»Es ist hier noch Vieles im Entstehen und Werden begriffen«, sagte mein Gastfreund, »aber es geht langsam vorwärts. Man muß die Vorurteile der Leute schonen, die unter anderen Umgebungen herangewachsen und sie gewohnt sind, damit sie nicht durch das Neue beirrt werden und ihre Liebe zur Arbeit verlieren. Wir müssen uns beruhigen, daß schon so Vieles geschehen ist, und auf das Weitere hoffen.«
Die Leute, welche dieses Haus bewohnten, waren damit beschäftigt, das Heu, welches gestern gemäht worden war, einzubringen oder, wo es not tat, vollkommen zu trocknen. Mein Gastfreund redete mit Manchem und fragte um Verschiedenes, das sich auf die täglichen Geschäfte bezog.
Als wir von der entgegengesetzten Seite des Hauses fortgingen, sahen wir auch den Garten, in welchem die Gemüse und andere Dinge für den Gebrauch des Hofes gezogen wurden.
Auf dem Rückwege schlugen wir eine andere Richtung ein, als auf der wir gekommen waren. Hatten wir auf unserem Herwege den großen Kirschbaum nördlich gelassen, so ließen wir ihn jetzt südlich, so daß es schien, daß wir den ganzen Garten des Hauses umgehen würden. Wir stiegen gegen jene Wiese hinan, von der mir mein Gastfreund gestern gesagt hatte, daß sie die nördliche Grenze seines Besitztums sei und daß er sie nicht nach seinem Willen habe verbessern können. Der Weg führte sachte aufwärts, und in der Tiefe der Wiese kam uns in vielen Windungen ein Bächlein, das mit Schilf und Gestrippe eingefaßt war, entgegen. Als wir eine Strecke gegangen waren, sagte mein Begleiter: »Das ist die Wiese, die ich euch gestern von dem Hügel herab gezeigt habe und von der ich gesagt habe, daß bis dahin unser Eigentum gehe und daß ich sie nicht habe einrichten können, wie ich gewollt hätte. Ihr seht, daß die Stellen an dem Bache versumpft sind und saures Gras tragen. Dem wäre leicht abzuhelfen und das mildeste Gras zu erzielen, wenn man dem Bache einen geraden Lauf gäbe, daß er schneller abflösse, die Wände hie und da mit Steinen ausmauerte und die Niederungen mit trockener Erde anfüllte. Ich kann euch jetzt den Grund zeigen, weshalb dieses nicht geschieht. Ihr seht an beiden Seiten des Baches Erlenschößlinge wachsen. Wenn ihr näher herzutretet, so werdet ihr sehen, daß diese Schößlinge aus dicken Blöcken, gleichsam aus Knollen und Höckern von Holz hervorwachsen, welches Holz teils über der Erde ist, teils in dem feuchten Boden derselben steckt.«
Wir waren bei diesen Worten zu dem Bache hinzugegangen, und ich sah, daß es so war.
»Diese ungestalteten Anhäufungen von Holz«, fuhr er fort, »aus denen die dünnen Ruten oder krüppelhafte Äste hervorragen, bilden sich hier in sumpfigem Boden, sie entstehen aber auch im Sande oder in Steinen und sind ein Aftererzeugnis des sonst recht schön emporwachsenden Erlenbaumes. In dem vielteiligen Streben des Holzes, eine Menge Ruten oder zwieträchtige Äste anzusetzen und sich selber dabei zu vergrößern, entsteht ein solches Verwinden und Drehen der Fasern und Rinden, daß, wenn man einen solchen Block auseinandersägt und die Sägefläche glättet, sich die schönste Gestaltung von Farbe und Zeichnung in Ringen, Flammen und allerlei Schlangenzügen darstellt, so daß diese Gattung Erlenholz sehr gesucht für Schreinerarbeiten und sehr kostbar ist. Als ich das Anwesen hier gekauft, die Wiese besehen und die Erlenblöcke entdeckt hatte, ließ ich einen ausgraben, auseinandersägen und untersuchte ihn dann. Da fand ich, der ich damals im Erkennen des Holzes schon mehrere Übung hatte, daß diese Blöcke zu den schönsten gehören, die bestehen, und daß die feurige Farbe und der weiche, seidenartige Glanz des Holzes, auf welche Dinge man besonders das Augenmerk richtet, kaum ihresgleichen haben dürften. Ich ließ mehrere Blöcke ausgraben und Blätter aus ihnen schneiden. Ihr werdet die Verwendung derselben in unserer Nachbarschaft sehen, wenn ihr uns wieder besuchen wollt und uns Zeit gebt, euch dorthin zu führen, wo sie sind. Die übrigen Blöcke ließ ich in dem Boden als einen Schatz, der da bleiben und sich vermehren sollte. Nur wenn einer derselben nicht mehr zu treiben, sondern vielmehr abzusterben beginnt, wird er herausgenommen und wird zu Blättern geschnitten, welche ich dann zu künftigen Arbeiten aufbewahre oder verkaufe. An seiner Stelle bildet sich dann leicht ein anderer. Zu dem Entschlusse, diesen Anwuchs zu pflegen, kam ich, nachdem ich einerseits vorher nach und nach die Gegend um unser Haus immer näher kennen gelernt, alle Talmulden und Bachrinnen erforscht und nirgends auch nur annähernd so brauchbares Erlenholz gefunden hatte, und nachdem anderseits auch das, was mir auf mein Verlangen aus mehreren Orten eingesendet worden war, sich dem unseren als nicht gleichkommend gezeigt hatte. Ich ließ oberhalb des Erlenwuchses einen Wasserbau aufführen, um die Pflanzung vor Überschwemmung und Überkiesung zu sichern und das zu sehr anschwellende Wasser in ein anderes Rinnsal zu leiten. Meine Nachbarn sahen das Zweckdienliche der Sache ein, und zwei derselben legten sogar in öden Gründen, die nicht zu entwässern waren, solche Erlenpflanzungen an. Mit welchem Erfolge dies geschah, läßt sich noch nicht ermitteln, da die Pflanzen noch zu jung sind.«
Wir betrachteten die Reihen dieser Gewächse und gingen dann weiter.
Wir gingen die Wiese entlang, streiften an einem Gehölze hin, überschritten den Wasserbau, von dem mein Gastfreund gesprochen hatte, und begannen nicht nur den Garten, sondern den ganzen Getreidehügel, auf dem das Haus steht, zu umgehen.
Da die Sonne immer wärmer, wenn auch nicht gar heiß schien, wunderte ich mich, daß keiner von meinen zwei Begleitern eine Bedeckung auf dem Haupte trug. Sie waren ohne einer solchen von dem Hause fortgegangen. Der alte Mann breitete dem Glanz der Sonne die Fülle seiner weißen Haare unter, und der Zögling trug auf seinem Scheitel die dichten, glänzenden braunen Locken. Ich wußte nicht, kamen mir die beiden ohne Kopfbedeckung sonderbar vor oder ich neben ihnen mit meinem Reisehute auf dem Haupte. Der Jüngling hatte wenigstens den Vorteil, daß ihm die Sonne die Wangen noch mehr rötete und noch schöner färbte, als sie sonst waren.
Ich betrachtete ihn überhaupt gerne. Sein leichter Gang war ein heiterer Frühlingstag gegen den zwar auch noch kräftigen, aber bestimmten und abgemessenen Schritt seines Begleiters, seine schlanke Gestalt war der fröhliche Anfang, die seines Erziehers das Hinneigen zum Ende. Was sein Benehmen anbelangt, so war er zurückgezogen und bescheiden und mischte sich nicht in die Gespräche, außer wenn er gefragt wurde. Ich wendete mich häufig an ihn und fragte ihn um verschiedene Dinge, besonders um solche, die die Gegend umher betrafen und deren Kenntnis ich bei ihm voraussetzen mußte. Er antwortete sicher und mit einer gewissen Ehrerbietung gegen mich, obwohl ich ihm an Jahren nicht so ferne stand als sein Erzieher. Er ging meistens, auch wenn der Weg breit genug gewesen wäre, hinter uns.
Als wir den Hügel vollends umgangen hatten und an mehreren ländlichen Wohnungen vorbeigekommen waren, stiegen wir auf der nehmlichen Seite und auf dem nehmlichen Wege gegen das Haus empor, auf welchem ich gestern gegen dasselbe hinangekommen war. Da wir es erreicht hatten, traten uns die Rosen entgegen, wie sie mir gestern entgegengetreten waren. Ich nahm von diesem Anblicke Gelegenheit, meinen Gastfreund der Rosen wegen zu fragen, da ich überhaupt gesonnen war, dieser Blumen willen einmal eine Frage zu tun. Ich bat ihn, ob wir denn zu besserer Betrachtung nicht näher auf den großen Sandplatz treten wollten. Wir taten es und standen vor der ganzen Wand von Blumen, die den unteren Teil des weißen Hauses deckte.