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»Und das scheint mir hier der Fall zu sein«, sagte ich.

»Es ist nicht Alles alt«, erwiderte er. »Viele Dinge sind so unwiederbringlich verloren gegangen, daß es fast unmöglich ist, eine ganze Wohnung mit Gegenständen aus der selben Zeit einzurichten, daß kein notwendiges Stück fehlt. Wir haben daher lieber solche Stücke im alten Sinn neu gemacht, als alte Stücke von einer ganz anderen Zeit zugemischt. Damit aber Niemand irre geführt werde, ist an jedem solchen altneuen Stücke ein Silberplättchen eingefügt, auf welchem die Tatsache in Buchstaben eingegraben ist.«

Er zeigte mir nun jene Gegenstände, welche in dem Schreinerhause als Ergänzung hinzugemacht worden sind.

Trotzdem war bei mir der Eindruck immer derselbe, und ich hatte beständig und beständig den Gedanken an meinen Vater in dem Haupte. Man führte mich auch zu den alten, schweren, mit Gold und Silber durchwirkten Fenstervorhängen und zeigte mir dieselben als echt, so auch die ledernen, mit Farben und Metallverzierungen versehenen Belege der Zimmerwände. Nur hat man da in dem Leder nachhelfen und ihm Nahrung geben müssen.

Als ich diese ernsten und feierlichen Gemächer genugsam betrachtet hatte, öffnete Mathilde das schwere Schloß der Ausgangstür, und wir kamen in mehrere unbedeutende Räume, die nach Norden sahen, worunter auch der allgemeine Eintrittssaal und das Speisezimmer waren. Von da gelangten wir in den Flügel, dessen Fenster die Morgensonne hatten. Hier waren die Wohnzimmer Mathildens und Nataliens. Jede hatte ein größeres und ein kleineres Gemach. Sie waren einfach mit neuen Geräten eingerichtet und drückten durch Dinge unmittelbaren Gebrauches die Bewohntheit aus, ohne daß ich die vielen Spielereien sah, mit denen gerne, zwar nicht bei meinen Eltern, aber an anderen Orten unserer Stadt, die Zimmer der Frauen angefüllt sind. In jeder der zwei Wohnungen sah ich eine der Zithern, die in dem Rosenhause gewesen waren. Bei Natalien herrschten besonders Blumen vor. Es standen Gestelle herum, auf welche sie von dem Garten herauf gebracht worden waren, um hier zu verblühen. Auch standen größere Pflanzen, namentlich solche, welche schöne Blätter oder einen schönen Bau hatten, in einem Halbkreise und in Gruppen auf dem Fußboden.

In einem Vorsaale, der den Eintritt zu diesen Wohnungen bildete, befand sich ein Clavier.

Die Zimmer im zweiten Stockwerke des Hauses waren geblieben, wie sie früher gewesen waren. Sie sahen so aus, wie sie gerne in weitläufigen alten Schlössern auszusehen pflegen. Sie waren mit Geräten vieler Zeiten, die meistens ohne Geschmack waren, mit Spielereien vergangener Geschlechter, mit einigen Waffen und mit Bildern, namentlich Bildnissen, die nach der Laune des Tages gemacht waren, angefüllt. Namentlich waren an den Wänden der Gänge Abbildungen aufgehängt von großen Fischen, die man einmal gefangen, nebst beigefügter Beschreibung, von Hirschen, die man geschossen, von Federwild, von Wildschweinen und dergleichen. Auch Lieblingshunde fehlten nicht. In diesem Stockwerke waren nach Süden die Gastzimmer, und der Flügel derselben war geordnet worden. Hier befand sich auch mein Zimmer nebst dem Gustavs.

Nach der Besichtigung der Zimmer gingen wir in das Freie. Die breite Haupttreppe aus rotem Marmor führte in den Hof hinab. Derselbe zeigte, wie groß das Gebäude sei. Er war von vier ganz gleichen, langen Flügeln umschlossen. In seiner Mitte war ein Becken von grauem Marmor, in welches sich aus einer Verschlingung von Wassergöttinnen vier Strahlen ergossen. Um das Becken standen vier Ahorne, welche gewiß nicht kleiner waren als die, welche den Schloßhügel säumten. Auf dem Sandplatze unter den Ahornen waren Ruhebänke, ebenfalls aus grauem Marmor. Von diesem Sandplatze liefen Sandwege wie Strahlen auseinander. Der übrige Raum war gleichförmiges Rasen, nur daß an den Mauern des Hauses eine Pflasterung von glatten Steinen herum führte.

Von dem Hofe gingen wir bei dem großen Tore hinaus. Ich wendete mich, da wir draußen waren, unwillkürlich um, um das Gebäude zu betrachten. Über dem Tore war ein ziemlich umfangreiches steinernes Schild mit sieben Sternen. Sonst sah ich nichts, als was ich bei meinem Morgenausblicke aus dem Fenster schon gesehen hatte. Wir gingen auf einem Sandwege des grünen Rasens, wir umgingen das Haus und gelangten hinter demselben in den Garten. Hier sah ich, was ich mir schon früher gedacht hatte, daß das Gebäude, welches man wohl ein Schloß nennen mußte, nur aus den vier großen Flügeln bestehe, welche ein vollkommenes Viereck bildeten. Die Wirtschaftsgebäude standen ziemlich weit entfernt in dem Tale.

Der Garten begann mit Blumen, Obst und Gemüse, zeigte aber, daß er in der Entfernung mit etwas endigen müsse, das wie ein Laubwald aussah. Alles war rein und schön gehalten. Der Garten war auch hier mit gefiederten Bewohnern bevölkert, und man hatte ähnliche Vorrichtungen wie im Asperhofe. Die Bäume standen daher auch vortrefflich und gesund. Rosen zeigten sich ebenfalls viele, nur nicht in so besonderen Gruppierungen wie bei meinem Gastfreunde. Die Gewächshäuser des Gartens waren ausgedehnt und weit größer und sorgfältiger gepflegt als auf dem Asperhofe. Der Gärtner, ein junger und, wie es schien, unterrichteter Mann, empfing uns mit Höflichkeit und Ehrfurcht am Eingange derselben. Er zeigte mir mit mehr Genauigkeit seine Schätze, als ich mit der Rücksicht auf meine Begleiter, denen nichts neu war, für vereinbarlich hielt. Es waren viele Pflanzen aus fremden Weltteilen da, sowohl im warmen als im kalten Hause. Besonders erfreut war er über seine reiche Sammlung von Ananas, die einen eigenen Platz in einem Gewächshause einnahmen.

Nicht weit hinter dem Gewächshause stand eine Gruppe von Linden, welche beinahe so schön und so groß waren wie die in dem Garten des Asperhofes. Auch war der Sand unter ihrem Schattendache so rein gefegt, und um die Ähnlichkeit zu vollenden, liefen auf demselben Finken, Ammern, Schwarzkehlchen und andere Vögel so traulich hin, wie auf dem Sande des Rosenhauses. Daß Bänke unter den Linden standen, ist natürlich. Die Linde ist der Baum der Wohnlichkeit. Wo wäre eine Linde in deutschen Landen — und gewiß ist es in andern auch so — unter der nicht eine Bank stände oder auf der nicht ein Bild hinge oder neben welcher sich nicht eine Kapelle befände. Die Schönheit ihres Baues, das Überdach ihres Schattens und das gesellige Summen des Lebens in ihren Zweigen ladet dazu ein. Wir gingen in den Schatten der Linden.

»Das ist eigentlich der schönste Platz in dem Sternenhofe«, sagte Mathilde, »und jeder, der den Garten besucht, muß hier ein wenig ruhen, daher sollt ihr auch so tun.«

Mit diesen Worten wies sie auf die Bänke, die fast in einem Bogen unter den Stämmen der Linden standen und hinter denen sich eine Wand grünen Gebüsches aufbaute. Wir setzten uns nieder. Das Summen, wie es jedes Mal in diesen Bäumen ist, war gleichmäßig über unserm Haupte, das stumme Laufen der Vögel über den reinen Sand war vor unsern Augen und ihr gelegentlicher Aufflug in die Bäume tönte leicht in unsere Ohren.

Nach einiger Zeit bemerkte ich, daß auch mit Unterbrechungen ein leises Rauschen hörbar sei, gleichsam als würde es jetzt von einem leichten Lüftchen hergetragen, jetzt nicht. Ich äußerte mich darüber.

»Ihr habt recht gehört«, sagte Mathilde, »wir werden die Sache gleich sehen.«

Wir erhoben uns und gingen auf einem schmalen Sandpfade durch die Gebüsche, die sich in geringer Entfernung hinter den Linden befanden. Als wir etwa vierzig oder fünfzig Schritte gegangen waren, öffnete sich das Dickicht und ein freier Platz empfing uns, der rückwärts mit dichtem Grün geschlossen war. Das Grün bestand aus Epheu, welcher eine Mauer von großen Steinen bekleidete, die an ihren beiden Enden riesenhafte Eichen hatte. In der Mitte der Mauer war eine große Öffnung, oben mit einem Bogen begrenzt, gleichsam wie eine große Nische oder wie eine Tempelwölbung. Im Innern dieser Wölbung, die gleichfalls mit Eppich überzogen war, ruhte eine Gestalt von schneeweißem Marmor — ich habe nie ein so schimmerndes und fast durchsichtiges Weiß des Marmors gesehen, das noch besonders merkwürdig wurde durch das umgebende Grün. Die Gestalt war die eines Mädchens, aber weit über die gewöhnliche Lebensgröße, was aber in der Epheuwand und neben den großen Eichen nicht auffiel. Sie stützte das Haupt mit der einen Hand, den anderen Arm hatte sie um ein Gefäß geschlungen, aus welchem Wasser in ein vor ihr befindliches Becken rann. Aus dem Becken fiel das Wasser in eine in den Sand gemauerte Vertiefung, von welcher es als kleines Bächlein in das Gebüsch lief.