Als die Sonne untergegangen war und die sanfte Glut von den Gipfeln der Hochgebirge sich verlor, gingen wir in das Schloß zurück.
Das Abendessen wurde in dem Speisezimmer eingenommen.
So brachten wir mehrere Tage in freundlichem Umgange und in heiteren, mitunter belehrenden Gesprächen hin.
Endlich rüsteten wir uns zur Abreise. Am frühesten Morgen war der Wagen bespannt. Mathilde und Natalie waren aufgestanden, um uns Lebewohl zu sagen. Mein Gastfreund nahm Abschied von Mathilde und Natalie, Eustach und Gustav verabschiedeten sich, und ich glaubte auch einige Worte des Dankes für die gütige Aufnahme an Mathilde richten zu müssen. Sie gab eine freundliche Antwort und lud mich ein, bald wieder zu kommen. Selbst zu Natalie sagte ich ein Wort des Abschiedes, das sie leise erwiderte.
Wie sie so vor mir stand, begriff ich wieder, wie ich bei ihrem ersten Anblicke auf den Gedanken gekommen war, daß der Mensch doch der höchste Gegenstand für die Zeichnungskunst sei, so süß gehen ihre reinen Augen und so lieb und hold gehen ihre Züge in die Seele des Betrachters.
Wir stiegen in den Wagen, fuhren den grünen Rasenhügel hinab, wendeten unsern Weg gegen Norden und kamen spät in der Nacht im Rosenhause an.
Mein Bleiben war nun in diesem Hause nicht mehr lange; denn ich hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Ich packte meine Sachen ein, bezeichnete die Kisten und Koffer, welchen Weg sie zu nehmen hätten, besuchte alle, von denen ich glaubte, Abschied nehmen zu müssen, dankte meinem Gastfreunde für alle Güte und Freundlichkeit, leistete das Versprechen, wieder zu kommen, und wanderte eines Tages über den Rosenhügel hinunter. Da es zu einer Zeit geschah, in welcher Gustav frei war, begleiteten er und Eustach mich eine Stunde Weges.
Die Erweiterung
Ich ging an den Ort, wo ich meine Arbeiten abgebrochen hatte. Die Leute, welche von meiner Absicht, wieder zu kommen, unterrichtet waren, hatten mich schon lange erwartet. Der alte Kaspar, welcher mein treuester Begleiter auf meinen Gebirgswanderungen war und meistens in einem Ledersacke die wenigen Lebensmittel trug, welche wir für einen Tag brauchten, hatte schon mehrere Male in dem Ahornwirtshause um mich gefragt und war gewöhnlich, wie mir die Wirtin sagte, ehe er eintrat, ein wenig auf der Gasse stehen geblieben und hatte auf die vielen Fenster, welche von der hölzernen Zimmerung des Hauses auf die Ahorne hinausschauten, empor geblickt, um zu sehen, ob nicht aus einem derselben mein Haupt hervorrage. Jetzt saß er wieder bei mir an dem langen Eichtentische unter den grünen Bäumen, und die andern, denen er Botschaft getan hatte, fanden sich ein. Ich war sehr erfreut und es rührte mein Herz, als ich sah, daß diese Leute mit Vergnügen mein Wiederkommen ansahen und sich schon auf die Fortsetzung der Arbeit freuten.
Ich ging sehr rüstig daran, gleichsam als ob mich mein Gewissen drängte, das, was ich durch die längere Abwesenheit versäumt hatte, einzubringen. Ich arbeitete fleißiger und tätiger als in allen früheren Zeiten, wir durchforschten die Bergwände längs ihrer Einlagerungen in die Talsohlen und in ihren verschiedenen Höhepunkten, die uns zugänglich waren oder die wir uns durch unsere Hämmer und Meißel zugänglich machten. Wir gingen die Täler entlang und spähten nach Spuren ihrer Zusammensetzungen, und wir begleiteten die Wasser, die in den Tiefen gingen, und untersuchten die Gebilde, welche von ihnen aus entlegenen Stellen hergetragen und immer weiter und weiter geschoben wurden. Der Hauptsammelplatz für uns blieb das Ahornhaus, und wenn wir auch oft länger von demselben abwesend waren und in anderen Gebirgswirtshäusern oder bei Holzknechten oder auf einer Alpe oder gar im Freien übernachteten, so kamen wir in Zwischenräumen doch immer wieder in das Ahornhaus zurück, wir wurden dort als Eingebürgerte betrachtet, meine Leute fanden ihre Schlafstellen im Heu, ich hatte mein beständiges wohleingerichtetes Zimmer und hatte ein Gelaß, in welches ich meine gesammelten Gegenstände konnte bringen lassen.
Oft, wenn ich von dem Arbeiten ermüdet war oder wenn ich glaubte, in dem Einsammeln meiner Gegenstände genug getan zu haben, saß ich auf der Spitze eines Felsens und schaute sehnsüchtig in die Landschaftsgebilde, welche mich umgaben, oder blickte in einen der Seen nieder, wie sie unser Gebirge mehrere hat, oder betrachtete die dunkle Tiefe einer Schlucht, oder suchte mir in den Moränen eines Gletschers einen Steinblock aus und saß in der Einsamkeit und schaute auf die blau oder grüne oder schillernde Farbe des Eises. Wenn ich wieder talwärts kam und unter meinen Leuten war, die sich zusammenfanden, war es mir, als sei mir alles wieder klarer und natürlicher.
Von einem Jägersmanne, welcher aber mehr ein Herumstreicher war, als daß er an einem Platze durch lange Zeit als ein mit dem Bezirke und mit dem Wildstande vertrauter Jäger gedient hätte, ließ ich mir eine Zither über die Gebirge herüber bringen. Er kannte, eben weil er nirgends lange blieb und an allen Orten schon gedient hatte, das ganze Gebirge genau und wußte, wo die besten und schönsten Zithern gemacht würden. Er konnte dies darum auch am besten beurteilen, weil er der fertigste und berühmteste Zitherspieler war, den es im Gebirge gab. Er brachte mir eine sehr schöne Zither, deren Griffbrett von rabenschwarzem Holze war, in welchem sich aus Perlenmutter und Elfenbein eingelegte Verzierungen befanden, und auf welchem die Stege von reinem glänzenden Silber gemacht waren. Die Bretter, sagte mein Bote, könnten von keiner singreicheren Tanne sein; sie ist von dem Meister gesucht und in guten Zeichen und Jahren eingebracht worden. Die Füßlein der Zither waren elfenbeinerne Kugeln. Und in der Tat, wenn der Jägersmann auf ihr spielte, so meinte ich, nie einen süßeren Ton auf einem menschlichen Geräte gehört zu haben. Selbst was Mathilde und Natalie in dem Rosenhause gespielt hatten, war nicht so gewesen; ich hatte weit und breit nichts gehört, was an die Handhabung der Zither durch diesen Jägersmann erinnerte. Ich ließ ihn gerne in meiner Gegenwart auf meiner Zither spielen, weil ihm keine so klang wie diese und weil er sagte, sie müsse eingespielt werden. Er wurde mein Lehrer im Zitherspiele, und ich nahm mir vor, da ich sah, daß er meine Zither allen anderen vorzog, ihm, wenn ich Ursache hätte, mit unseren Lehrstunden zufrieden zu sein, eine gleiche zu kaufen. Er hatte nehmlich erzählt, daß der Meister mehrere aus dem gleichen Holze wie die meinige und in gleicher Art gefertigt habe. Da sie nun ziemlich teuer gewesen war, so schloß ich, daß der Meister die gleichen nicht so schnell werde verkaufen können und daß noch eine werde übrig sein, wenn ich meinem Lehrer zu dem gewöhnlichen Lohne, den ich ihm in Geld zugedacht habe, noch dieses Geschenk würde hinzufügen wollen.
Ich begann in demselben Sommer auch, mir eine Sammlung von Marmoren anzulegen. Die Stücke, die ich gelegentlich fand oder die ich mir erwarb, wurden zu kleinen Körpern geschliffen, gleichsam dicken Tafeln, die auf ihren Flächen die Art des Marmors zeigten. Wenn ich größere Stücke fand, so bestimmte ich sie außer dem, daß ich die gleiche Art in Tafeln in die Sammlung tat, zu allerlei Gegenständen, zu kleinen Dingen des Gebrauches auf Schreibtischen, Schreinen, Waschtischen oder zu Teilen von Geräten oder zu Geräten selbst. Ich hoffte, meinem Vater und meiner Mutter eine große Freude zu machen, wenn ich nach und nach als Nebengewinn meiner Arbeiten eine Zierde in ihr Haus oder gar in den Garten brächte; denn ich sann auch darauf, aus einem Blocke, wenn ich einen fände, der groß genug wäre, ein Wasserbecken machen zu lassen.