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Nach dem Schlafzimmer nahmen sie sich die kleine Küche vor. Diese war so überfüllt mit Küchengeräten, daß sie sich kaum darin bewegen konnten. Sie durchstöberten eine große Speisekammer, wobei Cronin seine Finger ärgerlich in die Mehl- und Zuckertöpfe steckte. Der Herd, die Schränke für Geschirr und Töpfe – sogar der marmorne Waschtisch, der in der Ecke stand – wurden methodisch examiniert. An einer Seite des Raumes auf dem Boden stand eine halbleere Kiste mit Schnapsflaschen, auf die Cronin sehnsüchtige Blicke warf, nur um schuldbewußt wieder wegzuschauen, als der Inspektor ihn anstarrte.

»Und jetzt – das Badezimmer«, murmelte Ellery. In unheilvollem Schweigen marschierten sie in den gekachelten Waschraum. Drei Minuten später kamen sie immer noch schweigend wieder heraus und begaben sich ins Wohnzimmer, wo sie sich auf Stühlen niederließen. Der Inspektor zog seine Schnupftabakdose heraus und nahm eine kräftige Prise; Cronin und Ellery zündeten sich Zigaretten an.

»Ich würde sagen, mein Sohn«, sagte der Inspektor mit düsterer Stimme nach einem Augenblick quälenden, nur durch das Schnarchen des in der Diele sitzenden Polizisten durchbrochenen Schweigens, »ich würde sagen, daß die deduktive Arbeitsweise, die Sherlock Holmes und seinen Nachfolgern Ruhm und Glück brachte, versagt hat. Versteh mich richtig, ich beschwere mich nicht …« Er ließ sich auf seinem Stuhl hängen.

Ellery strich sich nervös über sein glattes Kinn. »Ich hab’ mich wohl wirklich blamiert«, gestand er. »Und doch sind diese Papiere hier irgendwo. Ist das nicht ein merkwürdiger Gedanke? Aber es ist einfach nur logisch. Wenn das Ganze aus zehn besteht, und zwei plus drei plus vier ausgeschieden sind, bleibt nur noch eins übrig … Tut mir leid, daß ich so altmodisch bin. Aber ich bleibe dabei, daß die Papiere hier sind.«

Cronin knurrte und stieß eine große Wolke von Zigarettenrauch aus.

»Ich weiß, ihr werdet Einwände dagegen haben«, murmelte Ellery, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. »Laßt uns noch einmal alles durchgehen. Nein, nein!« erklärte er schnell, als er Cronins erschrockenes Gesicht sah – »Überdenken wollte ich sagen … Mr. Fields Wohnung besteht aus einer Diele, einem Wohnzimmer, einer kleinen Küche, einem Schlaf- und einem Badezimmer. Wir haben ohne Erfolg eine Diele, ein Wohnzimmer, eine kleine Küche, ein Schlaf- und ein Badezimmer durchsucht. Euklid hätte hier voller Bedauern zu einer Schlußfolgerung kommen müssen.« Er dachte nach. »Wie haben wir diese Zimmer durchsucht?« fragte er plötzlich. »Wir haben die sichtbaren Gegenstände durchforscht, die sichtbaren Gegenstände auseinandergenommen. Möbel, Lampen, Teppiche – ich wiederhole: die sichtbaren Gegenstände –, Wände und Gesims. Man sollte meinen, daß nichts unserer Aufmerksamkeit entgangen ist …«

Er hielt inne, während seine Augen zu leuchten begannen. Der Inspektor wurde auf einmal wieder hellwach. Er wußte aus Erfahrung, daß Ellery selten durch unwichtige Dinge in Aufregung versetzt werden konnte.

»Und doch«, sagte Ellery langsam, während er fasziniert seinen Vater anblickte, »bei den Goldenen Dächern des Seneca, wir haben etwas übersehen – wir haben tatsächlich etwas übersehen!«

»Was!« maulte Cronin. »Sie machen Witze.«

»Oh nein, das tue ich nicht«, antwortete Ellery leise lachend und erhob sich träge. »Wir haben Böden und Wände untersucht, aber haben wir uns mit – den Decken – beschäftigt?«

Er stieß das Wort in einem dramatischen Tonfall aus, während die beiden Männer ihn verwundert anstarrten.

»Worauf willst du hinaus, Ellery?« fragte sein Vater.

Munter drückte Ellery die Zigarette in einem Aschenbecher aus. »Das ist so«, sagte er. »Es liegt in der reinen Logik, daß, wenn man alle Möglichkeiten bis auf eine ausgeschöpft hat, diese eine, wie unwahrscheinlich oder lächerlich sie erscheinen mag, die richtige sein muß … Ein Analogieschluß zu dem, daß die Papiere hier in dieser Wohnung sind.«

»Aber, Mr. Queen, bei aller Liebe – Decken!« platzte Cronin heraus, während der Inspektor schuldbewußt die Wohnzimmerdecke betrachtete. Ellery sah seinen Blick, lachte und schüttelte den Kopf.

»Ich will damit nicht sagen, daß wir einen Verputzer holen sollten, damit er uns diese reizenden Decken herunterholt«, sagte er. »Ich weiß nämlich bereits Bescheid. Was ist in diesen Zimmern an der Decke befestigt?«

»Die Leuchter«, brummte Cronin voller Zweifel und warf einen Blick auf das schwere bronzene Objekt über ihren Köpfen.

»Zum Teufel – der Baldachin über dem Bett!« rief der Inspektor. Er sprang auf und rannte ins Schlafzimmer. Cronin stampfte schwerfällig hinter ihm her, während Ellery interessiert nachfolgte. Sie blieben vor dem Bett stehen und blickten zu dem Baldachin empor. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen amerikanischen Baldachinen war dieses reich verzierte Schmuckstück nicht einfach als Teil des Bettes ein großes Stoffrechteck, das auf vier Pfosten gehängt war. Das Bett war so konstruiert, daß die vier Pfosten vom Boden bis an die Decke reichten. Der schwere kastanienbraune Damastvorhang reichte ebenfalls vom Boden bis an die Decke, von wo er – von einer beringten Stange gehalten – in schweren Falten herabfiel.

»Wenn überhaupt irgendwo«, brummte der Inspektor, während er einen der damastbezogenen Schlafzimmerstühle herbeizog, »dann einzig und allein dort oben! Helft mir mal.«

Er stand auf dem Stuhl, ohne sich im geringsten um die Verwüstungen, die seine Schuhe auf dem seidenen Stoff anrichteten, zu scheren. Er stellte fest, daß er auch mit ausgestreckten Armen bei weitem nicht an die Decke heranreichte, und stieg wieder herab.

»Sieht auch nicht so aus, als könntest du es schaffen, Ellery«, brummte er. »Und Field war keineswegs größer als du. Es muß hier irgendwo eine Leiter geben, mit der Field da herangekommen ist!«

Cronin stürzte auf Ellerys Wink hin in die Küche und war im Nu mit einer sechssprossigen Leiter zurück. Der Inspektor stieg auf die höchste Stufe und bemerkte, daß er die Vorhangstange immer noch nicht berühren konnte. Dann nahm Ellery die Sache in die Hand, indem er seinen Vater anwies herunterzukommen und selbst nach oben stieg. Oben auf der Leiter war er nun in der Lage, die Oberseite des Baldachins zu erforschen.

Er ergriff den Damast und zog fest daran. Der ganze Stoff gab nach, fiel zur Seite und legte eine zwanzig Zentimeter hohe Holzleiste frei – einen Rahmen, der hinter dem Vorhang verborgen gewesen war. Ellerys Finger tasteten die aus Holz gearbeitete Vertäfelung ab, während Cronin und der Inspektor ihm mit wechselndem Gesichtsausdruck dabei zusahen. Da er im Augenblick keine Öffnung entdecken konnte, beugte Ellery sich vor und erkundete den Stoff unmittelbar unter dem Boden der Verkleidung. »Reiß ihn runter!« knurrte der Inspektor.

Ellery zerrte mit Gewalt an dem Stoff, und der gesamte Damastbaldachin fiel auf das Bett. Der unverzierte Boden der Verkleidung wurde sichtbar.

»Alles hohl«, verkündete Ellery, während er mit seinen Fingern gegen die Unterseite der Verkleidung klopfte.

»Das hilft uns nicht weiter«, sagte Cronin. »Klar, daß das kein massives Holz ist. Warum versuchen Sie es nicht auf der anderen Seite des Bettes, Mr. Queen?«

Aber Ellery, der sich wieder der Vorderseite der Verkleidung zugewandt hatte, stieß einen Triumphschrei aus. Er hatte eine komplizierte machiavellische Geheimtür gesucht, hatte nun aber herausgefunden, daß die ›Geheimtür‹ aus nichts Raffinierterem als einem verschiebbaren Brett bestand. Es war gut versteckt – die Stoßstelle zwischen dem verschiebbaren Brett und den festen Brettern war unter einer Reihe von Rosetten und groben Dekorationen verborgen –, aber es war nicht die Art von Versteck, die ein Adept der Kriminalwissenschaften als Meisterwerk in der Kunst des Versteckens gepriesen hätte.