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Erst dann fiel mir ein, daß ich nichts anhatte, und ich entgegnete hastig: »Bringt sie mir hierher, aber schnell, denn ich habe etwas Dringendes zu erledigen.«

»Aber schnell!« antwortete sie und stemmte ärgerlich ihre Arme in die Hüften. »Du hast mir nichts zu befehlen, mein Kind, denn ich bin diejenige, die dich in guten Manieren unterrichten wird. Gehe nach oben, und ich bringe dir ein Kleid. Glaube aber nicht, daß du dein altes, unzüchtiges Gewand wiederbekommst.«

»Die Stammesfarben werden einer Hosta nur abgenommen, wenn sie tot ist«, entgegnete ich, »und sonst in keinem anderen Fall. Ich will sie sofort zurückhaben, oder Ihr könnt etwas erleben! Und das sage ich kein zweites Mal!« Entrüstet öffnete sie ihren Mund zu einer Entgegnung, aber ich schob sie einfach beiseite und wollte das Haus durch die Tür verlassen, als mich zwei Arme von hinten festhielten. Es war Ceralt, dessen Kichern sich in ein Jaulen verwandelte, als ihn mein Fuß bei meinem heftigen Widerstand an einer empfindlichen Stelle traf.

»Nichts da, Weib!« sagte er heftig. »Wo willst du hin, nackt wie ein Kind bei seiner Geburt?«

»Ich will dahin, wo ich hin muß!« erwiderte ich. »Laß mich sofort los!«

»Ich fürchte, daß Jalav eine weitere Strafe verdient«, sagte er, mich vom Eingang fortziehend. »Entweder sagst du mir sofort, wohin es dich so eilig zieht, oder du gehst in dein Zimmer, um eine weitere Bestrafung entgegenzunehmen. Also, raus mit der Sprache!«

Er ließ mich los, und ich wandte mich zu ihm um, um mit ihm zu reden, als ich vor Erstaunen heftig schlucken mußte. Um seinen Hals baumelte, unversehrt, mein Amulett! Große Freude und Erleichterung erfüllten mich. »Mida sei gepriesen!« sagte ich. »Ich glaubte schon, es sei verloren. Gib es mir, Jäger!«

»Das werde ich nicht tun«, sagte er und hielt meine Hand, die nach dem Amulett griff, fest. »Mir hat jemand erklärt, daß die Midanna sich nie weit von ihrem Amulett entfernen. Wenn du also in seiner Nähe sein willst, Jalav, mußt du immer nahe bei mir bleiben, denn ich werde es zukünftig tragen.« Ich konnte Ceralt nur ungläubig anstarren. Wollte er mir wirklich, inmitten meiner Feinde, den Schutz meiner Seele vorenthalten? »Du machst Spaß«, sagte ich. »Das Amulett gehört mir, und ich muß es zurückhaben.« »Ich gebe es dir gerne zurück«, erwiderte er, »wenn ich dafür dein Wort bekomme, daß du nicht versuchen wirst zu flüchten.«

Wieder starrte ich ihn ungläubig an. Wie konnte er so etwas von mir verlangen? Ich war eine Hosta, und eine Hosta wird niemals die Gefangene eines Mannes bleiben wollen. »Vielleicht willst du dir die Sache noch einmal überlegen«, sagte Ceralt, mit öliger Freundlichkeit in der Stimme. »In der Zwischenzeit können wir zusammen essen, und dabei kannst du dir überlegen, ob dir das Amulett dein Wort wert ist.« Damit schob er mich in einen Raum hinein, der ganz mit roter Seide ausgekleidet war. Vor einem Tisch standen zwei Sitze.Auf dem Tisch standen eine Auswahl Speisen und Getränke, aber mir war jeglicher Appetit vergangen. Wie kam ich nur wieder zu meinem Amulett?

»Lodda ist eine vorzügliche Köchin«, bemerkte Ceralt beiläufig und bediente sich. »Wenn du auch etwas haben möchtest, brauchst du es nur zu sagen – allerdings höflich.« Ich sah ihn fragend an, und er grinste. »Es stimmt«, sagte er. »Solltest du nicht höflich bitten, bekommst du nichts, denn du mußt jetzt allmählich Manieren lernen, als Städterin, die du nun bist.«

Meine Sünden mußten tatsächlich groß sein, daß Mida mich so strafte. Was hatte ich falsch gemacht? Hätte ich doch die Kristalle an mich nehmen sollen, trotz der Gefahr für mein Leben? Nun saß ich hier, verlassen von Mida, meiner Waffen beraubt, ohne Amulett und Stammesfarben. O Mida, du strafst deine Kriegerinnen wirklich hart!

»Hier ist ihr Brei«, sagte Lodda, die plötzlich hinter mir aufgetaucht war. Sie knallte den Topf ziemlich hart vor mir auf den Tisch, ein Zeichen, daß sie noch immer verärgert war. »Ich muß gegen ihren nackten Zustand protestieren!« sagte sie. »Ihre Erscheinung ist äußerst unanständig.« »Sie wird Kleider bekommen, wenn sie darum bittet«, erwiderte Ceralt ungerührt. »Sollte sie das Haus verlassen wollen, wird dies sicher der Fall sein, oder auch, wenn Besucher kommen, denn sonst wird sie in ihr Zimmer geschickt werden. Ihr könnt mit eurem Unterricht beginnen, sobald sie hier fertig ist, deshalb solltet Ihr Euch darauf vorbereiten.« »Ich bin vorbereitet, darauf könnt Ihr Euch verlassen«, schnaubte Lodda. »Sie wird ihre Lektionen schon lernen.« »Das wollen wir abwarten«, meinte Ceralt, genüßlich sein Fleisch kauend. Als Lodda gegangen war, beugte er sich zu mir herüber und sagte: »Iß deinen Brei, Jalav! Du mußt dich stärken, denn es gibt heute viel zu lernen für dich.« »Ich mag nichts essen, und ich mag nichts lernen«, erwiderte ich. »Ich habe heute bereits schon genug gelernt. Da meine Seele sowieso verloren ist, ist das auch egal.«

»Noch ist deine Seele nicht verloren«, grinste Ceralt. »Du kannst aus freiem Willen deinen Brei essen, oder aber du bekommst wieder den Trank. Diesmal werde ich dich aber dann nicht füttern, sondern Lodda, und sie wird dich auch bestrafen. Sie ist eine Lehrerin für junge Damen, die nicht folgen wollen, aber sie hat nicht viel Geduld mit ihnen. Willst du, daß es so geschieht? Lodda hat mir gesagt, daß eine Bestrafung vor möglichst vielen anderen erfolgen muß, damit sie ihren Zweck erfüllt. Ich glaube, sie hat dabei an den Marktplatz als Ort der Bestrafung gedacht.«

Er lachte, als er das sagte, und ich war so deprimiert, daß ich mich nicht einmal darüber aufregen konnte. Meine Ehre würde mit einer solchen Handlung endgültig vernichtet sein, und ich könnte sie noch nicht einmal mit meinem Tod zurückgewinnen. Nun wußte ich es genau, Mida wollte mich bestrafen, weil ich die Kristalle nicht zurückgeholt hatte. Ich nahm den Topf mit dem Brei und setzte ihn an meine Lippen, denn alles, was ich tat, hatte ja nun doch keinen Sinn mehr. »Sehr gut!« lobte mich Ceralt, als ich den leeren Topf niedersetzte. »Nun gehe in dein Zimmer. Lodda wird in Kürze bei dir sein.«

Schweigend gehorchte ich. Ja, meine Bestrafung war wohl verdient. Ich hatte Angst gehabt, mich der Kristalle wieder zu bemächtigen, Angst vor einem Schmerz, wie ich ihn noch nie verspürt hatte, aber eine Kriegerin durfte keine Angst zeigen, in keinem Fall. Groß war mein Fehler, und groß war die Beschämung, deren mich Mida aussetzte. Der Raum war noch so, wie ich ihn verlassen hatte. Traurig setzte ich mich vor dem Feuer nieder, um über meine Sünden nachzudenken. Mein Leben war leer und leer war mein Herz. »Was ist denn hier geschehen?« erklang Loddas Stimme hinter mir. »Nichts steht mehr gerade außer den Mauern!« Ich schenkte ihr keine Beachtung und starrte weiter in das Feuer. »Bevor wir mit allem anderen beginnen, wird hier zunächst einmal Ordnung geschaffen!« befahl Lodda. »Du lebst nicht mehr in der Höhle, aus der du gekommen bist, sondern unter zivilisierten Menschen. Hurtig, aufgestanden! Ich werde dir sagen, was du zu tun hast.«

Das flackernde Feuer zog noch immer meine Aufmerksamkeit an. Es besaß eine Freiheit, nach der ich mich nur sehnen konnte, die Freiheit in den heimatlichen Wäldern der Hosta, in ihren Zelten, das Lachen der Kleinen in der Obhut der Hüterinnen ... Wie groß und rund waren die Augen der zukünftigen Kriegerinnen geworden, wenn die Anführerin angeritten kam! Wie eifrig waren sie bemüht gewesen, das Kriegshandwerk zu erlernen, um eines Tages vielleicht selbst Anführerin zu werden! Nun war alles dahin, die Hosta waren Gefangene, ihre Anführerin war entehrt!

»Hörst du mich nicht?« fragte Lodda nachdrücklich. »Du stehst jetzt sofort auf, sonst werde ich dir zeigen, wie Ungehorsam bestraft wird!« Ich antwortete noch immer nicht, denn sie war mir vollkommen gleichgültig. »Nun gut«, sagte sie, »dann sollst du deine Strafe haben.«