»Erpressung!« rief Ellery aus.
»Ja, Erpressung!« gab Morgan verbittert zurück. »Genau das. Er malte mir sehr genau aus, was passieren würde, wenn die Geschichte herauskäme. Oh, Field war ein gerissener Halunke! Ich sah meine gesamte gesellschaftliche Stellung, die ich mir aufgebaut hatte – die Frucht jahrelanger Mühe – mit einem Mal zerstört. Meine Frau, ihre Familie, meine eigene Familie und mehr noch als das, die Kreise, in denen wir verkehrten – ich hätte bis zum Hals im Dreck gesteckt. Und was das Geschäft betrifft – nun, es braucht nicht viel, damit die wichtigen Klienten zu anderen Anwälten abwandern. Ich saß in der Falle – ich wußte es, und er wußte es.«
»Und wieviel hat er verlangt, Morgan?« fragte Queen.
»Genug! Er wollte fünfundzwanzigtausend Dollar – nur für sein Schweigen. Ich hatte keinerlei Sicherheit, daß die Angelegenheit damit erledigt sein würde. Ich saß in der Klemme – und zwar gründlich. Denn, vergegenwärtigen Sie sich das – das ist keine Sache, die seit Jahren erledigt ist. Ich unterstützte die arme Frau und meinen Sohn. Ich tue das auch heute noch. Ich werde das immer tun.« Er starrte auf seine Fingernägel.
»Ich bezahlte das Geld«, fuhr er trübsinnig fort. »Ich mußte mich etwas einschränken, aber ich bezahlte. Aber der Schaden war nun einmal angerichtet. Ich sah damals rot im Club und – aber Sie wissen ja, was dann passiert ist.«
»Und er erpreßte Sie die ganze Zeit über weiter, Morgan?« fragte der Inspektor.
»Ja, Sir – runde zwei Jahre. Der Mann war unersättlich, das sage ich Ihnen! Ich kann es heute noch nicht begreifen. Er muß enorme Honorare als Anwalt kassiert haben, und trotzdem schien er immer Geld zu brauchen. Und keineswegs Kleingeld
– ich habe ihm nie weniger als zehntausend Dollar auf einmal bezahlt!«
Queen und Ellery warfen sich einen kurzen Blick zu. Queen sagte: »Nun, Morgan, das ist ja eine ganz schöne Bescherung. Je mehr ich über Field höre, desto weniger habe ich Lust, dem Burschen, der ihn erledigt hat, die Handschellen anzulegen. Dennoch – nach allem, was Sie mir erzählt haben, ist Ihre Aussage von gestern abend, daß Sie Field seit zwei Jahren nicht gesehen hätten, offenkundig falsch. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
Morgan schien Schwierigkeiten zu haben, sich zu erinnern. »Oh, das war ungefähr vor zwei Monaten, Inspektor«, sagte er schließlich.
Der Inspektor rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Ich verstehe … Es ist schade, daß Sie mir das nicht gestern abend erzählt haben. Sie können selbstverständlich davon ausgehen, daß Ihre Geschichte bei der Polizei absolut sicher aufgehoben ist. Und es ist eine sehr wichtige Information. Aber nebenbei – kennen Sie zufällig eine Frau namens Angela Russo?«
Morgan überlegte einen Moment. »Nun – nein, Inspektor. Ich kenne sie nicht.«
Queen schwieg für einen Augenblick. »Kennen Sie einen Herrn namens ›Pfarrer‹ Johnny?«
»Darüber kann ich Ihnen, glaube ich, einiges erzählen, Inspektor. Ich bin mir sicher, daß Field während unserer Partnerschaft diesen kleinen Betrüger für einige seiner obskuren Geschäfte benutzt hat. Ich schnappte ihn einige Male, wie er sich nach Geschäftsschluß ins Büro einschlich, und als ich Field über ihn befragte, grinste er nur höhnisch und sagte: ›Oh, das ist nur Pfarrer Johnny, ein Freund von mir!‹ Aber das genügte schon, um über den Mann Bescheid zu wissen. Was genau die Beziehung zwischen den beiden war, kann ich Ihnen nicht erzählen, weil ich es nicht weiß.«
»Danke, Morgan«, sagte der Inspektor. »Ich bin froh, daß Sie mir das erzählt haben. Und nun – noch eine letzte Frage. Haben Sie jemals den Namen Charles Michaels gehört?«
»Sicher habe ich das«, antwortete Morgan grimmig. »Michaels war Fields sogenannter Diener – er benahm sich wie ein Leibwächter und war in Wirklichkeit eher ein Schuft, wenn mich meine Menschenkenntnis nicht ganz täuscht. Er kam ab und an ins Büro. Sonst kann ich mich an nichts erinnern, Inspektor.«
»Er kennt Sie natürlich?« fragte Queen.
»Nun, ich denke schon«, gab Morgan zögernd zurück. »Ich habe nie mit ihm gesprochen, aber er hat mich ohne Zweifel bei seinen Besuchen im Büro gesehen.«
»Nun, es ist in Ordnung, Morgan«, brummte Queen, während er sich erhob. »Das war eine äußerst interessante und informative Unterhaltung. Und – nein, ich glaube nicht, daß es noch etwas gibt. Jedenfalls im Augenblick nicht. Gehen Sie ganz normal Ihren Geschäften nach, Morgan, und bleiben Sie in der Stadt – halten Sie sich zur Verfügung, falls wir Sie noch brauchen. Vergessen Sie das nicht, ja?«
»Das werde ich schon nicht vergessen«, sagte Morgan dumpf. »Und – die Geschichte, die ich Ihnen erzählt habe – über meinen Sohn – das wird unter uns bleiben?«
»Da haben Sie überhaupt nichts zu befürchten, Morgan«, sagte Queen, und wenige Augenblicke später befanden sich Ellery und er auf der Straße.
»Es ging also um Erpressung, Vater«, murmelte Ellery. »Das bringt mich auf eine Idee, weißt du?«
»Nun, mein Sohn, ich habe da selbst so meine Ideen!« kicherte Queen, und in telepathischem Schweigen gingen sie forschen Schrittes die Straße in Richtung Präsidium hinunter.
Zwölftes Kapitel
in welchem die Queens die feine Gesellschaft unsicher machen
Am Mittwochmorgen servierte Djuna einem gedankenverlorenen Inspektor und einem schwatzenden Ellery den Kaffee. Das Telefon läutete. Beide, Ellery und sein Vater, sprangen auf.
»Halt! Was machst du?« rief der Inspektor. »Es ist für mich; ich erwarte einen Anruf.«
»Aber, aber, mein Herr! Du wirst doch wohl einem Bücherliebhaber nicht verwehren, sein eigenes Telefon zu benutzen«, erwiderte Ellery. »Ich hab’ so das Gefühl, daß das mein werter Buchhändler ist, der mich wegen der seltenen Falconer-Ausgabe anruft.«
»Schau, Ellery, fang jetzt nicht an …« Während sie sich noch gutmütig über den Tisch hinweg gegenseitig aufzogen, nahm Djuna den Hörer ab.
»Den Inspektor – den Inspektor, sagten Sie? Inspektor …« sagte Djuna und hielt grinsend den Telefonhörer gegen seine schmale Brust, »es ist für Sie.«
Ellery ließ sich auf seinen Stuhl sinken, während Queen mit triumphierender Miene nach dem Apparat griff. »Ja?«
»Hier ist Stoates aus Fields Büro«, erklang munter eine jungenhafte Stimme. »Ich möchte Sie mit Mr. Cronin verbinden.«
Erwartungsvoll legte sich des Inspektors Stirn in Falten. Ellery lauschte aufmerksam, und sogar Djuna, in dessen kantigem Gesicht sich die Aufmerksamkeit eines Schimpansen zeigte, blieb wie angewurzelt in seiner Ecke stehen, so als würde auch er eine wichtige Nachricht erwarten. In dieser Hinsicht ähnelte er sehr seinen Verwandten im Tierreich – in seinem Gesichtsausdruck und in seiner Haltung war etwas Flinkes, eine aufgeweckte Neugierde, die die Queens immer wieder entzückte.