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«Aber unser Flughafen ist geschlossen«, erwiderte er.»Wir haben bereits um fünf Uhr den Betrieb eingestellt. Wir erhielten auch keinen Anruf, daß wir uns bereithalten sollten.«

«Aber Merriam St. George hat ein GCA-System«, protestierte ich.

«Das ist mir bekannt«, bellte er.»Aber es kam heute nacht nicht zum Einsatz. Es ist seit fünf Uhr außer Betrieb.«

Die nächste und letzte Frage stellte ich langsam und bedächtig.

«Können Sie mir sagen, Sir, wo sich die nächste R. A. F.Station befindet, die während der ganzen Nacht auf dem 121Meter-Band empfängt, die nächstgelegene Station, die rund um die Uhr Notrufabhörung hat?«

(121 Meter ist die internationale SOS-Frequenz)»Ja«, sagte er langsam.»Westlich von hier R. A. F. Marham.

Im Süden R. A. F. Lakenheath. Gute Nacht. Fröhliche Weihnachten. «Er hatte aufgelegt. Ich lehnte mich zurück und atmete tief durch. Marham war 40 Meilen entfernt am anderen Ende von Norfolk. Lakenheath lag 40 Meilen südlich, in Suffolk. Mit meinem Treibstoffvorrat wäre ich nicht nur niemals bis Merriam St. George gekommen, der Flugplatz war überhaupt nicht geöffnet. Wie hätte ich es dann bis nach Marham oder Lakenheath schaffen können?

Und ich hatte diesem Mosquito-Piloten signalisiert, daß mein Sprit nur noch fünf Minuten reichen würde. Er hatte bestätigt, daß er mich verstanden habe. Außerdem war er, nachdem wir in den Nebel getaucht waren, viel zu niedrig geflogen. In dieser geringen Höhe fliegt man keine 40 Meilen.

Der Mann mußte verrückt gewesen sein.

Langsam dämmerte mir, daß ich mein Leben nicht eigentlich dem Wetterfrosch von Gloucester verdankte, sondern Oberleutnant Marks, dem bierseligen, verbummelten, sitzengebliebenen Oberleutnant Marks, der an einem Flugzeug nicht die Nase vom Schwanz unterscheiden konnte, aber doch eine Viertelmeile durch den Nebel gerannt war, um die Beleuchtung einer unbenutzten Landebahn einzuschalten, weil er eine Düsenmaschine viel zu dicht über dem Boden hatte kreisen hören. Wie dem auch sein mochte, die Mosquito mußte inzwischen zu Hause in Gloucester sein, und der Pilot sollte wissen, daß ich trotz allem noch am Leben war.

«Gloucester?«sagte die Vermittlung.»Um diese Nachtzeit?«

«Ja«, erwiderte ich energisch.»Gloucester, und um diese

Nachtzeit.«

Die Wetterwarten haben ein Gutes, sie sind immer in Betrieb.

Der Diensthabende Meteorologe nahm den Anruf entgegen.

Ich trug ihm mein Anliegen vor.

«Tut mir leid, hier dürfte ein Irrtum vorliegen, Flying Officer«, sagte er.»Es kann sich nicht um eines unserer Flugzeuge gehandelt haben.«

«Hören Sie, dort ist doch R. A. F. Gloucester, ja?«

«Ja. Diensthabender Offizier der Flugwetterstation am Apparat.«

«Sehr schön. Und Ihre Dienststelle benutzt Mosquitos zur Feststellung von Luftdruck und Temperatur in großen Höhen.«

«Falsch«, sagte er.»Wir benutzten Mosquitos. Vor drei Monaten wurden sie außer Dienst gestellt. Jetzt fliegen wir Canberras.«

Ich saß da, den Hörer in der Hand, und starrte ungläubig auf den Apparat. Dann kam mir eine Idee.»Was ist aus den alten Mosquitos geworden?«fragte ich. Der Mann am anderen Ende der Leitung mußte ein älterer Knabe und ungemein höflich und geduldig sein, daß er sich zu nachtschlafender Zeit alle diese blödsinnigen Fragen gefallen ließ.

«Wurden wohl verschrottet oder eher noch an Museen verschenkt. Sind heute schon eine Rarität, wissen Sie.«

«Weiß ich«, sagte ich.»Ist es möglich, daß eine Maschine an einen Privatmann verkauft wurde?«

«Könnte schon möglich sein«, sagte er nach einigem Überlegen.»So was entscheidet das Luftfahrtministerium.

Aber ich glaube eher, daß sie in Luftfahrtmuseen landeten.«

«Danke. Haben Sie vielen Dank. Und fröhliche Weihnachten.«

Ich legte den Hörer auf und schüttelte ratlos den Kopf. Was für eine Nacht, was für eine unglaubliche Nacht. Zuerst fallen mein Funkgerät und alle meine Instrumente aus, dann verliere ich die Orientierung, und mein Treibstoff wird knapp, dann nimmt mich ein meschuggener Sonntagsflieger ins Schlepptau, der an ausrangierten Flugzeugen einen Narren gefressen hat und zufällig auf mich stößt, mich um ein Haar umbringt, und zu guter Letzt hat ein halbbesoffener ehemaliger Offizier der Bodentruppe einen lichten Moment, schaltet gerade noch rechtzeitig die Pistenfeuer an und rettet mir das Leben. Glück muß der Mensch haben. Aber eins stand fest: dieser Amateurkunstflieger hatte keine blasse Ahnung, was er da anstellte. Andererseits, so fragte ich mich, wo wäre ich jetzt ohne ihn? Ich würde tot in der Nordsee treiben.

Ich hob das Glas mit dem letzten Schluck Whisky auf sein Wohl und auf das Wohl seiner absonderlichen Leidenschaft, auf eigene Faust in einer Großvatermaschine herumzufliegen, dann schob ich das Glas weg. Oberleutnant Marks spähte zur Tür herein.

«Ihr Zimmer ist gerichtet«, sagte er.»Nummer siebzehn, gleich hier den Korridor entlang. Joe zündet gerade Feuer für Sie an. Das Badewasser wird schon warm. Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt ins Bett gehen. Kommen Sie allein zurecht?«

Ich begegnete ihm jetzt freundlicher als vorhin, denn er hatte es verdient.

«Klar, alles bestens. Vielen Dank für alle Ihre Hilfe.«

Ich nahm meinen Helm und wanderte den Korridor entlang, vorbei an den Zimmertüren unverheirateter Offiziere, die schon längst anderswohin versetzt waren. Durch die Tür von Nummer siebzehn fiel ein Lichtstreifen über den Gang. Als ich eintrat, erhob sich vor dem Kamin ein alter Mann von den Knien. Ich erschrak bei seinem Anblick. Kasinoordonnanzen sind im allgemeinen aktive Soldaten der Royal Air Force.

Dieser Mann aber war an die siebzig und offenbar ein Zivilist aus der Gegend, der hier angestellt war.

«Guten Abend, Sir«, sagte er.»Ich bin Joe, Sir. Ich bin der Messesteward.«

«Ja, Joe, Mr. Marks hat es mir gesagt. Tut mir leid, daß ich Ihnen mitten in der Nacht soviel Mühe machen muß. Bin gerade hier hereingeschneit, könnte man sagen.«

«Ja, das hat Mr. Marks mir erzählt. Ihr Zimmer ist gleich fertig, Sir. Sobald das Feuer da brennt, haben Sie’s ganz gemütlich. «Die Kälte war noch nicht aus dem Raum gewichen, und ich zitterte in dem dünnen Nylonanzug.

Wenn ich nur Marks gebeten hätte, mir einen Pullover zu leihen, aber ich hatte es vergessen. Ich entschied mich dafür, mein einsames Nachtmahl in meinem Zimmer einzunehmen, und während Joe es holen ging, nahm ich rasch ein Bad, denn das Wasser war inzwischen einigermaßen warm geworden.

Während ich mich ab trocknete und den alten, aber warmen Schlafrock anzog, den Joe mir zusammen mit dem Essen gebracht hatte, deckte er einen kleinen Tisch und stellte eine Platte mit brutzelndem Speck und Eiern darauf. Jetzt war auch das Zimmer angenehm warm, das Kohlenfeuer brannte hell, die Vorhänge waren zugezogen. Während ich aß — es dauerte nur ein paar Minuten, denn ich war hungrig wie ein Wolf —, blieb der alte Steward im Zimmer, und wir plauderten.

«Sind Sie schon lange hier, Joe?«fragte ich, mehr aus Höflichkeit als aus wirklichem Interesse.

«O ja, Sir, schon an die zwanzig Jahre; seit kurz vor dem Krieg, als der Flugplatz aufgemacht wurde.«

«Inzwischen hat sich eine Menge verändert, was? War hier nicht immer so still wie jetzt?«

«Das war’s nicht, Sir, das war’s nicht. «Und er berichtete mir von den Zeiten, als die Zimmer von begeisterten jungen Piloten belegt waren, der Speisesaal erfüllt von Tellerklappern und Besteckklirren, die Bar widerhallend von deftigen Gesängen. Er berichtete von den Monaten und Jahren, als der Himmel über dem Flugplatz krachte und dröhnte vom Getöse der Kolbenmotoren, die ihre Bomber und Jäger in den Krieg hinaustrugen und wieder heimbrachten. Während er redete, beendete ich meine Mahlzeit und leerte den Rest der halben Flasche Rotwein, die er aus dem Keller geholt hatte. Ein sehr guter Steward, dieser Joe. Als ich fertig war, stand ich auf, nahm eine Zigarette aus der Tasche meiner Fliegerkombination, zündete sie an und schlenderte im Zimmer herum. Der Steward machte sich daran, Geschirr und Glas vom Tisch zu räumen. Ich blieb vor einem alten gerahmten Foto stehen, das auf dem sonst leeren Kaminsims über dem knisternden Feuer stand. Meine Hand, die gerade die Zigarette zum Mund führen wollte, erstarrte auf halbem Weg, und plötzlich kam es mir im Zimmer eiskalt vor.