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Velie gab den Befehl weiter an zwei Männer in Zivil, die mit dem Inspektor das Theater betreten hatten. Sie bahnten sich den Weg zum hinteren Ende des Raumes; die Leute, die herumgestanden hatten, wurden beiseite geschoben. Polizisten unterstützten die beiden Detectives. Die Schauspieler mußten sich ein wenig zurückziehen. Ein Abschnitt hinter den mittleren Sitzreihen wurde mit Seilen abgesperrt; etwa fünfzig Männer und Frauen wurden dort hineingeschoben. Männer gingen ruhig umher und wiesen sie an, ihre Eintrittskarten vorzuzeigen und dann einer nach dem anderen zu ihren Sitzplätzen zurückzukehren. Nach fünf Minuten stand niemand aus dem Publikum mehr. Die Schauspieler wurden aufgefordert, zunächst innerhalb der Absperrung zu bleiben.

Inspektor Queen, der sich nun im äußersten linken Gang befand, griff in seine Manteltasche, zog vorsichtig eine braune geschnitzte Schnupftabakdose hervor und nahm mit offensichtlichem Genuß eine Prise.

»So ist es schon besser, Thomas«, sagte er vergnügt. »Du weißt, wie mich dieser Lärm aufregt … Hast du eine Ahnung, wer der arme Teufel da auf dem Boden ist?«

Velie schüttelte den Kopf. »Ich hab’ ihn noch nicht einmal angefaßt, Inspektor«, sagte er. »Ich bin erst wenige Minuten vor Ihnen hier angekommen. Jemand aus dem Revier in der 47. Straße rief mich an und berichtete von Doyles Alarmpfiffen. Doyle hat anscheinend die Sache in die Hand genommen. Sein Lieutenant war voll des Lobes.«

»Ach ja«, sagte der Inspektor. »Doyle. Hierher, Doyle.«

Der Polizist kam heran und grüßte.

»Was genau«, fuhr der kleine grauhaarige Mann – gemütlich an einen Sitz gelehnt – fort, »was genau ist hier passiert, Doyle?«

»Alles, was ich darüber sagen kann, Inspektor«, begann Doyle, »ist, daß ein paar Minuten vor dem Ende des zweiten Akts dieser Mann« – er zeigte auf Pusak, der wie ein Bild des Jammers in einer Ecke stand – »zu mir nach hinten gelaufen kam, von wo aus ich mir das Stück ansah, und sagte, ›Ein Mann ist ermordet worden, Officer! … Ermordet worden!‹ Er war am Flennen wie ein Baby, und ich dachte, er wäre besoffen. Aber ich marschierte schnell hier rüber – es war dunkel, und auf der Bühne wurde geschrien und geschossen – und sah mir den Burschen auf dem Boden an. Ich hab’ ihn nicht bewegt, nur nach dem Herzschlag gefühlt – da gab’s nicht mehr viel zu fühlen. Um sicher zu gehen, daß er hinüber war, hab’ ich gefragt, ob ein Arzt da ist, und es hat sich ein gewisser Stuttgard gemeldet.« Inspektor Queen hörte aufmerksam zu; wie ein Papagei hatte er den Kopf zu einer Seite geneigt. »Ausgezeichnet«, sagte er. »Ausgezeichnet, Doyle. Ich werde Dr. Stuttgard später befragen. Was passierte danach?«

»Dann«, fuhr der Polizist fort, »dann hab’ ich mir die Platzanweiserin in dem Gang hier geschnappt und sie ins Büro des Managers Panzer geschickt. Louis Panzer – direkt da vorne steht der Manager.« Queen betrachtete Panzer, der im Gespräch mit Neilson wenige Meter entfernt an der Rückseite des Saales stand, und nickte. »Das ist also Panzer. Gut, gut … Ellery! Du hast meine Nachricht erhalten?«

Er schoß vorwärts, schob Panzer beiseite, der schüchtern zurückwich, und schlug einem hochgewachsenen jungen Mann, der unbemerkt durch den Haupteingang hineingekommen war und sich nun gemächlich umschaute, auf die Schultern. Der ältere hakte sich bei dem jüngeren Mann unter.

»Hab’ ich dir irgendwelche Ungelegenheiten bereitet, mein Sohn? Welchen Buchladen hast du heute abend heimgesucht? Wirklich, Ellery, ich bin froh, daß du hier bist!«

Er griff in seine Tasche, holte wieder die Schnupftabakdose hervor, nahm eine kräftige Prise – so kräftig, daß er niesen mußte – und schaute zu seinem Sohn auf.

»Eigentlich«, sagte Ellery, dessen Augen ruhelos umherwanderten, »kann ich dieses Kompliment nicht erwidern. Du hast mich soeben aus einem richtigen Bücherparadies weggelockt. Ich hatte den Händler gerade soweit, mir eine unbezahlbare Falconer-Erstausgabe zu überlassen; ich hatte vor, mir von dir im Präsidium das Geld zu leihen. Ich rief dort an – und hier bin ich. Eine Falconer-Erstausgabe! Nun gut. Sie wird mir nicht weglaufen, nehme ich an.«

Der Inspektor lachte leise vor sich hin. »Wenn es um eine alte Schnupftabakdose ginge, wäre ich vielleicht interessiert. Aber so – komm mit! Sieht aus, als hätten wir heute abend noch einiges zu tun.«

Er packte seinen Sohn am Ärmel, und zusammen gingen sie auf die kleine Menschentraube zu ihrer Linken zu. Ellery Queen war etwa um einen Kopf größer als sein Vater. Er hatte breite Schultern und einen schwungvollen Gang. Er war in Dunkelgrau gekleidet und trug einen leichten Spazierstock. Der rahmenlose Kneifer, der auf seiner Nase saß, schien nicht so ganz zu seinem athletischen Aussehen zu passen. Aber die Stirn, die feinen Gesichtszüge und die hellen Augen gehörten schon eher zu einem Mann des Geistes als zu einem Mann der Tat.

Sie gesellten sich zu der Gruppe, die um die Leiche versammelt war. Voller Respekt wurde Ellery von Velie begrüßt. Er beugte sich über den Sitz, musterte die Leiche gewissenhaft und schritt dann wieder zurück.

»Also weiter, Doyle«, sagte der Inspektor lebhaft. »Sie haben sich die Leiche angeschaut, den Mann festgehalten, der sie gefunden hat, den Manager herangeholt … Was dann?«

»Auf meine Anweisung hin schloß Panzer sofort alle Türen und achtete darauf, daß niemand herein- oder herauskam«, antwortete Doyle. »Es gab ziemlichen Ärger mit dem Publikum, aber sonst ist nichts passiert.«

»Gut so«, sagte der Inspektor, während er nach seiner Schnupftabakdose tastete. »Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet. Und jetzt zu diesem Herrn dort.«

Er machte ein Zeichen hinüber in die Ecke zu dem zitternden kleinen Mann, der zögernd vorwärtsschritt, nervös mit der Zunge über seine Lippen fuhr, hilflos umherschaute und dann stumm vor ihnen stand.

»Wie heißen Sie?« fragte der Inspektor freundlich.

»Pusak – William Pusak«, sagte der Mann. »Ich bin Buchhalter. Ich war gerade …«

»Eins nach dem anderen, Pusak. Wo haben Sie gesessen?«

Eifrig zeigte Pusak auf den sechsten Platz vom Gang aus, in der letzten Reihe. Auf dem fünften Platz saß ein aufgeschreckt wirkendes junges Mädchen, das zu ihnen hinüberblickte.

»Ich seh’ schon«, sagte der Inspektor. »Gehört diese junge Dame zu Ihnen?«

»Ja, Sir – ja. Das ist meine Verlobte, Sir. Sie heißt Esther – Esther Jablow …«

Etwas im Hintergrund machte sich ein Detective Notizen. Ellery stand hinter seinem Vater und blickte von einem Ausgang zum anderen. Er fing an, einen Plan auf das Vorsatzblatt eines Büchleins zu zeichnen, das er aus der Manteltasche gezogen hatte.

Der Inspektor sah sich das Mädchen, das sofort den Blick abwandte, genau an. »Also, Pusak, ich möchte, daß Sie mir erzählen, was passiert ist.«

»Ich – ich hab’ nichts Unrechtes getan, Sir.«

Inspektor Queen gab ihm einen leichten Klaps auf den Arm. »Niemand beschuldigt Sie, irgend etwas getan zu haben, Pusak. Ich will von Ihnen nur wissen, was vorgefallen ist. Lassen Sie sich ruhig Zeit – erzählen Sie es ganz so, wie Sie wollen.«