»Kriegerinnen?« fragte Galiose zweifelnd. »Ich sehe, daß sie Waffen tragen, aber Kriegerinnen... ?«
»Ja, das sind wir«, warf Larid ein, »und zwar solche, die besser als die Männer wissen, wie man mit den Waffen umgeht.« Galiose und seine Männer lachten. Nur Telion blickte finster drein. »Wir wollen uns zu Tisch begeben«, sagte Galiose, »denn Komplimente haben wir genug ausgetauscht.« Er setzte sich an die Längsseite des Tisches und forderte mich auf, neben ihm Platz zu nehmen. Mir gefiel die Art zu sitzen nicht besonders, aber als Gast wagte ich keinen Widerspruch. Ich ließ mich also in dem Sitz nieder und hatte nur Schwierigkeiten, mein Schwert unterzubringen. Telion setzte sich neben mich, dann kam Larid, dann einer der anderen Männer, dann Fayan, und zum Schluß der letzte der Männer.
Sofort brachten Sklavinnen große Metalltöpfe, die mit Renth gefüllt waren. Ich hatte Durst und nahm einen großen Schluck. Galiose, der an seinem Topf nur genippt hatte, sagte lächelnd zu mir: »Wie ich sehe, schmeckt Euch der Renth. Nur rate ich Euch, vorsichtig damit zu sein, denn dieses Getränk hat es in sich.«
»Renth«, entgegnete ich aufgebracht, »ist wesentlich schwächer als unser Daru, das euch Männern kaum bekommen würde.«
Keineswegs beleidigt, antwortete Galiose lachend: »Ihr scheint alle eine hübsch scharfe Zunge zu haben. Aber ich glaube nicht, schon jemals etwas von Daru gehört zu haben.« Telion beugte sich vor und sagte: »Daru ist auch nur etwas für den Gaumen von Kriegerinnen.«
Viele Sklaven brachten nun das Essen herein, soviel, daß man meinen konnte, ein ganzer Stamm müsse gesättigt werden. Vier Sorten Fleisch gab es, Wurzeln, Beeren, gebackenen Weizen, Früchte von den Bäumen, Vögel vom Himmel, Fische aus dem Wasser und Süßigkeiten.
Das Mahl wurde unterbrochen durch den Eintritt eines Bewaffneten, der meldete: »Herr, draußen sind einige, die dringend mit dem Krieger Telion zu sprechen wünschen und nicht das Ende des Mahls abwarten wollen. Soll ich sie arrestieren lassen?« Galiose sah Telion an, der leicht lächelte. »Führ sie herein!« befahl er. Der Bewaffnete verbeugte und entfernte sich. Kaum war er hinter der Tür verschwunden, stürmten Ceralt und Nidisar herein. »Wie ich sehe, hast du tatsächlich gute Bekannte im Palast des Hohen Senats«, fuhr Ceralt Telion an. »Mich würde interessieren, was wegen meiner Jäger unternommen werden kann.«
»Im Moment wenig«, antwortete Telion und nahm sich eine kleine Frucht vom Tisch. »Aber vielleicht können wir die Herren hier dazu bewegen, daß sie ihre Gastfreundschaft auf zwei ungeduldige Besucher von Bellinard ausdehnen.« »Es ist genug vorhanden«, meinte Galiose freundlich und sagte: »Bitte, nehmt Platz.«
»Wir danken Euch für Eure Großherzigkeit«, antwortete Ceralt mit einer Verbeugung, und ließ sich mit kaum unterdrücktem Ärger uns gegenüber nieder. Nidisar folgte ihm nach kurzem Zögern.
Das Mahl ging weiter, und der Renth floß in Strömen. Die Fröhlichkeit am Tisch wuchs. Nur die beiden Jäger blieben davon ausgeschlossen. Einmal bemerkte ich, wie Nidisar Fayan einen Blick zuwarf, den sie nicht erwiderte, und war darüber sehr befriedigt. Auch Ceralt versuchte, meinen Blick einzufangen, hatte damit aber keinen Erfolg. Eher würde ich in der Schlacht das Leben verlieren wollen, als ihm noch einmal in die Hände zu fallen.
Endlich waren alle gesättigt. Die Sklaven verschwanden und kehrten nicht wieder. Da lehnte Galiose sich in seinen Sitz zurück und sagte zu Telion: »Jetzt würde ich gerne den Bericht über Eure Reise hören. Am besten erzählt es sich beim Renth nach einem guten Essen.«
»Mein Bericht wird ziemlich spannend sein und einige Fragen offenlassen«, entgegnete Telion. »Wie Ihr mir befahlt, ritt ich hinter Arrelin her, der angeblich nach Bellinard unterwegs war, um dort heiratsfähige Frauen für Ranistard abzuholen. Einer seiner Männer ging nach Bellinard, aber die anderen ritten mit unbekanntem Ziel weiter. Ich folgte ihnen bis über den Fluß Dennin, wo ich die Existenz der Midanna entdeckte.« Er nahm einen kräftigen Schluck Renth, dann fuhr er mit einem Lächeln fort: »Bei den Midanna, so fand ich heraus, handelt es sich um eine Sorte Frauen, die äußerst ungewöhnlich sind. Bevor ich herausfinden konnte, was Arrelin im Schild führte, wurde ich von den Midanna gefangengenommen und – hm – gezwungen, ihr Gast zu sein. Als sie mich schließlich wieder freiließen, war Arrelin verschwunden.« Telion machte eine Pause, um einen Schluck Renth zu trinken, dann sah er mich an und erzählte weiter: »Anschließend ritt ich wieder nach Bellinard, da ich hoffte, dort nicht nur Arrelin zu finden, sondern auch eine gewisse Jalav, die mir kurz etwas von einem Verlust erzählt hatte. Einige ihrer Kriegerinnen waren erschlagen worden, und das, was sie behüteten, war verschwunden. Ich war sicher, daß die Tat von Arrelin ausgeführt wurde, auf Geheiß von Vistren, seinem Gebieter. In Bellinard fand ich bald heraus, wo sich Jalav befand und auch Arrelin, der im Begriff stand, mit der Karawane aufzubrechen, in der sich die Bräute für Ranistard befanden. Also schloß ich mich ihr, zusammen mit Jalav und anderen, an. So kamen wir hierher. Um zu wissen, um was es geht, möchte ich Jalav eine Frage stellen: Was wurde euch entwendet?«
Alle sahen mich neugierig an. Langsam fragte ich: »Wo kann ich den finden, den ihr Vistren nennt?« Galiose lachte. »In der Tat, sehr ungewöhnliche Frauen, Telion«, sagte er. »Ich hoffe, Ihr gabt Euer Bestes – um sie zu unterhalten. Dieser Vistren, Jalav, ist mein Feind, der mir nach meiner Stellung und meinem Leben trachtet. Im Moment brütet er irgend etwas Teuflisches aus, das ich verhindern muß. Sobald dies geschehen ist, gebe ich Euch mein Wort, sollt Ihr das zurückerhalten, was er Euch genommen hat.« Er beugte sich zu mir herüber und fragte eindringlich: »Nun, heraus mit der Sprache, was ist es?«
»Das geht niemanden etwas an«, entgegnete ich so freundlich wie möglich. »Und dieser Vistren gehört uns. Ihr solltet Euch da nicht einmischen!«Galiose war über meine Antwort sehr verärgert. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: »Beim viergeschwänzten Sigurr dem Finsteren! Dieses Weib will mich warnen!« Telion beugte sich vor und sagte mit verstecktem Grinsen: »Ihr solltet noch etwas wissen, Galiose. Dieses Weib verfügt über eine Streitmacht von einhundert Kriegerinnen, alle auf dem Rücken von Gandod. Sie treiben sich außerhalb der Stadt herum und beabsichtigen, sie einzunehmen.« »Sie einzunehmen?« brüllte Galiose erregt. »Was für einen Unsinn redet Ihr da?«
»Ich berichte nur über ihre Absichten«, erwiderte Telion mit einem Achselzucken. »Und dann halten sie noch etwa zwanzig Jäger aus Bellinard gefangen, die Gefolgsleute von Ceralt dort drüben. Ceralt hatte die Absicht, die Horde ausfindig zu machen und seine Männer gegen das Leben von Jalav einzutauschen.«
»Zwanzig Jäger?« sagte Galiose nachdenklich. »Das darf man nicht außer acht lassen.« Dann beugte er sich wieder zu mir herüber und sagte: »Ich frage mich erneut, mein Kind. Was hat dieser Vistren, was er gegen mich benutzen will?« »Es ist nichts, was einen Mann interessieren kann«, entgegnete ich und trank meinen letzten Schluck Renth. »Und es wird auch bald nicht mehr in seinem Besitz sein, ebensowenig wie sein Leben. Allerdings wird das erste schnell geschehen, das letztere nicht ganz so schnell.«
»Vistren weiß inzwischen über ihr Hiersein Bescheid«, sagte Telion. »Drei der Söldner von Arrelin, die sich bei der Karawane befanden, versuchten, aus ihr herauszupressen, was sie hier will. Ceralt und ich kamen rechtzeitig hinzu, und danach paßte ich auf, daß nicht andere das gleiche versuchten. Arrelin schickte die drei voraus nach Ranistard, das nehme ich jedenfalls an, denn gestern, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, wurde die Karawane überfallen, wobei das Ziel offensichtlich Jalav mit ihren Kriegerinnen war. Wären sie nicht so erfahrene Kämpfer, dann wäre bestimmt ihr Blut vergossen worden, anstatt das der Banditen.«