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Frances lächelte nett. »Es sei Ihnen vergeben, Inspektor«, sagte sie leise und deutlich. »Ich bin an meinem törichten Verhalten selbst schuld. Ich bin bereit, alle Fragen, die Ihnen von Bedeutung erscheinen, zu beantworten.«

»Noch einen kleinen Moment, meine Liebe.« Der Inspektor wechselte ein wenig seine Position, um den Rest der schweigenden Gesellschaft in seine nächste Bemerkung mit einzubeziehen. »Auf eine Sache möchte ich noch hinweisen, meine Damen und Herren«, sagte er ernst. »Wir haben uns hier versammelt, um herauszufinden, warum Miss Ives-Popes Handtasche in der Tasche des Toten gefunden wurde und warum sie offensichtlich nicht in der Lage war, diesen Umstand zu erklären. Ob wir nun damit heute morgen Erfolg haben werden oder nicht – auf jeden Fall muß ich Sie bitten, über alles, was hier gesprochen wird, strengstes Stillschweigen zu wahren. Wie Staatsanwalt Sampson weiß, pflege ich im allgemeinen meine Untersuchungen nicht vor einem breiten Publikum zu führen. Ich mache diese Ausnahme, weil ich glaube, daß Sie alle sehr besorgt um die unglückliche junge Dame sind, die in dieses Verbrechen hineingezogen worden ist. Jedoch dürfen Sie keine Rücksicht von meiner Seite erwarten, wenn auch nur ein Wort der heutigen Unterhaltung nach außen dringt. Ich glaube, wir haben uns verstanden.«

»Ich muß schon sagen, Inspektor«, protestierte der junge Ives-Pope, »sind das nicht ein wenig zu starke Geschütze? Wir kennen die Geschichte doch alle schon.«

»Vielleicht, Mr. Ives-Pope, ist das der Grund, warum ich der Anwesenheit aller hier zugestimmt habe«, erwiderte der Inspektor mit einem grimmigen Lächeln.

Ein leises Rascheln war zu hören, und Mrs. Ives-Pope öffnete den Mund, so als wollte sie mit einer wütenden Äußerung herausplatzen. Auf einen strengen Blick ihres Mannes hin schloß sie den Mund wieder, ohne den Protest hervorgebracht zu haben. Sie richtete nun ihren Blick auf die Schauspielerin an Frances’ Seite. Eve Ellis wurde rot. Wie ein Vorstehhund stand die Krankenschwester mit dem Riechsalz neben Mrs. Ives-Pope.

»Also, Miss Frances«, fuhr Queen freundlich fort, »die Sache sieht folgendermaßen aus. Ich untersuche die Leiche eines Mannes namens Monte Field, ein bekannter Rechtsanwalt, der anscheinend an einem interessanten Stück Gefallen fand, ehe er so respektlos ins Jenseits befördert wurde, und finde in der Hintertasche seines Fracks ein Täschchen. Anhand einiger Visitenkarten und einiger persönlicher Papiere identifiziere ich es als Ihre Tasche. Ich sage zu mir selbst: ›Aha! Eine Dame kommt ins Spiel‹ – ist ja nur zu verständlich. Durch einen meiner Männer lasse ich Sie herbeiholen, um Ihnen die Gelegenheit zu bieten, einen äußerst verdächtigen Umstand aufzuklären. Sie kommen – und fallen in Ohnmacht, als man Sie mit Ihrem Eigentum und der Angabe darüber, wo man es aufgefunden hat, konfrontiert. Nun sage ich mir: ›Diese junge Dame weiß etwas‹ – eine nicht unverständliche Schlußfolgerung. Also, wie können Sie mich nun davon überzeugen, daß Sie von nichts wissen und daß Ihre Ohnmacht allein durch die Umstände hervorgerufen wurde? Und halten Sie sich stets vor Augen, Miss Frances – ich behandele die Angelegenheit nicht als der Privatmann Richard Queen, sondern als ganz einfacher Polizist, der die Wahrheit herausfinden will.«

»Meine Geschichte ist vielleicht nicht so aufschlußreich, wie Sie es erwarten mögen, Inspektor«, erklang ruhig Frances’ Antwort in die Stille hinein, die auf den Vortrag Queens folgte. »Mir ist nicht klar, wie sie überhaupt für Sie von Nutzen sein kann. Aber einige Dinge, die mir unwichtig erscheinen, können vielleicht für Ihren geübten Verstand von Bedeutung sein … Also, hier in kurzen Worten meine Geschichte.

Daß ich am Montag abend ins Römische Theater kam, war nicht ungewöhnlich. Seit meiner Verlobung mit Mr. Barry, und obwohl das mehr oder weniger im Geheimen geschah« – Mrs. Ives-Pope schnaufte; ihr Gatte starrte unverwandt auf einen Punkt über dem dunklen Haar seiner Tochter – »kam ich öfters im Theater vorbei, um, wie wir es uns zur Gewohnheit gemacht hatten, meinen Verlobten nach der Vorstellung zu treffen. Bei diesen Gelegenheiten pflegte er mich entweder nach Hause zu begleiten oder irgendwo in der näheren Umgebung zum Essen auszuführen. In der Regel verabreden wir uns, bevor ich ins Theater komme; aber manchmal, wenn sich die Gelegenheit ergibt, komme ich einfach unerwartet vorbei. So war es auch Montag abend …

Ich kam ein paar Minuten vor dem Ende des ersten Akts ins Theater, denn ich habe das Stück natürlich schon häufig gesehen. Ich hatte meinen üblichen Platz – das hatte Mr. Barry schon vor vielen Wochen über Mr. Panzer für mich regeln lassen – und hatte mich gerade erst hingesetzt, um der Vorstellung zuzuschauen, als auch schon der Vorhang zur ersten Pause fiel. Mir war ein wenig warm; die Luft war nicht gerade gut … Ich ging zunächst vom Foyer die Treppe hinunter zum Damenwaschraum. Danach kam ich wieder hoch und ging durch die geöffnete Tür hinaus in den Seitengang. Eine ganze Menge Leute waren da, um Luft zu schnappen.«

Sie hielt einen Augenblick inne; Ellery, der gegen den Bücherschrank gelehnt stand, beobachtete genau die Gesichter der kleinen Zuhörerschaft. Wie ein Ungetüm blickte Mrs. IvesPope umher; Ives-Pope starrte immer noch über Frances’ Kopf hinweg auf die Wand; Stanford kaute an seinen Nägeln; Peale und Barry betrachteten beide Frances voll nervöser Anteilnahme und schauten heimlich zu Queen hinüber, so als wollten sie die Wirkung ihrer Worte auf ihn ablesen; Eve Ellis hatte ihre Hand nach vorne geschoben und hielt Frances’ Hand fest umfaßt.

Der Inspektor räusperte sich erneut.

»Welcher Seitengang war das, Miss Frances – der auf der linken oder der auf der rechten Seite?« fragte er.

»Der auf der linken, Inspektor«, antwortete sie ohne Zögern. »Wie Sie wissen, saß ich auf Platz M8 Links und deshalb, so nehme ich an, war es für mich selbstverständlich, auf dieser Seite auf den Gang hinauszugehen.«

»Sicher«, sagte Queen lächelnd. »Fahren Sie bitte fort.«

»Ich trat also hinaus in den Seitengang«, fuhr sie weniger nervös fort, »und da ich niemanden sah, den ich kannte, stand ich nahe der Backsteinmauer des Theaters, ein wenig hinter der geöffneten Eisentür. Die frische Nachtluft nach dem Regen war herrlich. Ich war kaum zwei Minuten dort, als ich auf einmal merkte, wie mich jemand leicht berührte. Ich trat etwas zur Seite, weil ich dachte, die Person wäre zufällig gegen mich gestoßen. Aber als er – es war ein Mann – es wieder tat, bekam ich es ein wenig mit der Angst zu tun und wollte weggehen. Er

– er packte mein Handgelenk und zog mich zurück. Wir standen halb hinter der Eisentür verborgen, die nicht ganz aufgestoßen worden war, und ich bezweifle, daß sonst jemand etwas davon bemerkt hat.«

»Tja – tjaja«, murmelte der Inspektor teilnahmsvoll. »Es scheint für einen völlig Unbekannten doch recht ungewöhnlich, so etwas in der Öffentlichkeit zu tun.«

»Es schien so, als wollte er mich küssen, Inspektor. Er beugte sich vor und flüsterte ›Guten Abend, Süße!‹, und ich – nun ich zog daraus diesen Schluß. Ich wich ein wenig zurück und sagte so ruhig wie möglich: ›Lassen Sie mich bitte gehen, oder ich werde um Hilfe rufen.‹ Daraufhin lachte er nur und kam noch näher heran. Er stank unerträglich nach Whisky. Mir wurde übel.«

Sie hielt inne. Beruhigend tätschelte Eve Ellis ihre Hand. Peale stieß Barry nachdrücklich in die Rippen, als dieser sich unter leichtem Protest schon halb erhoben hatte. »Miss Frances, ich werde Ihnen nun eine etwas merkwürdige Frage stellen – sie wird Ihnen fast lächerlich vorkommen«, sagte der Inspektor und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Roch sein Atem für Sie nach gutem oder nach schlechtem Whisky? … Sehen Sie! Ich wußte, daß Sie lächeln würden.« Die ganze Gesellschaft kicherte über den schrulligen Ausdruck in Queens Gesicht.