Am Dienstag hat sie das Haus nicht verlassen. Von einem Gärtner erfuhr ich, daß sie den ganzen Tag im Bett zubrachte; auch daß sie viele Anrufe im Verlauf des Tages erhielt.
Vor Mittwoch morgen zur Unterredung mit Inspektor Queen im eigenen Haus trat sie kaum in Erscheinung. Nach der Unterredung verließ sie das Haus in Begleitung von Stephen Barry, Eve Ellis, James Peale und ihrem Bruder Stanford. Im Wagen der Familie Ausflug nach Westchester. Der Ausflug brachte wieder etwas Leben in F. Den Abend verbrachte sie mit Stephen Barry zu Hause beim Kartenspiel.
Am Donnerstag ging sie auf der Fifth Avenue einkaufen. Traf Stephen Barry zu einem kleinen Imbiß. Er brachte sie zum Central Park; haben den Nachmittag dort draußen verbracht. Noch vor fünf begleitete S. B. sie nach Hause. S. B. blieb dort zum Essen und brach danach auf einen Anruf des Managers hin zum Römischen Theater auf, F.I.-P. verbrachte den Abend zusammen mit der Familie zu Hause.
Freitag morgen nichts zu berichten. Die ganze Woche über keinerlei verdächtige Bewegungen. Keine unbekannte Person ist an sie herangetreten. Keinerlei Kontakt zu Benjamin Morgan.
Detective, Dienstnummer 39
»Das wäre also das«, murmelte der Inspektor. Der nächste Bericht, den er sich vornahm, war äußerst kurz.
Bericht über Oscar Lewin 28. September 192- Lewin verbrachte die Tage von Dienstag bis Freitag morgen im Büro von Monte Field, wo er mit den Herren Stoates und Cronin zusammenarbeitete. Die drei gingen jeden Tag zusammen zum Mittagessen.
Lewin ist verheiratet und wohnt in der Bronx, 156. Straße, Nr. 211 E. Er verbrachte jeden Abend zu Hause. Keine verdächtige Post, keine verdächtigen Anrufe. Hat keine schlechten Angewohnheiten. Führt ein unauffälliges und anspruchsloses Leben. Hat einen guten Ruf.
Detective, Dienstnummer 16
Vermerk: Vollständige Angaben zu Oscar Lewins Vergangenheit, Angewohnheiten etc. sind auf Wunsch über Timothy Cronin, Assistent des Staatsanwalts, erhältlich.
T.V.
Der Inspektor seufzte, als er die fünf Blätter mit den Berichten durchgesehen hatte, erhob sich, nahm Hut und Mantel ab, warf sie dem bereits wartenden Djuna in die Arme und setzte sich wieder hin. Dann nahm er den letzten Bericht, der sich in dem Umschlag befunden hatte – ein größeres Blatt, an das ein kleiner Streifen Papier mit der Aufschrift VERMERK FÜR R. Q. geheftet war. Auf dem Streifen stand noch:
Dr. Prouty ließ den beigefügten Bericht heute morgen zur Weiterleitung an Sie bei mir zurück. Es tut ihm leid, daß er nicht persönlich bei Ihnen vorsprechen kann, aber der Burbridge-Giftmord nimmt seine ganze Zeit in Anspruch.
In vertrauter Weise war der Text unterzeichnet mit Velies hingekritzelten Initialen.
Das daran angeheftete Blatt war eine hastig heruntergetippte Botschaft unter dem Briefkopf des gerichtsmedizinischen Instituts.
Lieber Q [so lautete die Botschaft]: Hier noch ein kleiner Dämpfer in bezug auf das Tetrableiäthyl. Jones und ich haben eine umfassende Untersuchung durchführen lassen, um seiner Herkunft auf die Spur zu kommen. Ohne Erfolg, und ich glaube, Sie müssen sich in bezug darauf in Ihr Schicksal fügen. Sie werden das Gift, mit dem Monte Field getötet wurde, nicht zurückverfolgen können. Das ist nicht nur die Meinung Ihres untertänigsten Dieners, sondern auch die vom Chef und von Jones. Wir stimmen alle darin überein, daß das mit dem Benzin wohl die wahrscheinlichste Erklärung ist. Versuch daraus mal eine Spur zu machen, Sherlocko!
Ein handgeschriebenes Postscriptum Dr. Proutys lautete:
Sollte sich noch irgend etwas ergeben, werde ich Sie es natürlich wissen lassen. Bleiben Sie nüchtern!
»Das ist ja alles ziemlich unerfreulich«, murmelte der Inspektor, während Ellery wortlos das verlockend wirkende Mahl in Angriff nahm, das der unbezahlbare Djuna zubereitet hatte. Schlecht gelaunt stocherte der Inspektor im Obstsalat herum. Er wirkte ganz und gar nicht glücklich. Er murmelte vor sich hin, warf unheilvolle Blicke auf die Blätter mit den Berichten, schaute auf Ellerys abgespanntes Gesicht und dessen kräftig arbeitenden Kiefer und warf schließlich sogar seinen Löffel beiseite.
»Etwas Nutzloseres und Ärgerlicheres als dieser Haufen Berichte ist mir noch nicht untergekommen!« grollte er.
Ellery lächelte. »Denk immer an Periander … Was? Bitte etwas mehr Höflichkeit, Sir … Periander von Korinth, der irgendwann einmal sehr nüchtern bemerkt hat: ›Dem Fleißigen ist nichts unmöglich!‹«
Während das Kaminfeuer noch loderte, rollte sich Djuna in seiner Lieblingsposition in einer Ecke auf dem Fußboden zusammen. Ellery rauchte eine Zigarette und blickte zufrieden in die Flammen; voller Zorn stopfte sich der alte Queen den Inhalt seiner Schnupftabakdose in die Nase. Die beiden machten sich nun an ein ernsthaftes Gespräch. Oder um es genauer auszudrücken – Inspektor Queen machte sich daran und brachte auch die ernsthafte Note in das Gespräch, während Ellery in erhaben verträumter Stimmung weit weg von solch niedrigen Dingen wie Verbrechen und Sühne zu sein schien.
Hart schlug der alte Mann mit der Hand auf die Armlehne seines Stuhls. »Ellery, hast du schon jemals einen solch nervenaufreibenden Fall erlebt?«
»Ganz das Gegenteil ist der Fall«, meinte Ellery dazu und blickte mit halb geschlossenen Augen in die Flammen. »Deine Nerven lassen nach. Du läßt zu, daß dich so unbedeutende Dinge wie das Ergreifen eines Mörders übermäßig in Aufregung versetzen. Entschuldige meine hedonistische Einstellung zum Leben … Vielleicht kannst du dich daran erinnern, daß in meinem Buch ›Das Geheimnis des schwarzen Fensters‹ meine guten Detektive keinerlei Probleme hatten, den Verbrecher zu ergreifen. Und warum? Weil sie immer kühlen Kopf behielten. Schlußfolgerung: Behalte immer einen kühlen Kopf … Ich denke bereits an morgen. Ach wie herrlich, in Urlaub zu fahren!«
»Für einen gebildeten jungen Mann, mein Sohn«, knurrte der Inspektor gereizt, »drückst du dich wirklich erstaunlich unverständlich aus. Du sagst oft Sachen, die nichts bedeuten, und meinst etwas, wenn du nichts sagst. Nein – ich bin wirklich ganz durcheinander!«
Ellery brach in Gelächter aus. »Die Wälder in Maine – die herbstlichen Farben – Chauvins Hütte am See – eine Angelrute
– die gute Luft. – Oh Gott, wann wird denn endlich morgen sein?«
Inspektor Queen schaute seinen Sohn voll mitfühlender Ungeduld an. »Ich – ich wüßte nur gerne … Nun, kann dir ja egal sein.« Er seufzte. »Aber das eine sage ich dir, wenn mein kleiner Einbrecher versagt, sind wir aufgeschmissen.«
»Zum Teufel mit allen Einbrechern!« rief Ellery. »Was hat Pan schon mit den irdischen Widerwärtigkeiten zu schaffen? Mein nächstes Buch ist bereits so gut wie fertig, Vater.«
»Du Schurke hast dir wohl wieder deine Einfälle aus dem wirklichen Leben abgeschaut«, murmelte der alte Mann. »Solltest du den Field-Mord für deinen neuesten Fall verwenden, so wäre ich schrecklich daran interessiert, die letzten Kapitel zu lesen.«
»Armer Vater!« sagte Ellery grinsend. »Nimm das Leben doch nicht so schwer! Wenn du es nicht schaffst, dann schaffst du es eben nicht. Monte Field ist diese ganze Aufregung nun wirklich nicht wert.«
»Darum geht’s ja gar nicht«, sagte der alte Mann. »Ich hasse es nur, Niederlagen einzugestehen … Was für ein wirres Durcheinander von Motiven und Machenschaften! Das ist die härteste Nuß, die ich jemals zu knacken hatte. Der Fall könnte einen zum Wahnsinn treiben. Ich weiß, wer den Mord begangen hat – ich weiß, warum der Mord begangen wurde – ich weiß sogar, wie der Mord begangen wurde. Und wo steh’ ich damit?« Er machte eine Pause und nahm wütend eine Prise Schnupftabak. »Unendlich weit vom Ziel entfernt – genau dort!« knurrte er und ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen.