolch erledigt hatte. Schnell hatten wir ihm das Fell abgezogen und sein Fleisch unter uns verteilt. Polt ist nicht so wohlschmeckend wie Nilno, aber uns schmeckte es gewaltig, nach all dem, was wir in letzter Zeit bekommen hatten. Telion boten wir nichts davon an. Er wollte offensichtlich auch nichts haben. Als sich die Karawane wieder in Bewegung setzte, kam Ceralt auf uns zu, so, als wolle er mit uns reden. Wir waren an seinen Worten aber nicht interessiert, wandten uns brüsk ab, bestiegen unsere Kand und ritten, gefolgt von Telion, weiter. Endlich erreichten wir Ranistard, dessen Tore offen vor uns lagen. Die bewaffneten Männer, die sie bewachten, ließen die Karawane anstandslos passieren. Innen warteten einige Männer, die freudig auf das Gefährt zustürmten, in dem die Stadtweiber saßen. Sie wurden jubelnd von ihnen heruntergehoben und eingehend begutachtet.

Die Weiber schienen über die Aufmerksamkeit, die man ihnen schenkte, nicht sehr glücklich zu sein, insbesondere nicht Halia. Als wir herankamen, wollten die Männer sich in gleicher Weise auch an uns heranmachen, aber unsere Hand am Griff des Schwertes hielt sie davon ab. Halia betrachtete mich mit haßerfülltem Blick, aber die mit den hellen Haaren streckte die Arme aus und rief: »Jalav, vergib uns, aber wir können uns keine Achtung erzwingen, so, wie ihr das tut. Wir können keinen anderen Menschen so das Leben nehmen wie ihr.« Ich zügelte mein Kan. »Man muß nicht anderen das Leben nehmen, um Achtung zu erringen«, sagte ich. »Achtung und Würde hängen von einem selbst ab.« Dann ritt ich weiter. Ranistard bot den gleichen Anblick wie Bellinard. Seine mit Steinen belegten Straßen und seine hohen Gebäude schienen aber irgendwie menschenleerer zu sein. Nur eine Handvoll Sklavinnen konnten wir entdecken, und die Männer glotzten uns gierig an. Ich schenkte ihren hungrigen Blicken keinerlei Beachtung und fragte mich nur, wo wohl der Kristall versteckt sei.

Telion ritt voraus, bis wir auf eine breite Straße kamen, an deren Ende ein hohes Gebäude stand, ähnlich dem in Bellinard, in dem wir gefangengehalten wurden. Als Telino darauf zuritt, zügelte ich mein Kan erneut. Er sah sich um und sagte: »Jalav, du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind nicht in Bellinard, und man wird dich hier nicht so behandeln, wie man dich dort behandelt hat. Darauf hast du mein Wort.« »Das Wort eines Städters gilt nur wenig«, entgegnete ich. »Ich ziehe es vor, im Freien zu lagern.«

»Das kannst du nicht!« fuhr er auf. »Du könntest zu leicht...« Er unterbrach sich, dann fuhr er fort, offensichtlich besorgt: »Die Männer von Ranistard haben zu lange die Frauen entbehren müssen. Wenn du mit deinen Kriegerinnen draußen lagerst, könnten sie ihren Begierden nicht mehr Einhalt gebieten und über euch herfallen. Zwar würden manche durch eure Schwerter fallen, aber zum Schluß würdet ihr doch überwältigt werden. Möchtet ihr einem Haufen zu allem fähiger Männer anheimfallen? Nimm mein Wort als Krieger, daß euch nichts passiert, solange ihr in meiner Gesellschaft seid.« Wäre ich allein gewesen, so wäre meine Antwort anders ausgefallen. Aber so mußte ich an meine Kriegerinnen denken und sagte: »Ich bin einverstanden.«

Telion nickte erleichtert, dann ritt er weiter. Vor dem riesigen Gebäude hielt er an. Wir stiegen ab und banden unsere Kand an einer Stange an der Treppe fest. Sorgfältig wurden wir von einigen Wächtern gemustert, die vor dem Tor standen, aber niemand verwehrte uns den Eintritt.

»Hier entlang«, sagte Telion. Wir folgten ihm vorsichtig durch einen langen Gang, der mit einem feinen blauen Tuch belegt war. An den rosaroten Wänden hingen blaue Seidentücher, vor denen Fackeln in großen silbernen Gestellen standen. Wir begegneten vielen Männern, die uns neugierig ansahen. Auch einige Frauen in blauen Seidengewändern sahen wir, die metallene Halsbänder trugen.

Auf meinen fragenden Blick sagte Telion: »Das sind die einzigen übriggebliebenen Sklavinnen in Ranistard. Ihre Anwesenheit hier ist sehr wichtig, denn der Palast des Hohen Senats muß gepflegt werden, und seine Wache muß versorgt werden. Ihr Los ist nicht einfach, aber mit so wenig Frauen ist es nicht zu ändern. Ich werde euch Zimmer besorgen, dann werde ich erst einmal ein Bad nehmen. Noch niemals in meinem Leben hatte ich eins so nötig wie jetzt.«

»Ist denn hier ein Fluß in der Nähe?« fragte Larid. »Ich habe keinen entdecken können, als wir hierherkamen.« Telion sah sie verwundert an, dann lachte er. »Nein, meine kleine Flamme«, entgegnete er sanft, »hier ist kein Fluß in der Nähe. Man kann aber im Zimmer baden, und ich werde dafür sorgen, daß ihr das auch könnt. Es wird Zeit, daß ihr ein bißchen Zivilisation mitbekommt.« Wir stiegen eine lange Treppe hinauf, und dann ging es wieder durch einen Gang, an dem sich zu beiden Seiten Türen befanden. An seinem Ende kamen wir in einen größeren Raum, in dem sich vier Sklavinnen befanden. Als Telion sich ihnen näherte, verbeugten sie sich tief. »Ich benötige drei Zimmer für meine Gefährtinnen hier«, sagte Telion, »die so bequem wie möglich sein sollen, mit Bädern. Sorgt dafür!«

»Sehr wohl, Meister«, sagte eins der Weiber, sprang auf und klatschte in die Hände. Eilfertig liefen die anderen drei und öffneten einige Türen für uns.

»Die Sklavinnen werden euch bringen, was ihr braucht«, sagte Telion. »Ich werde wiederkommen, wenn es Zeit zum Essen ist. In der Zwischenzeit könnt ihr euch etwas ausruhen.« Mit einem Lächeln verschwand er.

Mir gefiel es nicht in dem Gebäude, aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß, sobald es finster war, wir die Wachen an den Toren überwältigen und die Hosta hereinlassen würden. Dann würden wir bald erfahren, wo sich die Kristalle befanden, und wer sie geraubt hatte. So lange mußte ich mich gedulden. »Bitte einzutreten, Madam«, sagte das Sklavenweib und hielt mir eine Tür auf. Ich nickte meinen Kriegerinnen zu und trat in den Raum ein.

Er war groß und sehr hoch und besaß vier Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten und mit Seide verhangen waren. An einer Wand befand sich eine große Feuerstelle, deren Holz aber nicht brannte. Gegenüber sah ich eine breite Liege, aus Holz geschnitzt, mit vier Füßen und einem Dach auf vier Pfosten, die fast bis zur Decke reichten. Daneben entdeckte ich ein merkwürdiges Gestell, auf dem sich viele winzige Töpfe, große Kämme und Bürsten befanden. Über ihm hing eine flache Scheibe, in der sich alles spiegelte, besser als in noch so klarem Wasser.