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»Ich danke Ihnen, Morgan«, sagte Queen. »Und wo Sie schon einmal so offen zu uns waren, seien Sie bitte ganz aufrichtig und sagen uns, ob Sie am Sonntag während der Auseinandersetzung eine Drohung gegen Fields Leben ausgestoßen haben. Fairerweise sollte ich Ihnen vorher mitteilen, daß Mrs. Russo Sie aufgrund einer Äußerung, die Sie in der Hitze des Gefechts machten, des Mordes an Field beschuldigt hat.«

Morgan wurde blaß. In seinem Gesicht zuckte es, und fast schon mitleiderregend starrte er den Inspektor ängstlich mit glasigen Augen an.

»Sie lügt«, rief er heiser. Eine Reihe von Gästen an den Nebentischen blickte neugierig auf, und Inspektor Queen berührte leicht Morgans Arm. Er biß sich auf die Lippe und senkte dann seine Stimme. »Ich habe nichts dergleichen getan. Ich habe Ihnen eben offen erzählt, Inspektor, daß ich manchmal in meiner Wut mit dem Gedanken gespielt habe, Field umzubringen. Aber es waren dumme und sinnlose Gedanken. Ich hätte überhaupt nicht den Mut, jemanden umzubringen. Sogar im Webster Club, als ich völlig die Beherrschung verlor und diese Drohung ausstieß, hatte ich es nicht wirklich vor. Und schon gar nicht Sonntag abend. Bitte glauben Sie mir, Inspektor – und nicht dieser skrupellosen, geldgierigen Hure! Inspektor – Sie müssen mir glauben!«

»Ich möchte nur, daß Sie mir erklären, was Sie gesagt haben«, erwiderte der Inspektor. »Denn, so seltsam es auch scheinen mag, ich glaube, daß Sie die Äußerung, die sie Ihnen zuschreibt, auch getan haben.«

»Welche Äußerung?« Morgan war schweißgebadet; seine Augen standen hervor.

»›Wenn Sie diese Papiere an die Öffentlichkeit bringen – und sollte es mich zugrunde richten –, werde ich dafür sorgen, daß Sie zum allerletzten Mal jemanden erpreßt haben‹«, wiederholte der Inspektor die Worte. »Haben Sie das gesagt, Mr. Morgan?«

Der Anwalt starrte Queen ungläubig an, dann warf er seinen Kopf zurück und lachte. »Großer Gott!« sagte er schließlich und schnappte nach Luft. »Soll das die ›Drohung‹ sein, die ich gemacht habe? Nun, Inspektor, was ich damit meinte, war, daß ich, wenn er diese Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht hätte, weil ich seinen gemeinen Forderungen nicht nachkommen konnte, der Polizei alles offen erzählt und ihn mit mir hinabgezogen hätte. Das war es, was ich meinte! Und sie dachte, ich hätte gedroht, ihn umzubringen …« Er rieb sich heftig die Augen.

Ellery lächelte; mit dem Finger gab er dem Kellner ein Zeichen. Er bezahlte, zündete sich eine Zigarette an und schaute hinüber zu seinem Vater, der Morgan halb zerstreut und halb voller Sympathie betrachtete.

»Sehr schön, Mr. Morgan.« Der Inspektor erhob sich und schob den Stuhl zurück. »Das ist alles, was wir wissen wollten.« Er trat höflich beiseite, um dem immer noch benommenen und zitternden Anwalt den Vortritt zur Garderobe zu lassen.

Als die beiden Queens die 47. Straße vom Broadway her hinaufgeschlendert kamen, quoll der Bürgersteig am Römischen Theater vor Menschen über. Die Menschenmenge war so groß, daß die Polizei Absperrungen errichtet hatte. Entlang der engen Straßendurchfahrt kam der Verkehr völlig zum Erliegen. In großen Leuchtbuchstaben knallte der Titel ›Spiel der Waffen‹ nachdrücklich vom Eingang des Theaters herab; darunter war in kleineren Leuchtbuchstaben erläuternd hinzugefügt: ›In den Hauptrollen James Peale und Eve Ellis unter Mitwirkung eines Starensembles‹. Wie wild versuchten Frauen und Männer, sich unter Einsatz ihrer Ellbogen durch die wogende Menge zu schieben. Polizisten, bereits heiser vom Schreien, verlangten die Eintrittskarten zu sehen, bevor sie jemanden durch die Absperrung ließen.

Der Inspektor zeigte seine Kennmarke vor; zusammen mit der drängenden Menge wurden er und Ellery in das kleine Foyer des Theaters gezogen. Neben dem Kassenschalter stand Panzer; auf dem Gesicht des Geschäftsführers stand ein breites Lächeln. Höflich und bestimmt war er darum bemüht, die lange Schlange hinter der Kasse möglichst schnell in Richtung Kartenkontrolle zu bewegen. Auf einer Seite stand übermäßig schwitzend der altehrwürdige Portier und blickte äußerst verwirrt. Die Kassierer arbeiteten mit letzter Kraft. In eine Ecke des Foyers gezwängt befand sich Harry Neilson im ernsten Gespräch mit drei jungen Männern, die offensichtlich von der Presse waren.

Panzer erspähte die beiden Queens und eilte zu ihrer Begrüßung heran. Auf eine gebieterische Geste vom Inspektor hin stockte er und kehrte dann nach einem verständnisvollen Nicken zur Kasse zurück. Ellery stand brav in der Schlange an, um die zwei reservierten Eintrittskarten an der Kasse abzuholen. Inmitten einer drängenden Menge betraten sie den Zuschauerraum.

Madge O’Connell fiel vor Schreck fast um, als Ellery die beiden Tickets mit dem unmißverständlichen Aufdruck LL32 Links und LL30 Links vorzeigte. Der Inspektor mußte lächeln, als sie sich etwas ungeschickt mit den Karten zu schaffen machte und ihm ein wenig verängstigt einen Blick zuwarf. Sie führte sie über den dichten Teppich zu dem Gang ganz auf der linken Seite, wies ihnen schweigend die äußersten beiden Sitze der letzten Reihe zu und machte sich davon. Die beiden Männer setzten sich, legten ihre Hüte in die Drahtgestelle unter den Sitzen und lehnten sich gemütlich zurück – allem Anschein nach zwei Stillvergnügte in Erwartung eines blutrünstigen Spektakels.

Der Zuschauerraum war völlig ausverkauft. Kleinere Grüppchen wurden noch die Gänge hinabgeführt und nahmen rasch die noch freien Plätze ein. Erwartungsvoll reckten sich die Hälse in Richtung der Queens, die unbeabsichtigt zum Mittelpunkt eines ganz und gar unerwünschten Interesses wurden.

»Verdammt!« schimpfte der alte Mann. »Wir hätten nach Beginn der Vorstellung kommen sollen.«

»Du bist wirklich zu empfindlich gegenüber dem Beifall der Menge, mon père«, lachte Ellery. »Mir macht es nichts aus, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.« Er schaute auf seine Armbanduhr; sie tauschten einen bedeutungsvollen Blick. Es war genau 8.25 Uhr. Sie machten es sich auf ihren Sitzen gemütlich. Nach und nach gingen die Lichter aus. Die Unruhe im Publikum machte einer erwartungsvollen Stille Platz. Als es völlig dunkel war, öffnete sich der Vorhang vor einer unheimlich wirkenden halbdunklen Bühne. In die Stille hinein knallte ein Schuß; der erstickende Schrei eines Mannes ließ so manchen im Publikum nach Luft schnappen. ›Spiel der Waffen‹ hatte seinen inzwischen allgemein bekannten turbulenten Anfang genommen.

Trotz der Voreingenommenheit seines Vaters genoß Ellery ganz entspannt die leichte Kost dieses Sensationsstücks auf dem Platz, an dem sich drei Abende zuvor die Leiche Monte Fields befunden hatte. Der Klang der schönen vollen Stimme von James Peale, der auf der Bühne in einer Abfolge sich zuspitzender Ereignisse agierte, erfüllte ihn in ihrer packenden Kunstfertigkeit mit Begeisterung. Eve Ellis ging offensichtlich völlig in ihrer Rolle auf; gerade sprach sie voll zarter Erregung mit Stephen Barry, dessen hübsches Gesicht und angenehme Stimme bei einem jungen Mädchen direkt rechts neben dem Inspektor einen Ausdruck der Bewunderung hervorriefen.

Hilda Orange stand in schreiende Farben gekleidet – so wie es ihre Rolle verlangte – in einer Ecke der Bühne. Die Komische Alte trottete ziellos über die Bühne. Ellery beugte sich zu seinem Vater hinüber. »Das ist eine gut besetzte Inszenierung«, flüsterte er. »Schau dir nur diese Mrs. Orange an!«

Das Stück ging mit Volldampf weiter. Mit einem ohrenbetäubenden Gewirr aus Worten und Geräuschen ging der erste Akt zu Ende. Der Inspektor schaute auf seine Uhr, als die Lichter wieder angingen. Es war 9.05 Uhr.