Выбрать главу

Der Inspektor lächelte ihn beruhigend an und brachte ihn hinaus in die Diele. Im Flüsterton führten sie ein recht einseitiges Gespräch, bei dem der Fremde nach jedem zweiten Wort des alten Mannes zustimmend brummte. Cronin und Ellery konnten vom Wohnzimmer aus den Schimmer eines kleinen weißen Papierbogens erkennen, der aus der Hand des Inspektors in die des jungen Mannes wanderte.

Der Inspektor kehrte flotten Schrittes zu ihnen zurück. »Alles in Ordnung, Thomas. Du kümmerst dich um den Rest und sorgst dafür, daß unser Freund keine Schwierigkeiten bekommt … Nun, meine Herren –«

Der Inspektor nahm wieder Platz. »Bevor wir uns Fields Wohnung zuwenden, meine Lieben«, sagte er nachdenklich, »möchte ich noch einige Dinge klarstellen. Wie uns Benjamin Morgan erzählt hat, betätigte sich Field zwar als Rechtsanwalt, bezog seine enormen Einkünfte aber aus Erpressungen. Wußten Sie das, Tim? Monte Field schröpfte Dutzende von prominenten Persönlichkeiten um einen Betrag von wahrscheinlich mehreren hunderttausend Dollar. Offen gesagt, Tim, sind wir davon überzeugt, daß das Motiv für den Mord an Field im Bereich dieser geheimen Aktivitäten zu suchen ist. Er wurde zweifelsohne von jemandem ermordet, der um große Summen erleichtert wurde und das nicht länger ertragen konnte.

Sie wissen so gut wie ich, Tim, daß eine Erpressung nur funktionieren kann, wenn der Erpresser belastende Dokumente in der Hand hat. Darum sind wir ja so sicher, daß irgendwo Unterlagen versteckt sein müssen – und Ellery behauptet eben, daß sie in Fields Wohnung sind. Nun, wir werden sehen. Sollten wir diese Unterlagen schließlich finden, werden die Dokumente, hinter denen Sie schon so lange her sind, wahrscheinlich auch ans Tageslicht kommen, wie Ellery das vorhin schon angedeutet hat.«

Er dachte einen Augenblick nach. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, Tim, wie sehr ich hinter diesen verflixten Dokumenten her bin. Sie sind ungeheuer wichtig für mich. Sie würden eine Menge Fragen beantworten, bei denen wir immer noch völlig im dunkeln tappen …«

»Dann nichts wie los!« rief Cronin und sprang von seinem Stuhl auf. »Ist Ihnen eigentlich klar, Inspektor, daß ich seit Jahren aus diesem einen Grunde an Fields Fersen klebe? Das wird der glücklichste Tag meines Lebens sein … Nun los, Inspektor!«

Weder Ellery noch sein Vater schienen es jedoch besonders eilig zu haben. Sie zogen sich in ihre Schlafzimmer zurück, um sich anzukleiden, während Cronin im Wohnzimmer aufgeregt auf und ab ging. Wäre Cronin nicht so sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen, hätte er bemerkt, daß die gute Stimmung, in der sich die beiden Queens bei seiner Ankunft befunden hatten, einer düsteren Schwermut gewichen war. Vor allem der Inspektor schien nicht auf der Höhe zu sein; er war nervös und ließ sich ausnahmsweise einmal Zeit dabei, eine Ermittlung auf ihrem unaufhaltsamen Weg voranzutreiben.

Schließlich waren die beiden Queens fertig angekleidet. Die drei Männer gingen auf die Straße hinunter. Als sie ein Taxi bestiegen, seufzte Ellery.

»Hast du Angst, daß du dich blamierst, mein Sohn?« brummte der alte Mann und vergrub seine Nase im Mantelkragen.

»Daran denke ich gar nicht«, gab Ellery zurück. »Es geht um etwas anderes … Wir werden die Papiere schon finden, keine Sorge.«

»Ich hoffe bei Gott, Sie behalten recht!« rief Cronin leidenschaftlich aus, und das waren die letzten Worte, die gesprochen wurden, ehe das Taxi vor dem eleganten Haus in der 75. Straße anhielt.

Die drei Männer nahmen den Aufzug in den vierten Stock und betraten den menschenleeren Flur. Der Inspektor schaute sich schnell nach allen Seiten um und klingelte dann an Fields Wohnung. Zunächst rührte sich nichts, obwohl ein undeutliches Rascheln hinter der Tür zu hören war. Plötzlich wurde sie aufgerissen, und das gerötete Gesicht eines Polizisten erschien, dessen Hand sich nervös in Richtung seiner Revolvertasche bewegte.

»Keine Angst, Mann – wir beißen nicht!« maulte der Inspektor, der aus einem für Cronin – selbst nervös und zum Zerreißen gespannt – nicht nachvollziehbarem Grund völlig verärgert war.

Der uniformierte Polizist salutierte. »Ich wußte nicht, ob da nicht jemand rumschnüffeln wollte, Inspektor«, murmelte er undeutlich.

Die drei Männer betraten die Diele, und die schlanke weiße Hand des alten Mannes stieß ungestüm die Türe hinter ihnen zu.

»Irgend etwas passiert?« fragte der Inspektor knapp, während er auf die Wohnzimmertür zuging und in das Zimmer hineinspähte.

»Absolut nichts, Sir«, sagte der Polizist. »Ich wechsle mich hier mit Cassidy alle vier Stunden ab, und manchmal kommt Detective Ritter vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.«

»Oh, tatsächlich, das macht er?« gab der alte Mann zurück. »Hat jemand versucht, sich Einlaß zu verschaffen?«

»Nicht seitdem ich hier bin, Inspektor – auch nicht bei Cassidy«, antwortete der Polizist nervös. »Und wir lösen uns seit Dienstag morgen permanent ab. In dieser Wohnung war keine Menschenseele außer Ritter.«

»Lassen Sie sich in den nächsten ein bis zwei Stunden draußen in der Diele nieder, Officer«, befahl der Inspektor. »Besorgen Sie sich einen Stuhl, und machen Sie ein Nickerchen, wenn Sie wollen – aber sollte irgend jemand sich an der Türe zu schaffen machen, geben Sie uns unverzüglich Bescheid.«

Der Polizist schleifte einen Stuhl aus dem Wohnzimmer in die Diele, setzte sich mit dem Rücken zur Vordertür, legte die Arme übereinander und schloß ungezwungen die Augen.

Die drei Männer schauten sich mit finsterem Blick um. Die Diele war klein, aber mit Möbelstücken und Krimskrams vollgestopft: ein mit ungelesen wirkenden Büchern vollgestelltes Regal, ein zierlicher Tisch, auf dem eine ›modernistische‹ Lampe und einige geschnitzte, elfenbeinerne Aschenbecher standen, zwei Empire-Stühle, ein eigentümliches Möbel, halb Anrichte und halb Sekretär, einige Kissen und kleinere Teppiche. Der Inspektor stand da und betrachtete dieses merkwürdige Durcheinander mit einem gequälten Gesichtsausdruck.

»So, mein Sohn, ich denke, wir drei gehen die Suche am besten an, indem wir alles Stück für Stück durchsehen, wobei jeder den anderen kontrolliert. Ich bin nicht sehr optimistisch, das sage ich dir gleich.«

»Der Herr von der Klagemauer«, seufzte Ellery. »Der Kummer steht groß und deutlich auf diesem edlen Antlitz geschrieben. Sie und ich, Cronin – wir beide sind nicht so pessimistisch, nicht wahr?«

Cronin knurrte. »Ich würde sagen, es sollte weniger geredet und mehr gehandelt werden, bei allem Respekt für diese kleinen Familienstreitigkeiten.«

Ellery starrte ihn bewundernd an. »Sie sind nicht aufzuhalten, wenn Sie sich etwas vorgenommen haben, Mann. Mehr wie eine Wanderameise als ein menschliches Wesen. Und das, obwohl der arme Field im Leichenschauhaus liegt … Allons, enfants!«

Sie machten sich unter zustimmendem Nicken des Polizisten an die Arbeit. Die meiste Zeit über arbeiteten sie schweigend. Ellerys Gesicht drückte gedämpfte Hoffnung aus, das des Inspektors trübselige Gereiztheit, Cronins Gesichtsausdruck zeugte von seiner unbezwingbaren Wut. Ein Buch nach dem anderen wurde aus dem Regal gezogen und sorgfältig inspiziert – lose Blätter herausgeschüttelt – Einbände genauestens untersucht – Buchdeckel durchstochen. Da über zweihundert Bücher vorhanden waren, nahm die Suche eine längere Zeit in Anspruch. Nach einer gewissen Zeit schien Ellery geneigt zu sein, seinem Vater und Cronin die unangenehmere Arbeit der Durchsuchung zu überlassen, während er seine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf die Titel der Bücher richtete. Dabei stieß er auf einmal einen Freudenschrei aus und hielt ein dünnes, billig eingebundenes Buch in die Höhe. Cronin schoß sofort mit funkelndem Blick darauf zu, der Inspektor sah mit einem Anflug von Interesse auf. Ellery hatte jedoch nur ein weiteres Werk über Handschriftenkunde entdeckt.