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Als wir von dem Spaziergange zurückgekehrt waren und es Abend wurde, versammelten wir uns an dem Kamine des Speisezimmers, in welchem ein lustiges Feuer brannte. Auch Eustach wurde herüber geholt, und der weiße Gärtner mußte kommen und sagen, welche Fortschritte die Pflanzen in den Winterbeeten und in den Gewächshäusern gemacht hatten. Die Haushälterin Katharina setzte hie und da ein warmes Getränke auf ein Tischchen.

Am andern Tage morgens ging ich zu meinem Gastfreunde in das Fütterungszimmer, um zuzusehen. Er suchte sich alle Gattungen Nahrung aus den Fächern zurecht, öffnete dann die Fenster und tat das Futter auf die Brettchen. Er blieb an dem Fenster stehen und ich bei ihm. Trotzdem kamen die Vögel in Bögen oder geraden Linien herbei geflogen. Ihn fürchteten sie nicht, weil sie ihn als den Nährvater kannten, und mich nicht, weil ich bei ihm stand. Sie drängten sich, pickten, zwitscherten und balgten sich sogar mitunter.

»Ich gebe im späteren Frühlinge und Sommer den Weibchen sehr gerne noch eine leckere Draufgabe«, sagte er, »weil manches Mal eine bedrängte Mutter unter ihnen sein kann. Die so hastig und zugleich so erschreckt fressen, sind Fremde. Sie würden um keinen Preis zu einem Menschen herzu gehen, wenn sie nicht der bitterste Hunger nötigte. Ich habe in harten Wintern schon die seltensten Vögel auf diesen Brettern gesehen.«

Als alles vorüber war und sich keine Gäste mehr einfanden, schloß er die Fenster.

Ich stieg von da auf den Dachboden des Hauses empor, weil er gesagt hatte, daß jetzt auch den Hasen außerhalb des Gartens Futter gestreut würde und daß man sie von da sehen könnte. Sie haben noch nichts als die karge Wintersaat und Nadelreiser, weshalb man noch nachhelfen müsse. Da die Magd die Blätter ausgestreut und sich entfernt hatte, kamen schon Hasen herzu. Ich schraubte ein Fernrohr an einen Balken, und es war lächerlich anzusehen, worauf mich Gustav aufmerksam machte, wenn ein riesiger Hase in dem Fernrohre saß, mit schreckhaften Augen auf das verdächtige Mahl sah und schnell die Lippen bewegte, als fräße er schon. Da ich auch dies gesehen hatte, stieg ich wieder herunter und ging mit Gustav in das Zimmer, in welchem die Geräte zur Naturlehre standen.

Es sollte nun erst das Frühmahl eingenommen werden. Dasselbe wurde zur Winterszeit immer in dem Zimmer der naturwissenschaftlichen Gerätschaften genommen, weil man, da man einen Teil des Vormittages in seinen Zimmern zubrachte, nicht eigens dazu in das Speisezimmer hinabsteigen wollte und weil in derselben Zeit in den andern Wohngemächern des alten Mannes, im Arbeitszimmer und Schlafzimmer, eben aufgeräumt und gelüftet wurde.

Mein Gastfreund erwartete mich und Gustav schon, denn er war nicht mit uns auf den Dachboden hinauf gestiegen. Das Gemach war sanft erwärmt, und in der Nähe des Ofens stand ein Tisch, der gedeckt und mit allen Geräten versehen war, ein angenehmes Frühmahl zu bereiten. Er stand auf einem freien Raume, um den herum sich die Werkzeuge der Wissenschaft befanden.

Da wir nach dem Frühmahle nun so saßen, da eine anmutige Wärme das Zimmer erfüllte, da von dem Widerscheine der ganz schief die Fenster treffenden Morgensonne das Messing, das Glas und das Holz der verschiedenartigen Werkzeuge erglänzte, sagte ich zu meinem alten Gastfreunde: »Es ist seltsam, da ich von eurer Besitzung in die Stadt und ihre Bestrebungen kam, lag mir euer Wesen hier wie ein Märchen in der Erinnerung, und nun, da ich hier bin und das Ruhige vor mir sehe, ist mir dieses Wesen wieder wirklich und das Stadtleben ein Märchen. Großes ist mir klein, Kleines ist mir groß.«

»Es gehört wohl Beides und Alles zu dem Ganzen, daß sich das Leben erfülle und beglücke«, antwortete er. »Weil die Menschen nur ein Einziges wollen und preisen, weil sie, um sich zu sättigen, sich in das Einseitige stürzen, machen sie sich unglücklich. Wenn wir nur in uns selber in Ordnung wären, dann würden wir viel mehr Freude an den Dingen dieser Erde haben. Aber wenn ein Übermaß von Wünschen und Begehrungen in uns ist, so hören wir nur diese immer an und vermögen nicht die Unschuld der Dinge außer uns zu fassen. Leider heißen wir sie wichtig, wenn sie Gegenstände unserer Leidenschaften sind, und unwichtig, wenn sie zu diesen in keinen Beziehungen stehen, während es doch oft umgekehrt sein kann.«

Ich verstand dieses Wort damals noch nicht so ganz genau, ich war noch zu jung und hörte selber oft nur mein eigenes Innere reden, nicht die Dinge um mich.

Gegen Mittag kam derjenige meiner Koffer, den ich in das Rosenhaus bestellt hatte. Ich packte ihn aus und zeigte Gustav, der mich besuchte, manche Bücher, Zeichnungen und andere Dinge, die er enthielt, und richtete mich in meinem Zimmer häuslich ein.

So gingen nun mehrere Tage dahin.

In diesem Hause war jeder unabhängig und konnte seinem Ziele zustreben. Nur durch die gemeinsame Hausordnung war man gewissermaßen zu einem Bande verbunden. Selbst Gustav erschien völlig frei. Das Gesetz, welches seine Arbeiten regelte, war nur einmal gegeben, es war sehr einfach, der Jüngling hatte es zu dem seinigen gemacht, er hatte es dazu machen müssen, weil er verständig war, und so lebte er darnach.

Gustav bat mich sehr, ich möchte einmal seinem Unterrichte in der Naturlehre beiwohnen. Ich sagte es meinem Gastfreunde, und dieser hatte nichts dawider. So war ich dann nicht einmal, sondern mehrere Male bei diesem Unterrichte zugegen. Mein alter Gastfreund saß in einem Lehnsessel und erzählte. Er beschrieb eine Erscheinung, er machte die Erscheinung recht deutlich, zeigte sie, wenn es möglich war, mit den Vorrichtungen seiner Sammlung oder, wo dies nicht möglich war, suchte er sie durch Zeichnung oder Versinnbildlichung darzustellen. Dann erzählte er, auf welchem Wege die Menschen zur Kenntnis dieser Erscheinung gekommen waren. Wenn er dieses vollendet hatte, tat er das gleiche mit einer zweiten, verwandten Erscheinung. Und wenn er nun einen Kreis von zusammengehörigen Erscheinungen, der ihm hinlänglich schien, ausgeführt hatte, dann hob er dasjenige, was allen Erscheinungen gleichartig ist, hervor und stellte die Grunderscheinung oder das Gesetz dar. Bei diesem Unterrichte, wurde nicht ein gewisses Buch zu Grunde gelegt, sondern Gustav schrieb später das, was ihm erzählt worden war, aus dem Gedächtnisse auf, der alte Mann besserte es dann in seiner Gegenwart aus, und so erhielt der Knabe nicht nur ein Handbuch der Naturwissenschaft, sondern lernte den Stoff selber schon durch das Aufschreiben und Ausbessern. Was sich Gustav angeeignet hatte, wurde zu Zeiten gleichsam in freundlichen Gesprächen durchgenommen. Die Sprache des Unterrichtes war stets so einfach und klar, daß ich meinte, ein Kind müsse diese Dinge verstehen können. Mir fiel es jetzt erst recht auf, wie ungehörig manche Lehrer in der Stadt in dieser Wissenschaft verfahren, welche sie gewissermaßen in eine wissenschaftliche Necksprache kleiden, die ein Schüler nicht versteht und mit welcher sie die Mathematik so in eins verflechten, daß beide beides nicht sind und ein Ganzes auch nicht darstellen. Ich sah, daß Gustav auch die Rechnung auf die Naturlehre anwandte, aber wo er es tat, erkannte ich, daß er es stets mit Sachkenntnis und Klarheit tat, und daß er immer die Rechnung nicht als Hauptsache, sondern hier als Dienerin der Natur betrachtete. Ich urteilte aus meinen eigenen früheren Arbeiten, daß er auch in diesem Fache einen gründlichen Unterricht erhalten haben mußte. Ich fragte ihn einmal darnach und erfuhr, daß auch hierin sein Ziehvater sein Lehrer gewesen sei.