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„Und wo ist in diesem mechanischen Universum Raum für den freien Willen, die Selbstentscheidung, Charles?“

„Der ist nicht vorhanden. Deshalb sage ich ja auch, das ganze Universum stinkt.“

„Wir haben also nicht die geringste Freiheit?“

„Wir haben die Freiheit, ein wenig am Haken zu zappeln.“

„Haben Sie schon immer so gedacht?“

„Fast mein ganzes Leben lang“, sagte Boardman.

„Auch schon, als Sie in meinem Alter waren?“

„Schon viel früher.“

Rawlins wandte den Blick ab. „Ich halte Ihre Weltsicht für völlig falsch. Aber ich will nicht meinen Atem damit verschwenden, Sie vom Gegenteil zu überzeugen. Mir fehlen für so etwas die Argumente, mir mangelt es an den Worten. Und davon abgesehen, würden Sie mir sowieso nicht zuhören.“

„Ich fürchte, da muß ich Ihnen recht geben, Ned. Aber wir können über dieses Thema später immer noch diskutieren. Sagen wir, in etwa zwanzig Jahren, von jetzt an gerechnet. Einverstanden?“

Rawlins bemühte sich zu grinsen und sagte: „Klar doch. Wenn ich mir vorher nicht wegen der Schuldgefühle in dieser Sache das Leben genommen habe.“

„Das werden Sie schon nicht.“

„Wie soll ich noch weiterleben, wie noch in den Spiegel sehen können, nachdem ich Dick Muller aus seinem Schneckenhaus geködert habe?“

„Warten Sie’s ab. Sie werden später feststellen, daß Sie genau das Richtige getan haben. Oder zumindest das am wenigsten Falsche. Glauben Sie mir das, Ned. Im Moment mögen Sie vielleicht annehmen, Ihre Seele trage einen nicht wiedergutzumachenden Schaden davon. Aber dazu wird es gar nicht kommen.“

„Warten wir’s ab“, sagte Rawlins leise. Boardman wirkte noch aalglatter, wenn er diese Miene vom guten Onkel aufsetzte. Der Tod im Labyrinth war die einzige Möglichkeit, sagte sich Rawlins, eine Verstrickung in diesem moralischen Sumpf zu vermeiden. Aber kaum war ihm diese Idee gekommen, da verwarf er sie auch entsetzt wieder. Er starrte auf den Bildschirm. „Gehen wir hinein“, sagte er. „Ich bin des Wartens müde.“

Muller sah, wie sie immer näher kamen. Er konnte nicht verstehen, warum er das so gelassen aufnahm. Sicher, er hatte diesen Roboter zerstört, und danach hatten sie es unterlassen, weitere zu schicken. Aber seine Monitoranlage zeigte ihm, daß die Menschen in den äußeren Zonen kampierten. Ihre Gesichter konnte er nicht erkennen. Er konnte auch nicht ausmachen, was sie dort draußen trieben. Er zählte ein Dutzend; es mochten zwei mehr oder weniger sein. Einige hatten sich in Zone E niedergelassen. Eine etwas größere Gruppe in F. Muller hatte beobachten können, wie einige von ihnen in den äußeren Zonen ums Leben gekommen waren.

Er verfügte über Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Wenn er das wollte, konnte er Zone E mit dem Reservoir vom Aquädukt überfluten. Aus Versehen hatte er das schon einmal gemacht. Die Stadt hatte fast einen ganzen Tag benötigt, alles wieder sauberzumachen. Muller erinnerte sich, wie Zone E während der Überflutung abgeriegelt worden war. Wie sich überall Schotte hinabgelassen hatten, um das Wasser nicht zu verschwenden. Wenn die Eindringlinge nicht gleich in der Flutwelle ertranken, so würden sie sicher voller Panik in die Fallen laufen. Muller konnte auch andere Dinge tun, um sie davon abzuhalten, ins Zentrum der Stadt einzudringen.

Aber er tat nichts. Er wußte, daß der Grund für seine Passivität in seinem Verlangen lag, seine Jahre der Isolation zu durchbrechen. Sosehr Muller die Menschen auch haßte, sosehr er sie fürchtete, sosehr er die Aufhebung seiner Zurückgezogenheit scheute, er ließ es einfach zu, daß die Menschen sich zu ihm vorarbeiteten. Ein Treffen war nun unausweichlich. Sie wußten, er war hier. (Wußten sie auch, wer er war?) Sie würden ihn aufspüren, zu ihrem und zu seinem Leidwesen. Er würde erfahren, ob das lange Exil ihn von seinem Leiden befreit oder es zumindest gelindert hatte, damit er wieder mit Menschen zusammenkommen konnte. Aber Muller war sich der Antwort darauf ziemlich sicher.

Er hatte den Gutteil eines Jahres bei den Hydriern verbracht. Als er eines Tages festgestellt hatte, daß er nichts erreichen konnte, war er wieder in sein Beiboot gestiegen, in den Himmel geflogen und in das große Schiff im Orbit zurückgekehrt. Sollten die Hydrier so etwas wie Mythen haben, würde er vermutlich einen Platz darin einnehmen.

Fünf

Im Schiff bereitete Muller die Rückkehr zur Erde vor. Als er den Schiffscomputer von seiner Ankunft unterrichtete, sah er in der hochpolierten Metallplatte über dem Eingabeterminal sein Spiegelbild. Und es erschreckte ihn ein wenig. Bei den Hydriern gab es keine Spiegel. Muller entdeckte tiefe Furchen in seinem Gesicht, die ihn nicht sonderlich störten, und einen fremden Ausdruck in den Augen, was ihm erheblich mehr Sorgen machte. Meine Muskeln sind noch zu verkrampft, beruhigte er sich. Er beendete die Rückflugprogrammierung und ging dann in die medizinische Abteilung, wo er sich vierzig Einheiten eines nervenberuhigenden Mittels, ein heißes Bad und eine gründliche Massage verabreichen ließ. Als er das hinter sich hatte, wirkten seine Augen immer noch befremdlich. Darüber hinaus hatte sich im Gesicht ein Muskelzucken entwickelt. Letzteres ließ sich ohne großen Aufwand wieder beseitigen, aber bei den Augen war er machtlos.

Augen haben keinen Ausdruck, sagte er sich. Es sind nur die Lider, die ihnen einen Ausdruck verleihen. Und meine Lider sind einfach gestreßt, weil ich so lange in diesem Schutzanzug gewesen bin. Das wird sich schon wieder geben. Es waren ein paar harte Monate, aber jetzt ist alles wieder gut.

Das Schiff saugte vom nächsten Spenderstern Energie auf. Sein Antrieb wirbelte an den Achsen des Warpraums entlang, und Muller, der sich in seiner Schutzkammer aus Metall und Plastik befand, wurde aus dem Normaluniversum hinaus in den Zwischenraum befördert, um die kürzere Route zu durchfliegen. Aber selbst im Warpraum kommt es zu einem Verlust der absoluten Zeit, wenn das Schiff das normale Kontinuum verläßt und wieder in es eintaucht. Muller wußte sich die Zeit zu vertreiben: Er las, schlief viel, hörte sich Musikbänder an oder spielte einen Mädchenwürfel ab, wenn das Verlangen in ihm zu stark geworden war. Er redete sich ein, daß die Steifheit sich bereits aus seinen Zügen verliere, er aber wohl doch eine leichte Verjüngungsbehandlung benötigte, wenn er auf die Erde zurückgekehrt war. Dieser Auftrag hatte ihn um einige Jahre altern lassen.