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Ich dankte meinem Gastfreunde auf das Verbindlichste für seine Gefälligkeit und versprach, in nichts säumig zu sein.

Am nächsten Morgen trug ein Bote meinen Brief an den Vater und die Briefe meines Gastfreundes an Roland und andere Männer auf die nächste Post. Mein Gastfreund mußte bis in die tiefe Nacht geschrieben haben, denn es war ein ganzes Päckchen von Briefen. Mich rührte diese Güte außerordentlich, denn ich wußte nicht, wie ich sie verdient hatte.

Daß ich in der ersten Zeit meines Aufenthaltes in dem Rosenhause gleich an alle Orte ging, die mir lieb waren, begreift sich.

In dem Zeichnungszimmer Eustachs fand ich den Musiktisch fertig. Es war seit seiner Vollendung erst eine kurze Zeit verflossen, deshalb stand er noch an dieser Stelle. Ich hatte nicht geahnt, daß das Werk, das ich bei Beginn seiner Wiederherstellung gesehen hatte, sich so darstellen würde, wenn es fertig wäre. Ich hatte Bilder, Bauwerke, Zeichnungen und dergleichen in jüngster Zeit in großer Menge gesehen und selber ähnliche Dinge verfertigt, ich konnte mir daher in solchen Sachen ein kleines Urteil zutrauen; aber, wenn ich nicht gewußt hätte, daß der Rahmen und das Gestelle des Tisches neu gemacht worden sei, so hätte ich es nie erkannt, so sehr paßte beides im Baue, in der ganzen Art und selbst in der Farbe des Holzes zu der Platte. Das ganze Werk stand rein, glänzend und klar vor den Augen. Die Farbe der verschiedenen Hölzer an den Verzierungen, am Laubwerke, am Obste und an den Geräten trat unter der Macht des Harzes kräftig und scharf hervor. Selbst die Mißverhältnisse der Größen in den verschiedenen eingelegten Geräten, zum Beispiele zwischen der Flöte, der Geige, der Trommel, welche mir bei meinem ersten Besuche in dem Schreinerhause Anstoß gegeben hatten, erschienen mir jetzt als naiv und hatten etwas Anziehendes für mich, welches mir die Tischplatte lieber machte als wenn sie ganz fehlerfrei oder etwa nach neuen Kunstbegriffen gemacht gewesen wäre. Ich fragte Eustach, wohin der Tisch zu stehen kommen würde. Er konnte es mir nicht sagen. Es sei darüber nichts eröffnet worden, ob er in dem Hause bleiben oder ob er irgend wohin versendet werden würde. Jetzt bleibe er hier stehen, damit alle Nachtrocknungen in jener allmählichen Stufenfolge vor sich gehen können, wie sie bei jedem neuverfertigten Geräte eintreten müssen, daß es nicht Schaden leide. Die meisten der neuverfertigten oder wiederhergestellten Werke seien zu diesem Zwecke in dem Zeichnungszimmer stehen geblieben, wenn sie anders dort Platz hatten. Ich betrachtete den Tisch noch eine Weile und ging dann zu andern Gegenständen über.

Auch die Gärtnerleute besuchte ich, die Leute des Meierhofes, die Gartenarbeiter, die Dienstleute des Hauses und einige Nachbaren, zu denen wir früher öfter gekommen waren und die ich näher kennen gelernt hatte.

Obwohl ich nach dem Rate und der Einladung meines Gastfreundes entschlossen war heuer meine Berufsarbeit, wenigstens jenes Berufes, den ich mir selber aufgelegt hatte, ruhen zu lassen, sondern einen Teil des Sommers in dem Rosenhause zu verleben und mich meiner Laune und dem Augenblicke hinzugeben: hatte ich doch nicht den Willen, gar nichts zu tun, was mir die größte Qual gewesen wäre, sondern mich bei meinen Handlungen von meinem Vergnügen und der Gelegenheit leiten zu lassen. Mein Gastfreund hatte mir die nehmlichen zwei Zimmer eingeräumt, welche ich bisher stets inne gehabt hatte, und freute sich, daß ich seinen Rat befolgen und einmal auch anderswohin sehen wolle als immer einseitig auf meine Arbeiten, und daß ich einmal zu einem allgemeineren Bewußtsein kommen wolle, als zu dem ich mich bisher gebannt hätte. Ich hatte viele Bücher und Schriften mitgebracht, hatte alle Werkzeuge zur Ölmalerei bei mir und hatte doch aus Vorsicht auch einige Vorrichtungen zu Vermessungen und dergleichen eingepackt.

Wenn man von dem Rosenhause über den Hügel, auf dem der große Kirschbaum steht, nordwärts geht, so kömmt man in die Wiese, durch welche der Bach fließt, an dem mein Gastfreund jene Erlengewächse zieht, welche ihm das schöne Holz liefern, das er neben anderen Hölzern zu seinen Schreinerarbeiten verwendet. Wir waren öfter zu diesem Bache gekommen und seinen Ufern entlang gegangen. Er floß aus einem Gehölze hervor, in welchem mein Gastfreund einige Wasserwerke hatte aufführen lassen, um die Wiese vor Überschwemmungen zu sichern und die Verwilderung des Baches zu verhindern. Im Innern des Gehölzes befindet sich ein ziemlich großer Teich, eigentlich ein kleiner See, da er nicht mit Kunst angelegt, sondern größtenteils von selber entstanden war. Nur Geringes hatte man hinzu gefügt, um nicht Versumpfungen an seinen Rändern und Überflutungen bei seinem Ausflusse entstehen zu lassen. Das Wasser dieses Waldbeckens ist so klar, daß man in ziemlicher Tiefe noch alle die bunten Steine sehen kann, welche auf dem Grunde liegen. Nur schienen sie grünlich blau gefärbt, wie es bei allen Wässern der Fall ist, die aus unsern Kalkalpen oder in deren Nähe fließen. Rings um dieses Wasser ist das Gezweige so dicht, daß man keinen Stein und kaum einen Uferrand sehen kann, sondern die Zweige aus dem Wasser zu ragen scheinen. Die Bäume, die da stehen, sind eines Teils Nadelholz, das mit seinem Ernste sich in die Heiterkeit mischt, die auf den Ästen, Blättern und Wipfeln der Laubbäume ruht, die den vorherrschenden Teil bilden. Vorzugsweise ist die Erle, der Ahorn, die Buche, die Birke und die Esche vorhanden. Zwischen den Stämmen ist reichliches Wuchergestrippe. Der Bach in der Erlenwiese meines Gastfreundes verdankt dem See sein Dasein; aber da dieser aus Quellzuflüssen lebt, so ist der ausfließende Bach oft so trocken, daß man, ohne sich die Sohle zu netzen, über seine hervorragenden Steine gehen kann. Wo er aus dem See geht, ist eine kleine Hütte erbaut, die den Hauptzweck hat, daß die, welche in dem See sich baden wollen, in ihr sich entkleiden können. Der Seegrund geht mit seinen schönen Kieseln so sachte in die Tiefe, daß man ziemlich weit vorwärts gehen und das wallende Wasser genießen kann ohne den Grund zu verlieren. Auch zum Lernen des Schwimmens ist dieser Teil sehr geeignet, weil man an allen Stellen Grund findet und sich unbefangener den Übungen hingeben kann. Weiter draußen beginnt das Gebiet derer, die ihrer Arme und ihrer Bewegungen schon vollständig Herr sind. Gustav ging an Sommertagen fast jeden zweiten Tag mit Eustach oder mit jemand anderm oder zuweilen auch mit meinem Gastfreunde zu dem See hinaus, um in demselben zu schwimmen. Diese Tätigkeit, so wie die andern Körperbewegungen und Übungen, die für ihn in dem Rosenhause angeordnet waren, schienen ihm viele Freude zu machen. Mein Gastfreund hielt auf körperliche Übungen sehr viel, da sie zur Entwicklung und Gesundheit unumgänglich notwendig seien. Er lobte diese Übungen sehr an den Griechen und Römern, welche beiden Völker er auf eine hervorragende Weise ehrte. Das liege auf der Hand, pflegte er zu sagen, daß, so wie die Krankheit des Körpers den Geist zu etwas anderem mache, als er in der Gesundheit des Körpers ist, ein kräftiger und in hohem Maße entwickelter Körper die Grundlage zu allem dem abgebe, was tüchtig und herzhaft heißt. Bei den alten Römern ist ein großer Teil ihrer Erfolge in der Geschichte und ihres früheren Glückes in der Pflege und Entwicklung ihres Körpers zu suchen. Ihr Glück dauerte auch nur so lange, als die vernünftige Pflege ihrer Leibesübungen dauerte. In neuen Schulen vernachlässige man diese Pflege zu sehr, die bei uns um so notwendiger wäre, als sich durch das Zusammengehäuftsein in dunstigen und heißen Stuben ohnehin Übel erzeugen, die dem Aufenthalte in freier Luft fremd sind. Darum werden auch die Geisteskräfte von Schülern der neuen Zeit nicht entwickelt wie sie sollten und wie sie es bei Kindern, die in Wald und Feldern schweifen, freilich auf Kosten ihres höheren Wesens, wirklich sind. Daher stamme ein Teil der Schalheit und Trägheit unserer Zeiten. Ich ging mit Gustav jetzt, da ich viele Muße hatte, sehr fleißig zu dem Wäldchen, und da ich in der Kunst des Schwimmens eine große Fertigkeit hatte, so sah er an mir ein Vorbild, dem er nachstreben konnte, und lernte Gelenkigkeit und Ausdauer mehr, als er es ohne mich gekonnt hätte.