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Ich kleidete mich an, richtete meine Gedanken zu Gott und setzte mich zu meiner Arbeit.

Nach geraumer Zeit hörte ich durch meine Fenster, welche ich bei weiter fortschreitendem Morgen geöffnet hatte, daß auch am äußersten Ende des Hauses gegen Osten Fenster erklangen, welche geöffnet wurden. In jener Gegend wohnten die Frauen in den schönen, nach weiblicher Art eingerichteten Gemächern. Ich ging zu meinem Fenster, schaute hinaus und sah wirklich, daß alle Fensterflügel an jenem Teile des Hauses offen standen. Nach einer Zeit, da es bereits zur Stunde des Frühmahles ging, hörte ich weibliche Schritte an meiner Tür vorüber der Marmortreppe zugehen, welche mit einem weichen Teppiche belegt war. Ich hatte auch, obwohl sie gedämpft war, wahrscheinlich, um mich nicht zu stören, Gustavs Stimme erkannt.

Ich ging nach einer kleinen Weile auch über die Marmortreppe an dem Marmorbilde der Muse vorüber in das Speisezimmer hinunter.

Der Tag verging ungefähr wie der vorige, und so verflossen nach und nach mehrere.

Die Ordnung des Hauses war durch die Ankunft der Frauen fast gar nicht gestört worden, nur daß solche Vorrichtungen vorgenommen werden mußten, welche die Aufmerksamkeit für die Frauen verlangte. Die Unterrichts- und Lernstunden Gustavs wurden eingehalten wie früher, und ebenso ging die Beschäftigung meines Gastfreundes ihren Gang. Mathilde beteiligte sich nach Frauenart an dem Hauswesen. Sie sah auf das, was ihren Sohn betraf, und auf alles, was das häusliche Wohl des alten Mannes anging. Sie wurde gar nicht selten in der Küche gesehen, wie sie mitten unter den Mägden stand und an den Arbeiten Teil nahm, die da vorfielen. Sie begab sich auch gerne in die Speisekammer, in den Keller oder an andere Orte, die wichtig waren. Sie sorgte für die Dinge, welche den Dienstleuten gehörten, insoferne sie sich auf ihre Nahrung bezogen oder auf ihre Wohnung oder auf ihre Kleider und Schlafstellen. Sie legte das Linnen, die Kleider und anderes Eigentum des alten Herrn und ihres Sohnes zurecht und bewirkte, daß, wo Verbesserungen notwendig waren, dieselben eintreten könnten. Unter diesen Dingen ging sie manches Mal des Tages auf den Sandplatz vor dem Hause und betrachtete gleichsam wehmütig die Rosen, die an der Wand des Hauses empor wuchsen. Natalie brachte viele Zeit mit Gustav zu. Die Geschwister mußten sich außerordentlich lieben. Er zeigte ihr alle seine Bücher, namentlich die neu zu den alten hinzu gekommen waren, er erklärte ihr, was er jetzt lerne, und suchte sie in dasselbe einzuweihen, wenn sie es auch schon wußte und früher die nehmlichen Weg gegangen war. Wenn es die Umstände mit sich brachten, schweiften sie in dein Garten herum und freuten sich all des Lebens, was in demselben war, und freuten sich des gegenseitigen Lebens, das sich an einander schmiegte und dessen sie sich kaum als eines gesonderten bewußt wurden. Die Zeit, welche alle frei hatten, brachten wir häufig gemeinschaftlich mit einander zu. Wir gingen in den Garten oder saßen unter einem schattigen Baume oder machten einen Spaziergang oder waren in dem Meierhofe. Ich vermochte nicht in die Gespräche so einzugehen, wie ich es mit meinem Gastfreunde allein tat, und wenn auch Mathilde recht freundlich mit mir sprach, so wurde ich fast immer noch stummer.

Die Rosen fingen an, sich stets mehr zu entwickeln, sehr viele waren bereits aufgeblüht und stündlich öffneten andere den sanften Kelch. Wir gingen sehr oft hinaus und betrachteten die Zierde, und es mußte manchmal eine Leiter herbei, um irgend etwas Störendes oder Unvollkommenes zu entfernen.

Die Mittage waren lieb und angenehm. Auch das, daß Mathilde und Natalie so fein und passend, wenn auch einfach angezogen waren, wie ich es von meiner Mutter und Schwester gewohnt war, gab dem Mahle einen gewissen Glanz, den ich früher vermißt hatte. Die Vorhänge waren gegen die unmittelbare Sonne jederzeit zu, und es war eine gebrochene und sanfte Helle in dem Zimmer.

Die Abende nach dem Abendessen brachten wir immer im Freien zu, da noch lauter schöne Tage gewesen waren. Meistens saßen wir bei dem großen Kirschbaume oben, welches bei weitem der schönste Platz zu einem Abendsitze war, obgleich er auch zu jeder andern Zeit, wenn die Hitze nicht zu groß war, mit der größten Annehmlichkeit erfüllte. Mein Gastfreund führte die Gespräche klar und warm, und Mathilde konnte ihm entsprechend antworten. Sie wurden mit einer Milde und Einsicht geführt, daß sie immer an sich zogen, daß ich gerne meine Aufmerksamkeit hin richtete und, wenn sie auch Gewöhnliches betrafen, etwas Neues und Eindringendes zu hören glaubte. Der alte Mann führte dann die Frau im Sternenscheine oder bei dem schwachen Lichte der schmalen Mondessichel, die jetzt immer deutlicher in dem Abendrote schwamm, über den Hügel in das Haus hinab, und die schlanken Gestalten der Kinder gingen an den dunkeln Büschen dahin.

Das war alles so einfach, klar und natürlich, daß es mir immer war, die zwei Leute seien Eheleute und Besitzer dieses Anwesens, Gustav und Natalie seien ihre Kinder, und ich sei ein Freund, der sie hier in diesem abgeschiedenen Winkel der Welt besucht habe, wo sie den stilleren Rest ihres Daseins in Unscheinbarkeit und Ruhe hinbringen wollten.

Eines Tages wurde eine feierliche Mahlzeit in dem Speisezimmer gehalten. Es war Eustach, dann der Hausaufseher, der alte Gärtner mit seiner Frau, der Verwalter des Meierhofes und die Haushälterin Katharina geladen worden. Statt Katharinen mußte ein anderes die Herrschaft in der Küche führen. Es mußte, wie ich aus allem entnahm, jedes Mal bei der Anwesenheit Mathildens die Sitte sein, ein solches Gastmahl abzuhalten; die Leute fanden sich auf eine natürliche Art in die Sache, und die Gespräche gingen mit einer Gemäßheit vor sich, welche auf Übung deutete. Mathilde konnte sie veranlassen, etwas zu sagen, was paßte und was daher dem Sprechenden ein Selbstgefühl gab, das ihm den Aufenthalt in der Umgebung angenehm machte. Eustach allein erhielt die Auszeichnung, daß man das bei ihm nicht für nötig erachtete, er sprach daher auch weniger und nur in allgemeinen Ausdrücken über allgemeine Dinge. Er empfand, daß er der höheren Gesellschaft zugezählt werde, wie ich es auch, da ich ihn näher kennen gelernt hatte, ganz natürlich fand, während die anderen nicht merkten, daß man sie empor hebe. Der Gärtner und seine Frau waren in ihrem weißen, reinlichen Anzuge ein sehr liebes greises Paar, welches auch die anderen mit einer gewissen Auszeichnung behandelten. An Speisen war eine etwas reichlichere Auswahl als gewöhnlich, die Männer bekamen einen guten Gebirgswein zum Getränke, für die Frauen wurde ein süßer neben die Backwerke gestellt.

Da die Rosen immer mehr der Entfaltung entgegen gingen, wurden einmal Sessel und Stühle in einem Halbkreise auf dem Sandplatze vor dem Hause aufgestellt, so daß die Öffnung des Kreises gegen das Haus sah, und ein langer Tisch wurde in die Mitte gestellt. Wir setzten uns auf die Sessel, der Gärtner Simon war gerufen worden, Eustach kam, und von den Leuten und Gartenarbeitern konnte kommen, wer da wollte. Sie machten auch Gebrauch davon. Die Rosen wurden einer sehr genauen Beurteilung unterzogen. Man fragte sich, welche die schönsten seien oder welche dem einen oder dem anderen mehr gefielen. Die Aussprüche erfolgten verschieden und jedes suchte seine Meinung zu begründen. Es lagen Druckwerke und Abbildungen auf dem Tische, zu denen man dann seine Zuflucht nahm, ohne eben jedes Mal ihrem Ausspruche beizupflichten. Man tat die Frage, ob man nicht Bäumchen versetzen solle, um eine schönere Mischung der Farben zu erzielen. Der allgemeine Ausspruch ging dahin, daß man es nicht tun solle, es täte den Bäumchen wehe, und wenn sie groß wären, könnten sie sogar eingehen; eine zu ängstliche Zusammenstellung der Farben verrate die Absicht und störe die Wirkung; eine reizende Zufälligkeit sei doch das Angenehmste. Es wurde also beschlossen, die Bäume stehen zu lassen, wie sie standen. Man sprach sich nun über die Eigenschaften der verschiedenen Bäumchen aus, man beurteilte ihre Trefflichkeit an sich, ohne auf die Blumen Rücksicht zu nehmen, und oft wurde der Gärtner um Auskunft angerufen. Über die Gesundheit der Pflanzen und ihre Pflege konnte kein Tadel ausgesprochen werden, sie waren heuer so vortrefflich, wie sie alle Jahre vortrefflich gewesen waren. Auf den Tisch wurden nun Erfrischungen gestellt und alle jene Vorrichtungen ausgebreitet, die zu einem Vesperbrote notwendig sind. Aus den Reden Mathildens sah ich, daß sie mit allen hier befindlichen Rosenpflanzen sehr vertraut sei und daß sie selbst kleine Veränderungen bemerkte, welche seit einem Jahre vorgegangen sind. Sie mußte wohl Lieblinge unter den Blumen haben, aber man erkannte, daß sie allen ihre Neigung in einem hohen Maße zugewendet habe. Ich schloß aus diesem Vorgange wieder, welche Wichtigkeit diese Blumen für dieses Haus haben.