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»Natürlich, Inspektor. Behauptet jemand das Gegenteil?« 

Das Mädchen wurde immer unruhiger, aber als Queen auf ihre zitternden Finger schaute, hielt sie sie wieder ruhig. 

»Oh, Madge, hör auf damit«, platzte der Pfarrer plötzlich heraus. »Mach’s nicht schlimmer, als es schon ist. Er wird früher oder später eh rausfinden, daß wir uns getroffen haben, und dann hat er was gegen dich in der Hand. Du kennst diesen Vogel nicht. Nur raus damit, Madge!« 

»So!« sagte der Inspektor und blickte gutgelaunt zuerst auf den Gangster und dann auf das Mädchen. »Pfarrer, mit fortschreitendem Alter wirst du noch richtig vernünftig. Hab’ ich das richtig gehört, daß ihr zwei euch getroffen habt? Wann, warum und für wie lange?« 

Madge O’Connells Gesicht war abwechselnd rot und weiß geworden. Sie bedachte ihren Liebhaber mit einem vernichtenden Blick und wandte sich dann wieder Queen zu. »Anscheinend kann ich es genauso gut ausplaudern«, sagte sie angewidert, »wo dieser Schwachkopf es schon hat durchblicken lassen. Das ist jetzt alles, was ich weiß, Inspektor – und wehe Ihnen, wenn Sie das diesem Bastard von Manager erzählen!« Queen zog die Brauen nach oben, unterbrach sie jedoch nicht. »Ich habe eine Freikarte für Johnny besorgt, das stimmt«, fuhr sie trotzig fort, »weil – nun, Johnny mag solche Räuberpistolen, und das war sein freier Abend. Also hab’ ich ihm die Freikarte besorgt. Sie war für zwei Personen – das sind alle Freikarten –, so daß der Platz neben Johnny die ganze Zeit über frei blieb. Es war ein Eckplatz auf der linken Seite, das Beste, was ich für diesen vorlauten Knirps bekommen konnte! Während des ersten Aktes war ich zu beschäftigt, um mich neben ihn zu setzen. Aber nach der ersten Pause, als der Vorhang zum zweiten Akt aufging, flaute der Betrieb ab, und das gab mir Gelegenheit, mich zu ihm zu setzen. Gut, ich gebe es ja zu – ich habe fast den ganzen Akt über neben ihm gesessen! Warum auch nicht – kann ich mir nicht auch ab und zu eine Pause gönnen?« 

»Ich verstehe.« Queens Brauen senkten sich wieder. »Sie hätten mir eine Menge Zeit und Ärger erspart, junge Frau, wenn Sie mir das direkt erzählt hätten. Sind Sie während des ganzen zweiten Aktes nicht aufgestanden?« 

»Doch, ich glaube, sogar einige Male«, sagte sie vorsichtig. 

»Aber da alles in Ordnung und der Manager nicht in Nähe war, ging ich wieder zurück.« 

»Haben Sie diesen Field bemerkt, als Sie vorbeigingen?«

»Nein – nein, Sir.« 

»Haben Sie bemerkt, ob jemand neben ihm saß?«

»Nein, Sir. Ich wußte ja nicht einmal, daß er im Theater war. Ich hab’ wahrscheinlich einfach nicht in seine Richtung geguckt.«

 »Dann gehe ich auch davon aus«, fuhr Queen kühl fort, »daß Sie sich nicht daran erinnern, jemanden während des zweiten Aktes in die letzte Reihe, direkt neben den Eckplatz geführt zu haben?« 

»Nein, Sir … Oh, ich weiß, ich hätte das nicht machen sollen, wahrscheinlich, aber ich habe den ganzen Abend über nichts Außergewöhnliches bemerkt.« Sie wurde bei jeder Frage nervöser. Sie blickte verstohlen zum Pfarrer herüber, der aber immer noch auf den Boden stierte. 

»Sie waren eine große Hilfe, junge Frau«, sagte Queen, während er sich plötzlich erhob. »Und jetzt raus mit Ihnen!« Als sie sich zur Tür wandte, schlich der Gangster mit unschuldigem Blick durch das Zimmer, um ihr zu folgen.

Queen gab dem Polizisten ein Zeichen. Der Pfarrer fand sich mit einem Satz wieder in seine Ausgangsposition befördert. »Nicht so hastig, Johnny«, sagte Queen eisig. »O’Connell!« 

Das Mädchen drehte sich um und versuchte, einen unbeteiligten Eindruck zu erwecken. »Im Augenblick werde ich Mr. Panzer noch nicht davon unterrichten. Aber ich rate Ihnen, aufzupassen, was Sie tun, und sich im Umgang mit Höhergestellten zurückzuhalten. Gehen Sie jetzt, und wenn Ihnen noch ein Schnitzer passiert, dann gnade Ihnen Gott!« Sie fing an zu lachen, war einen Augenblick unschlüssig und lief dann aus dem Zimmer. 

Queen wandte sich rasch an den Polizisten. »Legen Sie ihm die Handschellen an, Officer«, befahl er kurz, indem er mit einem Finger auf den Gangster wies, »und bringen Sie ihn zur Wache!«

Der Polizist salutierte. Man sah das Aufblitzen von Stahl, hörte ein schnappendes Geräusch, und der Pfarrer starrte verblüfft auf die Handschellen an seinen Gelenken. Bevor er noch den Mund aufmachen konnte, hatte man ihn schon aus dem Büro befördert. 

Queen machte eine verächtliche Handbewegung, ließ sich in den Ledersessel fallen, nahm eine Prise Schnupftabak und sagte in einem völlig anderen Tonfall zu Johnson: »Johnson, mein Junge, ich möchte, daß Sie Mr. Morgan hereinbitten.«

Benjamin Morgan betrat Queens augenblickliches Heiligtum mit festem Schritt, der jedoch eine gewisse Erregung nicht vollständig verbergen konnte. Er sagte mit heiterer und kräftiger Baritonstimme: »Nun, Sir, da bin ich« und ließ sich in einen der Sessel fallen, wie ein Mann, der es sich nach einem harten Tag in seinem Club bequem macht. Queen ließ sich nicht darauf ein. Er bedachte Morgan mit einem langen ernsten Blick, der den fülligen, grauhaarigen Mann unruhig hin- und herrutschen ließ.

»Ich heiße Queen, Mr. Morgan«, sagte er freundlich. »Inspektor Richard Queen.« 

»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Morgan, während er aufstand, um die ihm dargebotene Hand zu schütteln. »Ich glaube, Sie wissen, wer ich bin, Inspektor. Sie haben mich Vorjahren mehr als einmal im Gericht beobachten können. Da gab es einen Fall – erinnern Sie sich daran? – Ich verteidigte Mary Doolittle, als sie wegen Mordes angeklagt war …«

»Genau, ja!« rief der Inspektor erfreut. »Ich habe mich schon gefragt, woher ich Sie kenne. Sie haben sie auch frei bekommen, wenn ich mich recht entsinne. Das war ein schönes Stück Arbeit, Morgan – sehr, sehr gut. Sie sind das also! Gut, gut!«

Morgan lachte. »Ich war damals nicht schlecht«, gab er zu. »Aber ich fürchte, die Zeiten sind längst vorbei, Inspektor. Wissen Sie – ich arbeite nicht mehr als Strafverteidiger.«

»Nein?« Queen nahm eine Prise Tabak. »Das wußte ich nicht. Irgend etwas« – er mußte niesen – »irgend etwas schiefgelaufen?« fragte er mitfühlend.

Morgan gab keine Antwort. Nach einem Augenblick des Nachdenkens schlug er die Beine übereinander und sagte: »Einiges ist schiefgelaufen. Stört es Sie, wenn ich rauche?« fragte er plötzlich. Auf Queens Zustimmung hin zündete er sich eine dicke Zigarre an, deren Rauch ihn nach und nach einhüllte.

Für eine Weile sprach keiner der beiden Männer. Morgan schien genau zu spüren, daß er scharf beobachtet wurde, da er seine Beine immer wieder nervös übereinanderschlug und Queens Blick mied. Der alte Mann machte einen gedankenverlorenen Eindruck, sein Kopf war auf seine Brust gesunken.

Die Stille wurde immer spannungsgeladener und gleichzeitig peinlich. Im Zimmer war kein Geräusch zu hören, außer dem Ticken einer Standuhr, die in einer Ecke stand. Von irgendwo im Theater war plötzlich der Lärm von Stimmen zu hören, die nach Entrüstung und Ärger klangen. Dann waren auch diese wieder wie abgeschnitten.

»Kommen Sie schon, Inspektor …« Morgan hustete. Er war in den dicken, aufsteigenden Rauch seiner Zigarre gehüllt, und seine Stimme war rauh und angespannt. »Was ist das hier – eine ganz besonders raffinierte Foltermethode?«

Queen sah überrascht auf. »Eh? Entschuldigung, Mr. Morgan. Ich hab’ wohl ein wenig geträumt. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders. Mein Gott, ich werde wohl doch allmählich alt.«