Выбрать главу

Bei Café au lait und vorzüglichen Zigarren – von Ellery behutsam, vom Inspektor zurückhaltend und von Morgan in vollen Zügen genossen – kam Queen endlich zur Sache.

»Morgan, ich will gar nicht erst um den heißen Brei herumreden. Ich vermute, Sie wissen, warum ich Sie heute abend hergebeten habe. Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Ich möchte von Ihnen eine ehrliche Antwort, warum Sie uns verschwiegen haben, was am Sonntag, dem 23. September, abends vorgefallen ist.«

Bei den Worten des Inspektors war Morgan sofort ernst geworden. Er legte die Zigarre auf den Aschenbecher und blickte den alten Mann mit einem Ausdruck unbeschreiblicher Müdigkeit an.

»Es mußte ja so kommen«, sagte er. »Ich hätte es wissen müssen, daß Sie früher oder später dahinterkommen wurden. Ich nehme an, Mrs. Russo hat Ihnen das aus Wut erzählt.«

»Das hat sie«, gab Queen offen zu. »Als Privatmann lehne ich es ab, mir solche Klatschgeschichten anzuhören; als Polizist bin ich dazu verpflichtet. Warum haben Sie mir das verschwiegen, Morgan?«

Morgan zog mit dem Löffel bedeutungslose Linien auf der Tischdecke. »Weil, nun – weil ein Mann immer solange ein Dummkopf bleibt, wie man ihm nicht das Ausmaß seiner Dummheit vor Augen führt«, sagte er ruhig und schaute auf. »Ich habe gehofft und gebetet – ich nehme an, das ist nur allzu menschlich –, daß dieser Vorfall ein Geheimnis zwischen mir und einem Toten bleiben würde. Und dann zu erfahren, daß diese Hure in seinem Schlafzimmer verborgen war und jedes meiner Worte mit angehört hatte – das hat mir so ziemlich allen Wind aus den Segeln genommen.«

Er trank hastig ein Glas Wasser und fuhr fort. »Bei Gott, Inspektor, es ist die reine Wahrheit – ich dachte, ich sei in eine Falle gelockt worden und könnte selbst nichts zu meiner Entlastung beitragen. Ich befand mich dort im Theater, nicht weit von der Stelle, an der mein schlimmster Feind ermordet wurde. Für meine Anwesenheit konnte ich nur eine scheinbar verrückte und ziemlich dürftige Erklärung vorbringen. Und dann fiel mir schlagartig ein, daß ich sogar noch an dem Abend zuvor eine Auseinandersetzung mit dem Toten gehabt hatte. Ich saß ziemlich in der Klemme, glauben Sie mir, Inspektor.«

Der Inspektor sagte nichts. Ellery hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und betrachtete Morgan düster. Morgan unterdrückte mühsam seine Erregung und fuhr fort.

»Deshalb habe ich nichts gesagt. Können Sie es einem Mann verdenken, daß er stillschweigt, wenn ihn seine Rechtserfahrung ganz entschieden davor warnt, an einer Kette von gegen ihn selbst gerichteten Indizienbeweisen mitzuflechten?«

Queen schwieg noch einen Augenblick und sagte dann: »Das wollen wir vorläufig beiseite lassen. Warum gingen Sie am Sonntag abend zu Field?«

»Aus einem sehr guten Grund«, antwortete der Rechtsanwalt verbittert. »Am Donnerstag vergangener Woche rief Field mich in meinem Büro an und teilte mir mit, daß er für eine wichtige geschäftliche Unternehmung auf der Stelle fünfzigtausend Dollar beschaffen müsse. Fünfzigtausend Dollar!« Morgan lachte trocken. »Nachdem er mich schon so gemolken hatte, daß ich kaum noch etwas besaß … Und seine ›geschäftliche Unternehmung‹ – können Sie sich vorstellen, was das war? Wenn Sie Field so gut gekannt hätten wie ich, würden Sie die Antwort darauf auf den Rennplätzen und an der Börse finden … Vielleicht täusche ich mich auch. Vielleicht brauchte er dringend Geld und kassierte noch einmal gründlich ab. Wie auch immer, er wollte fünfzigtausend Dollar – für diese Summe wollte er mir dann tatsächlich die Originaldokumente aushändigen! Es war das erste Mal, daß er so etwas auch nur angedeutet hatte. Vorher hatte er immer nur frech sein Schweigen gegen Geld geboten. Diesmal war es ein Angebot Geld gegen Ware.«

»Das ist ein interessanter Aspekt«, warf Ellery ein. »Hat irgend etwas an dem, was er sagte, zu Ihrer Vermutung geführt, daß er noch ein letztes Mal gründlich abkassieren wollte, wie Sie es genannt haben?«

»Ja. Deshalb sagte ich es ja. Er machte auf mich den Eindruck, als stecke er in Geldschwierigkeiten; er hatte vor, ein wenig in Urlaub zu fahren – Urlaub hieß für ihn nichts weniger als eine dreijährige Spritztour nach Europa –, und bemühte nun alle seine ›Freunde‹. Ich wußte bis dahin nicht, daß er Erpressung im großen Stil betrieb; aber diesmal –!«

Ellery und der Inspektor sahen sich an. Morgan fuhr unbeirrt fort.

»Ich sagte ihm die Wahrheit – daß ich finanziell nicht gut dastände, vor allem seinetwegen, und daß es für mich absolut unmöglich sei, diesen irrwitzigen Betrag, den er forderte, aufzutreiben. Er lachte nur und beharrte darauf, das Geld zu bekommen. Ich war natürlich begierig, die Papiere zurückzubekommen …«

»Hatten Sie nachgeprüft, ob von Ihren Rechnungsbelegen überhaupt welche fehlten?« fragte der Inspektor.

»Das war gar nicht nötig, Inspektor«, antwortete Morgan zähneknirschend. »Er tat mir bereits vor zwei Jahren im Webster Club den Gefallen, mir die Belege und Briefe zu zeigen – damals, als wir den Streit hatten. Nein, daran besteht kein Zweifel. Er war schon Spitzenklasse.«

»Was weiter?«

»Er beendete den Anruf am Donnerstag mit einer kaum verhüllten Drohung. Das ganze Gespräch über hatte ich verzweifelt versucht, ihn glauben zu machen, daß ich in irgendeiner Weise seinen Forderungen entgegenkommen würde; denn ich wußte, daß er keine Skrupel haben würde, die Papiere an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, wenn er erst einmal merkte, daß er alles aus mir herausgeholt hatte.«

»Fragten Sie ihn, ob Sie die Dokumente einsehen könnten?«

»Ich glaube, ja – aber er lachte mich nur aus und sagte, ich würde meine Scheckbelege und Briefe erst dann zu sehen bekommen, wenn er die Summe bis auf den letzten Dollar erhalten hätte. Dieser Schurke war mit allen Wassern gewaschen; er ging nicht das Risiko ein, daß ich ihn hereinlegte, während er gerade die ihn belastenden Beweise herauszog … Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Manchmal kam mir sogar in den Sinn, Gewalt anzuwenden. Welcher Mann hätte unter diesen Umständen nicht daran gedacht? Aber Mord zog ich nie ernsthaft in Erwägung – und das aus sehr gutem Grund.« Er hielt inne.

»Es hätte Ihnen überhaupt nichts genutzt«, sagte Ellery freundlich, »weil Sie nicht wußten, wo sich die Dokumente befanden.«

»Genau«, antwortete Morgan mit einem nervösen Lächeln. »Ich wußte es nicht. Was für einen Vorteil hätte mir Fields Tod gebracht, wenn jederzeit die Gefahr bestand, daß diese Papiere zum Vorschein kommen und jemand anderem in die Hände fallen? Ich wäre vermutlich nur vom Regen in die Traufe geraten … Nachdem ich drei Tage lang vergeblich versucht hatte, die Summe, die er verlangt hatte, zusammenzubekommen, faßte ich dann am Sonntag abend den Entschluß, noch eine letzte Vereinbarung mit ihm zu versuchen. Ich ging zu seiner Wohnung und traf ihn dort im Morgenrock an. Er war sehr überrascht und gar nicht besorgt, mich dort zu sehen. Das Wohnzimmer war unaufgeräumt – zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, daß sich Mrs. Russo nebenan versteckte.«

Seine Hand zitterte, als er sich die Zigarre erneut anzündete.

»Wir stritten – oder vielmehr, ich schrie ihn an, während er nur höhnisch lachte. Er wollte sich keinen Einwand und auch keine Bitten mehr anhören. Er wollte die Fünfzigtausend; anderenfalls würde er die Geschichte bekanntmachen – mit allen dazugehörigen Beweisen. Ich geriet immer mehr in Wut. Aber ich ging, bevor ich endgültig die Selbstbeherrschung verlor. Und das war alles, Inspektor – auf mein Ehrenwort.«

Er blickte zur Seite. Inspektor Queen hustete und legte seine Zigarre in den Aschenbecher. Er kramte in seiner Tasche nach der braunen Schnupftabakdose, nahm eine Prise, zog sie tief ein und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Unvermittelt schüttete Ellery ein Glas Wasser für Morgan ein, das dieser auf einen Zug leerte.