»Wir werden ihnen folgen«, sagte ich, indem ich die Fesseln meiner Kriegerinnen zerschlug. »Sie werden uns zu den Kristallen führen, oder aber wir werden den Spaß haben, sie mit Hilfe unserer Schwertspitzen zu befragen. Bewaffnet euch, und kommt mit!«
Fayan nahm eilig Zolins Schwert, Larid ihren Dolch, dann folgten wir unseren Feinden. Hinter der Tür, durch die sie verschwunden waren, befand sich ein langer, schwach erleuchteter Gang, der an einer steilen Treppe endete. Diese Treppe eilten wir hinauf, bis wir endlich vor einer verschlossenen Tür standen.
In diesem Moment ertönten viele Schritte hinter uns. Wir wandten uns um und warteten auf den Angriff, der da kommen sollte, aber dann lachten wir erleichtert auf. Vor uns tauchte der Wächter auf, der geschworen hatte, niemand hereinzulassen, aber dahinter die Gesichter von Gimin und den anderen Hosta. Ihre Schwerter waren rot von Blut, wie unsere. »Midas Segen über dich, Jalav«, rief Gimin mit breitem Grinsen. »Mir scheint, daß wir ziemlich nah an unserem Ziel sind.« »Das scheint mir auch so, Gimin«, entgegnete ich, und dann fragte ich den Gefangenen streng: »Gibt es noch andere Eingänge zu dem, was vor uns liegt?«
»Nein«, antwortete er ängstlich, »es gibt nur diesen einen Eingang zu Lord Vistrens Gemächern.« Vielleicht hatte er gelogen, aber ich hatte keine Zeit, das herauszufinden. »Laß irgend etwas holen, mit dem wir die Tür aufbrechen können!« befahl ich Gimin. Gimin erteilte ihre Anordnungen, dann kam sie zu mir und sagte: »Dieses Gebäude ist fest in unserer Hand, Jalav. Die meisten der Männer, die es verteidigten, leben nicht mehr, während wir nur leichte Verluste hatten. Diesen einen hier haben wir am Leben gelassen, damit er uns zu euch führte. So haben wir dich gefunden, Anführerin.« Sie hatte mich Anführerin genannt, also hatte sie sich noch nicht entschieden, mich zum Kampf um diese Position herauszufordern. Das freute mich, denn die Hosta sollten sich nicht untereinander streiten, wenn sie gegen einen gemeinsamen Feind kämpften.
»Ich würde gerne wissen, wie ihr uns überhaupt hier gefunden habt«, sagte ich, »denn wir waren doch nicht in der Lage, euch eine Botschaft zu senden.«
»Das ist einfach, und trotzdem schwierig«, antwortete Gimin unsicher. »Wir beobachteten, wie du in die Stadt einzogst, und sahen, daß du nicht mehr gefesselt warst. Deswegen versammelten wir uns in der Dunkelheit unter der Mauer, weil wir sicher waren, daß du uns Einlaß verschaffen würdest. Aber nichts geschah, bis sich endlich eins der Tore langsam und geräuschlos öffnete. Als wir eindrangen, fanden wir jedoch nur eine seltsam aussehende Sklavin, mit schwarzen Haaren, fast wie deine, Jalav, die bei unserem Anblick so laut schrie und tobte, daß wir sie binden und knebeln mußten, damit sie uns nicht verriet.
Die Wächter an dem Tor lagen in tiefem Schlaf, so daß es uns nicht gelang, einen von ihnen zu wecken. Aus dem Wortschwall der Sklavin entnahmen wir, daß sie den Männern einen Schlaftrunk verabreicht hatte und aus irgendeinem Grund annahm, daß man sowohl die Betäubung der Männer wie auch ihr Verschwinden dir anlasten würde, Jalav. Sie sagte irgend etwas von einem ›Brief‹, was wir aber nicht verstanden, Jalav.«
»Mida benutzt viele verschiedene Werkzeuge«, sagte ich. Halia würde den Männern, die sie suchten, weder entkommen, noch würde Jalav angeklagt werden. Jalav befand sich unter Midas Schild, einem Schutz, den Halia gänzlich entbehren mußte.
»Aber dann waren wir unentschieden«, fuhr Gimin fort. »Wir wußten nicht, wo unsere Anführerin sein mochte, und wollten auch nicht ihr Unternehmen durch unsere vorzeitige Ankunft gefährden. Fast hätten wir uns wieder zurückgezogen, als die Kriegerinnen eintrafen, die wir zuvor über die Mauern in die Stadt gesandt hatten. Diese hatten auch deine Ankunft beobachtet, und waren dir ohne große Schwierigkeit gefolgt. In der Dunkelheit konnten sie näher an das große Gebäude herankommen und beobachteten, wie ihr herauskamt. Sie wollten sich gerade mit Fayan und Larid in Verbindung setzen, als diese von bewaffneten Männern überfallen wurden. Zu kurz war der Kampf, als daß sie sich einmischen konnten, und dann wurden Fayan und Larid in das Gebäude geführt, in dem du bereits verschwunden warst. Schnell entschlossen sie sich, uns zu holen, und waren sehr erstaunt, als sie herausfanden, daß wir uns bereits innerhalb der Mauern befanden. Sofort machten wir uns auf den Weg hierher und griffen an. Den Rest weißt du.«
Ich nickte und lobte die treue Hilfe Midas, die immer zur Stelle war, wenn die Hosta sie brauchten. Nun war ich sicher, daß der Sieg unser sein würde.
Drei Kriegerinnen schleppten einen langen Balken die Treppe herauf, mit dem wir begannen, die Tür einzuschlagen. Wir hatten es bald geschafft, als eine Kriegerin angelaufen kam und sagte: »Jalav, draußen sind einige Männer, die behaupten, sie seien in friedlicher Absicht gekommen, und mit dir sprechen wollen. Einer von ihnen ist der Gefangene, den wir machten, bevor wir unsere Zelte verließen.«
»Bringt sie her!« befahl ich, »aber seid auf der Hut vor einem Überfall aus dem Hinterhalt. Es kann sein, daß diese Männer uns nur ablenken wollen.«
Kurz darauf wurden die Männer zu uns geführt, an ihrer Spitze Telion und Galiose. Sie blickten uns an und sahen unsere Bemühungen, die Tür einzuschlagen, dann sagte Galiose zu Telion: »Sie treiben sich also in den Wäldern herum, um uns zu suchen? Dabei scheinen sie aber ganz erfolgreich gewesen zu sein.«
»Ich weiß auch nicht, wie das zugegangen ist«, antwortete Telion aufgebracht. »Nach meiner Kenntnis wußten die Hosta definitiv nicht, wo sich Ranistard befindet. Ich habe keine Ahnung...«
Unvermittelt brach er ab und starrte grinsend Larid an, die ihm zublinzelte, bevor sie sich wieder den Bemühungen an der Tür zuwandte.
»Wäre ich Ihr«, sagte Galiose, »würde ich meine Informationsquellen einmal überprüfen. Sehr zuverlässig scheinen sie nicht zu sein.«
Dann wandte er sich an mich und sagte: »Daß Ihr und Eure Kriegerinnen bewaffnet in meine Stadt eingedrungen seid, will ich verzeihen, liebliche Jalav. Nicht so leicht verzeihen möchte ich jedoch, daß Ihr hier meine Aufgabe erfüllen wollt. Zieht Eure Streitkräfte zurück und erlaubt meinen Männern, hier einzudringen. Das, wonach Ihr sucht, wird Euch zurückgegeben werden, sobald Vistren in meinen Ketten liegt.« »Vistren ist bestimmt für Midas Ketten«, erwiderte ich, »und was den Hosta gehört, werden sie sich selbst zurückholen.« »Du verdammtes, starrköpfiges Weib!« grollte Galios. »Ich wollte mich in Frieden mit dir auseinandersetzen, aber nun muß es in Unfrieden sein. Bereite deine Weiber darauf vor, daß sie weiter zu kämpfen haben, denn ich werde mit meinen Kriegern zurückkommen!«
Zornig dreht er sich um und wollte gehen, aber auf einen Wink von mir zogen meine Kriegerinnen ihre Klingen und hielten ihn auf. Er wirbelte herum und fauchte: »Was soll das bedeuten? Man hat uns freies Geleit zugsagt.« »Das habt Ihr auch bekommen«, entgegnete ich. »Wollt Ihr aber weiter in Sicherheit bleiben, so verhaltet Euch still und macht uns keine Schwierigkeiten. Meine Kriegerinnen sind sehr schnell mit dem Schwert zur Hand!« Grollend ergab er sich in sein Schicksal. Ich wandte mich der Tür zu und sah, daß sie bald offen sein würde. In der Zwischenzeit stellte ich Gimin eine Frage. »Ich nehme an, daß die zwei Gefangenen, die ihr im Wald machtet, keinen sehr leichten Tod hatten?«