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Michaels drehte sich mit seinem höflich ausdruckslosen Gesicht herum, als ihn jemand am Arm faßte. Er fand sich Ellery gegenüber. »Ja, Sir?« fragte er respektvoll.

»Michaels, mein Guter«, sagte Ellery streng, »ich hasse es eigentlich, alte Geschichten wieder aufzuwärmen, aber warum haben Sie dem Inspektor nichts über Ihren Aufenthalt im Gefängnis erzählt?«

Als hätte er damit einen Lebensnerv getroffen, wurde Michaels’ Körper steif und bewegungslos. Die Farbe wich aus seinem Gesicht. Seine Selbstsicherheit war wie weggewischt, und er starrte mit offenem Mund in Ellerys lächelndes Gesicht.

»Aber – aber, wie haben Sie das herausgefunden?« stammelte der Diener; seine Redeweise war nun sehr viel weniger höflich und geschliffen. Queen bedachte seinen Sohn mit einem beifälligen Blick. Piggott und Johnson rückten näher auf den zitternden Mann zu.

Ellery zündete sich eine Zigarette an. »Ich wußte es eigentlich gar nicht«, sagte er gutgelaunt. »Das heißt, bis Sie es mir erzählt haben. Es würde sich für Sie lohnen, das Orakel von Delphi wiederzubeleben, Michaels.«

Michaels’ Gesicht war grau wie Asche. Er drehte sich schwankend zu Queen um. »Sie – Sie haben mich nicht danach gefragt«, sagte er schwach. Trotz allem war seine Stimme schon wieder gefaßt und ausdruckslos. »Außerdem erzählt man nun einmal solche Dinge nicht gerne der Polizei …«

»Wo haben Sie Ihre Zeit abgesessen, Michaels?« fragte der Inspektor freundlich.

»Elmira-Gefängnis, Sir«, murmelte Michaels. »Es war meine erste Straftat – ich saß in der Klemme, hatte Hunger und stahl mir etwas Geld … Ich habe nur eine kurze Zeit gesessen, Sir.«

Queen stand auf. »Nun, Michaels, Sie werden verstehen, daß Sie sich nicht ganz uneingeschränkt bewegen können. Sie können nach Hause gehen und sich um einen anderen Job kümmern, aber bleiben Sie in Ihrer augenblicklichen Unterkunft, und halten Sie sich jederzeit zur Verfügung … Einen Moment noch, bevor Sie gehen.« Er ging zu dem schwarzen Koffer herüber und öffnete ihn. Ein unordentlicher Haufen von Kleidungsstücken – ein dunkler Anzug, Hemden, Krawatten, Socken, einige sauber, einige schmutzig – kam zum Vorschein. Queen durchstöberte rasch die Tasche, verschloß sie wieder und reichte sie Michaels, der bekümmert neben ihm stand.

»Sie nehmen aber ganz schön wenig Klamotten mit, Michaels«, bemerkte Queen lächelnd. »Zu schade, daß Sie nun um Ihren Urlaub gebracht worden sind. Nun! So spielt das Leben!« Michaels brummte ein leises »Auf Wiedersehn«, packte seine Tasche und ging. Wenige Augenblicke später verließ auch Piggott die Wohnung.

Ellery warf den Kopf zurück und lachte fröhlich. »Was für ein gesitteter Halunke! Lügt wie gedruckt, Vater … Und was, meinst du, wollte er hier?«

»Er kam natürlich her, um irgend etwas zu holen«, grübelte der Inspektor. »Das bedeutet, daß hier etwas Wichtiges versteckt ist, das wir anscheinend übersehen haben …«

Er wurde nachdenklich. Das Telefon klingelte.

»Inspektor?« dröhnte Sergeant Velie aus dem Apparat. »Ich habe im Präsidium angerufen, aber da waren Sie nicht, da habe ich angenommen, daß Sie noch in Fields Wohnung sind … Ich habe interessante Neuigkeiten für Sie von Browne Bros. Wollen Sie, daß ich zu Ihnen komme?«

»Nein«, antwortete Queen. »Wir sind hier fertig. Ich werde zu meinem Büro fahren, sobald ich Fields Büro auf der Chambers Street einen Besuch abgestattet habe. Sollte in der Zwischenzeit irgend etwas Wichtiges sein, bin ich dort zu erreichen. Wo bist du jetzt?«

»Fifth Avenue – ich stehe direkt vor Browne’s.«

»Dann geh zurück zum Präsidium und warte auf mich. Und, Thomas – schicke sofort einen Polizisten her.«

Queen hängte auf und wandte sich an Johnson.

»Bleiben Sie hier, bis ein Polizist kommt – es wird nicht lange dauern«, ordnete er an. »Lassen Sie ihn die Wohnung bewachen, und sorgen Sie für Ablösung. Dann melden Sie sich im Präsidium. … Komm, Ellery! Wir haben noch einen harten Tag vor uns!«

Ellery versuchte vergeblich, etwas einzuwenden. Sein Vater schob ihn geschäftig aus dem Gebäude auf die Straße, wo seine Stimme vom Getöse eines Auspuffs wirkungsvoll übertönte wurde.

Zehntes Kapitel

in welchem Mr. Fields Zylinderhüte Gestalt annehmen

Genau um zehn Uhr morgens öffneten Inspektor Queen und sein Sohn die Milchglastür mit der Aufschrift:

Monte Field Rechtsanwalt

Das große Wartezimmer war mit dem guten Geschmack eingerichtet, der sich schon an Mr. Fields Wahl seiner Kleidung gezeigt hatte.

Es war niemand da; ein wenig erstaunt schob sich Inspektor Queen – Ellery spazierte hinter ihm her – durch die Tür und ging weiter ins Hauptbüro, einem langgezogenen Raum voller Schreibtische. Bis auf die mit gewichtigen Gesetzessammlungen gefüllten Bücherregale ähnelte er dem Redaktionsraum einer Zeitung.

Im Büro herrschte ein ziemlicher Aufstand. Aufgeregt schwatzend standen die Stenographinnen in kleinen Grüppchen herum. Einige männliche Büroangestellte flüsterten in einer Ecke; und in der Mitte des Raumes stand Detective Hesse und sprach in ernstem Ton mit einem hageren, finster blickenden Mann mit grauen Schläfen. Offensichtlich hatte der Tod des Rechtsanwalts in seinem Betrieb für einige Aufregung gesorgt.

Beim Eintreten der beiden Queens schauten sich die Angestellten erschrocken an und eilten dann an ihre Schreibtische zurück. Es folgte ein betretenes Schweigen. Hesse kam herbeigestürzt. Seine Augen waren rot und blutunterlaufen.

»Guten Morgen, Hesse«, sagte der Inspektor kurz angebunden. »Wo ist Fields Privatbüro?«

Der Detective führte sie quer durch den Raum zu einer Tür mit der Aufschrift ›Privat‹. Die drei betraten ein kleines, überaus luxuriös eingerichtetes Büro.

»Der Bursche legte wohl Wert auf die passende Umgebung«, sagte Ellery schmunzelnd und ließ sich in einen Ledersessel fallen.

»Erzählen Sie, Hesse«, sagte der Inspektor und folgte Ellerys Beispiel.

Zügig erstattete Hesse Bericht. »Kam letzte Nacht hier an und fand die Tür verschlossen. Drinnen war kein Licht zu erkennen. Ich lauschte auch sehr genau, konnte aber nichts hören und ging deshalb davon aus, daß niemand hier drinnen war; die Nacht über hab’ ich also im Flur draußen mein Lager aufgeschlagen. Ungefähr um Viertel vor neun heute morgen kam der Bürovorsteher hereingefegt. Ich griff ihn mir. Es ist diese hagere Gestalt, mit der ich gerade sprach, als Sie hereinkamen. Heißt Lewin – Oscar Lewin.«

»Bürovorsteher, ja?« bemerkte der alte Mann und schnupfte eine Prise.

»Ja, Chef. Entweder ist er schwer von Begriff, oder er weiß den Mund zu halten«, fuhr Hesse fort. »Natürlich hatte er schon die Morgenzeitungen gesehen und war völlig bestürzt über die Nachricht von Fields Ermordung. Andererseits merkte man ihm aber auch an, daß er meine Fragen nicht allzu sehr mochte … Ich habe nichts aus ihm herausbekommen. Absolut nichts. Er sagte, daß er gestern abend geradewegs nach Hause gegangen wäre – Field hatte anscheinend bereits um vier Uhr das Büro verlassen und ist auch nicht mehr zurückgekehrt – und daß er nichts von dem Mord gewußt hätte, bis er davon in den Zeitungen las. So haben wir also den Morgen damit verbracht, auf Sie zu warten.«

»Holen Sie mir Lewin.«