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»Ausgeschlossen«, sagte er fest. »Manolda war ein äußerst sicherer Fahrer! Und warum sollte er Zyankali nehmen, wenn es wirklich nur ein Unfall war?!«

»Wir dachten nicht an Unfall, sondern an Mord!«

»Aber Manolda hat doch zwei Tage nach der Auffindung der Leiche in Teneriffa Bananen gekauft!« rief Dr. Albez. »Gespenster interessieren sich nicht für Obst!«

»Und was halten Sie davon, wenn ein Doppelgänger des Konsuls in Teneriffa war?« fragte Selvano mit einer deutlichen Spannung in der Stimme.

Dr. Albez war im ersten Augenblick verblüfft, dann lachte er laut auf. Selvano verzog am anderen Ende der Leitung sauer das Gesicht und tippte mit dem Zeigefinger, auf Primo Galbez blickend, wütend und unmißverständlich an seine Stirn.

»In einem Kriminalroman liest sich so etwas sehr spannend«, rief Dr. Albez ins Telefon. »Im Leben, glaube ich, geschehen die Dinge weniger fantastisch und weit nüchterner! Manolda war in Teneriffa, das steht fest. Baron von Pottlach ist ein alter Freund unserer Firma und kennt den Konsul so gut, daß ihm kein Doppelgänger kommen konnte. Manolda war bei ihm, das stellen wir einmal fest. Dann verschwand er, und das will ich an Ort und Stelle nachprüfen! Einen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, daß die Konkurrenz uns damit die Luft abwürgen will. Ist das der Fall, dann müßte man auch mich bei meinem Auftauchen in Teneriffa festsetzen ... und das will ich eben sehen! Ist dem so und ich bin innerhalb von zwei Wochen -von morgen an gerechnet - noch nicht zurückgekehrt oder habe keine Nachricht gegeben, dann brauchen Sie nur bei folgenden Firmen Ihren Hebel anzusetzen, um Manolda und mich, einträchtig in irgendeinem stillen Winkel versteckt, zu finden. Andernfalls gebe ich Ihnen laufend unter Chiffre Nachricht über meinen Standplatz und meine weiteren Reiserouten.«

Dr. Albez nahm vom Schreibtisch eine Firmenliste und diktierte dem Kommissar die Anschriften der Konkurrenzunternehmen. Dann ging er wieder zum Fenster zurück und hatte den Wunsch, das Gespräch abzubrechen. Die Sonne schob sich blutrot dem Horizont entgegen, es schien, als wolle sie sich im aufkochenden Meer ertränken. Es war der Anblick des gewaltigen Sonnenunterganges, den Dr. Albez seit Jahren jeden Abend allein und ungestört, in völliger Stille, mit brennendem Herzen genoß.

»Ist alles klar, Kommissar?« fragte er deshalb. »Kann ich morgen mit meiner Jacht reisen?«

»Selbstverständlich. Ich hebe hiermit die einstweilige Beschlagnahme auf. Allerdings verknüpfe ich damit eine Bitte -oder, wenn Sie wollen - auch Bedingung!«

»Und das wäre?«

»Ich möchte Ihnen als Reisebegleiter und persönlichen Schutz einen meiner besten Beamten mitgeben. Ihre Bewachung durch die Unbekannten zwingt mich dazu. Einverstanden?«

»Nicht gern. Aber wenn es sein muß - bitte!«

»Und noch eins.« Selvanos Stimme wurde leiser. »Verlassen Sie Ihre Villa noch heute abend über den Felsweg und übernachten Sie in Lissabon. Ihre Jacht fährt unter Polizeiflagge aus, und ich bitte Sie, sich erst auf See aus Ihrer Kabine zu begeben. An Bord gehen Sie in einer Polizeiuniform, die Ihnen Primo Galbez morgen früh ins Hotel >Europe< bringen wird. Ich möchte unter allen Umständen vermeiden, daß die Bewachung oder sonst ein an Ihnen Interessierter die Abreise bemerkt! Alles bleibt beim alten, und Primo Galbez wird bis zu ihrer Rückkehr Ihre Rolle übernehmen und für die Beobachter den ahnungslosen Hausherrn Jose Biancodero spielen. - Ist Ihr Personal zuverlässig?!«

»Absolut! Und was versprechen Sie sich von diesem Maskenscherz?!«

»Daß wir diese Burschen ohne Ausnahme schnappen und endlich einmal etwas Licht in das Dunkel bringen. - Sie sind doch einverstanden?«

»Mit allem!« Dr. Albez blickte auf das Meer. Wie ein roter Ball spiegelte sich die Sonne in ihm. »Ich wünsche Ihnen alles Glück, Selvano«, sagte Dr. Albez. »Auch ich will endlich wieder in meinem Leben eine helle Sonne lieben lernen.«

Wie ein erträumtes Märchen liegt Teneriffa mitten in den rollenden Wogen des weiten Atlantik. Eine steile, hafenlose Küste schützt es rundum vor lästigen Besuchern, und nur von der Hauptstadt Santa Cruz aus führt der Weg in das Innere der größten und volkreichsten Insel der Kanarischen Gruppe. Steil erhebt sich im Süden der über 3700 Meter hohe Vulkan Pik von Tenerife, in dessen oberem Teil die berühmte, in der Welt in solch bezaubernder Schönheit einmalige Eishöhle - die Cueva del velo - liegt. Drachenbäume gewaltigen Ausmaßes umgeben den Berg mit der zuckerhutartigen Kuppe, die der Eingeborene Pan de azucar oder Piton nennt. Hier am Fuße des Vulkans fand der deutsche Forscher Humboldt den fast 6000 Jahre alten Drachenbaum, den ältesten Baum der Welt überhaupt!

Große Dattel-, Bananen- und Weinplantagen strecken sich in dem äußerst gesunden subtropischen Seeklima über die ganze Insel hin. Sie sind der Reichtum Teneriffas und die Quelle eines üppigen Fruchtexportes nach allen Ländern der Erde.

Besitzer einer solchen riesigen Plantage und Mittelpunkt der Exporteure war der auf geheimnisvolle Weise mit großem Reichtum plötzlich in Teneriffa aufgetauchte Baron v. Pottlach. Seit erst zehn Jahren am Pik de Tenerife wohnend, hatte er sich durch zähen Fleiß und umsichtige Geschäftsmethoden zu einem der angesehensten Händler emporgeschwungen, und sein palastähnliches Herrenhaus mitten in seinen Plantagen wurde von Jahr zu Jahr mehr der Brennpunkt des exklusiven gesellschaftlichen Lebens und einer in seinen Händen zusammenlaufenden fruchtbaren Handelspolitik.

Baron v. Pottlach galt als der Diktator der kanarischen Wirtschaft. Groß, breit, bullig, stets nur mit einem Monokel im linken Auge und bekleidet mit einem schneeweißen Leinenanzug, verkörperte er die seltene Synthese des geborenen Aristokraten mit der Sicherheit eines zielbewußten Handelsherrn. Sein auf dem breiten Körper schmal wirkender Kopf mit der engsatteligen Nase, die dunkelbraunen, leicht angegrauten, stets kurz geschnittenen Haare, und vor allem die sehnigen, eine ungeheuere Energie ausstrahlenden Hände gaben ihm den Ruf eines Mannes, den nichts erschüttern könnte als der eigene Tod.

Und doch saß Baron v. Pottlach an diesem Tage starr und sprachlos hinter seinem Schreibtisch und merkte nicht, daß ihm das Monokel aus dem Auge geglitten war. Ungläubig, erschreckt fast, als sähe er eine übersinnliche Vision, glitt sein Blick an der Gestalt des vor ihm sitzenden Besuchers hinunter und wieder hinauf, ehe er mühsam die Worte wiederfand.

»Sind Sie es wirklich, Doktor Albez?« fragte er leise. »Soviel ich weiß ...«

Dr. Albez hob leicht die Hand. Ein verwundertes Lächeln machte einer fast maskenhaften Strenge Platz.

»Ich heiße Jose Biancodero, Herr Baron«, sagte er laut und fest. »Ich glaube, Ihnen früher auch nie einen anderen Namen genannt zu haben!«

Von Pottlach nickte. Er nahm sein Monokel auf und klemmte es ein.

»Wie Sie wünschen, Senor!« Seine Stimme klang wieder gleichförmig und höflich. »Ich dachte, es spricht sich leichter über die Dinge, die Sie bestimmt zu mir führen, wenn wir eben die Dinge beim richtigen Namen nennen und im vertrauten Kreise Ihre kleine Mimikry fallenließen.«

»Konsul Manolda hat Sie also eingeweiht?« fragte Dr. Albez erstaunt, »Selbstverständlich! Ich pflege nur mit solchen Partnern Geschäftsverbindungen aufzunehmen, die mich von ihrer absoluten Ehrlichkeit überzeugt haben. Das mag vielleicht eine Marotte sein, aber sie hat sich in mancher ausweglosen, verzweifelt erscheinenden Lage bestens bewährt.«

Dr. Albez sah zu Boden. Er hatte das unangenehme Gefühl, daß dieser Mann vor ihm mehr wußte und nun gewollt mit ihm Katze und Maus spielte, bis er eine Lücke entdeckte, die ihn zum Beherrscher der Situation werden ließ. Merkwürdig, dachte Dr. Albez, ich kann zu ihm als Geschäftsfreund freundlich sein, und mit Freundlichkeit treten wir uns gegenüber, aber schon die ersten Worte offenbaren eine innere Gegnerschaft. Äußerst merkwürdig ... und ich kenne ihn doch kaum ...