Zur Nymphe des Brunnens, die unter der Eppichwand im Garten war, ging ich auch öfter. Früher hatte ich den wunderschönen Marmor bewundert, desgleichen mir nicht vorgekommen war; jetzt erschien mir auch die Gestalt als ein sehr schönes Gebilde. Ich verglich sie mit der auf der Treppe im Hause meines Gastfreundes stehenden. Wenn auch jenes an Hoheit, Würde und Ernst weit den Vorzug in meinen Augen hatte, so war dieses doch auch für mich sehr anmutig, weich und klar, es hatte eine beschwichtigende Ruhe, wie die Göttin eines Quells sollte, und hatte doch wieder jenes Reine und, ich möchte sagen, Fremde, das ein Gemälde nicht hat, das aber der Marmor so gerne zeigt. Ich wurde mir dieser Empfindung des Fremden jetzt klarer bewußt, und ich erfuhr auch, daß sie mich schon in früherer Zeit ergriffen hatte, wenn ich mich Marmorbildwerken gegenüber befand. Es wirkte bei dieser Gestalt noch ein Besonderes mit, was in meiner Beschäftigung der Erdforschung seinen Grund hat, nehmlich, daß der Marmor gar so schön und fast fleckenlos war. Er gehörte zu jener Gattung, die an den Rändern durchscheinend ist, deren Weiße beinahe funkelt und uns verleitet, zu meinen, man sähe die zarten Kristalle wie Eisnadeln oder wie Zuckerkörner schimmern. Diese Reinheit hatte für mich an der Gestalt etwas Erhabenes. Nur dort, wo das Wasser aus dem Kruge floß, den die Gestalt umschlungen hielt, war ein grünlicher Schein in dem Marmor, und der Staffel, auf dem der am tiefsten herabgehende Fuß ruhte, war ebenfalls grün und von unten durch die herauf dringende Feuchtigkeit ein wenig verunreinigt. Der Marmor an dem Bilde meines Freundes war wohl trefflich, es mochte wahrscheinlich parischer sein; aber er hatte schon einigermaßen die Farbe alten Marmors, während die Nymphe wie neu war, als wäre der Marmor aus Carrara. Ich dachte mir wohl auch, und meine Freunde bestätigten es, daß das Bildwerk neueren Ursprunges sei; aber wie bei dem meines Gastfreundes wußte man auch hier den Meister nicht.
Ich saß sehr gerne in der Grotte bei dem Bildwerke. Es war da ein Sitz von weißem Marmor in einer Vertiefung, die sich seitwärts von der Nymphe in das Bauwerk zurück zog und von der aus man die Gestalt sehr gut betrachten konnte. Es war ein sanftes Dämmern auf dem Marmor, und im Dämmern war es wieder, als leuchtete der Marmor. Man konnte hier auch das leise Rinnen des Wassers aus dem Kruge, das Kräuseln desselben in dem Becken, das Hinabträufeln auf den Boden und das gelegentliche Blitzen auf demselben sehen.
Zur Wohnung hatte man mir dieselbe Räumlichkeit gegeben, die ich in den ersten zwei Malen inne hatte, da ich in diesem Schlosse war. Man hatte sie mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet, auf die man nur immer denken konnte und deren ich zum größten Teile nicht bedurfte; denn ich war in meinem Reiseleben gewohnt geworden, in den äußeren Dingen auf das Einfachste vorzugehen.
Da wir von dem Sternenhofe Abschied nahmen, sagte mir Mathilde auf die liebe, freundliche Weise Lebewohl, mit der sie mich empfangen hatte.
Wir besuchten auf unserer Rückreise mehrere Landwirte, welche in der Gegend einen großen Ruf genossen, und besahen, was sie auf ihren Gütern eingeführt hatten und was sie zum Wohle des Landes auszubreiten wünschten. Mein Gastfreund nahm Rebstecklinge, Abteilungen von Samen und Abbildungen von neuen Vorrichtungen mit nach Hause.
Ehe ich die Rückreise zu den Meinigen antrat, ging ich noch einmal in das Rothmoor, um zu sehen, wie weit die Arbeiten aus meinem Marmor gediehen wären. Von den kleineren Dingen waren manche fertig. Das Wasserbecken und die größeren Arbeiten mußten in das nächste Jahr hinüber genommen werden. Ich billigte diese Anordnung; denn es war mir lieber, daß die Sache gut gemacht würde, als daß sie bald fertig wäre. Das Vollendete packte ich ein, um es mit nach Hause zu nehmen.
In dem Rosenhause fand ich bei meiner Zurückkunft einen Brief von Roland, der über die Ergebnisse der Nachforschungen nach den Ergänzungen zu den Pfeilerverkleidungen meines Vaters sprach. Es war keine Hoffnung vorhanden, die Ergänzungen zu finden. Im ganzen Gebirge war nichts, was mit den beschriebenen Verkleidungen Ähnlichkeit hatte, überhaupt sind da keine Verkleidungen und Vertäflungen vorhanden gewesen, wohin Roland seit Jahren seine Wanderungen angestellt hatte, sie müßten denn sehr verborgen sein, wornach man ein Auffinden so dem Zufalle anheim geben müsse, wie das durch Zufall entdeckt worden sei, was ich meinem Vater gebracht hätte. In Hinsicht der Vertäflungen aber, um welche es sich hier handle, sei beinahe Gewiß vorhanden, daß sie zerstört worden seien. Die Ausmaße, welche ihm über die in den Händen meines Vaters befindlichen Werke zugesendet worden seien, passen genau auf ein Gemach im Steinhause des Lauterthales, woher gleich Anfangs der Ursprung der Dinge vermutet worden sei und welches Gemach jetzt öde steht. Es habe zwei Pfeiler, an denen die noch vorhandenen Verkleidungen gewesen sein müssen. Die Zwischenarbeiten sind eben so zerstört worden wie Vieles, was sich in jenem steinernen Schlößchen befunden habe; denn sonst mußten sie sich entweder in dem Gebäude oder in der Gegend vorfinden, was beides nicht der Fall ist, oder sie müßten sehr im Verborgenen sein, da doch sonst die Nachforschungen, welche nun schon durch zwei Jahre angestellt und bekannt geworden seien, die Leute veranlaßt haben dürften, die Sachen zum Verkaufe um einen guten Kaufschilling zu bringen. Man müsse also seine Gedanken dahin richten, daß nichts zu finden sei, und wenn doch noch etwas gefunden würde, so müsse man es als eine unverhoffte Gunst ansehen. Mein Gastfreund und ich sagten, daß wir ungefähr auf dieses Ergebnis gefaßt gewesen seien.
Als der Herbst ziemlich vorgesehritten war, begab ich mich auf die Rückreise in meine Heimat. Es war ein sehr heiterer Sonntagsmorgen, den ich zu meiner Ankunft auserwählt hatte, weil ich wußte, daß an diesem Tage der Vater zu Hause sein würde und ich daher den Nachmittag in dem vollen Kreise der Meinigen zubringen konnte. Ich war nicht wie gewöhnlich auf einem Schiffe gekommen, sondern ich hatte meine Wanderung längs des ganzen Gebirges gegen Sonnenaufgang unternommen und war dann mitternachtwärts mit einem Wagen in unsere Stadt gefahren. Den Vater traf ich sehr heiter an, er schien gleichsam um mehrere Jahre jünger geworden zu sein. Die Augen glänzten in seinem Angesichte, als wäre ihm eine sehr große Freude widerfahren. Auch die anderen sahen sehr vergnügt und fröhlich aus.
Nach dem Mittagessen führte er mich in das gläserne Häuschen und zeigte mir, daß sich die Verkleidungen bereits auf den Pfeilern befänden. Es war ein bewunderungswürdiger Anblick, ich hätte nie gedacht, daß sich die Schnitzerei so gut darstellen würde. Sie war vollkommen gereinigt und schwach mit Firniß überzogen worden.
»Siehst du«, sagte der Vater, »wie sich alles schön gestaltet hat. Die Holzverkleidung fügt sich, als wäre sie für diese Pfeiler gemacht worden. Es ist fast auch so der Fall; wenn nicht die Holzverkleidung für die Pfeiler gemacht worden ist, so sind doch die Pfeiler für die Holzverkleidung gemacht worden. Was aber von weit größerer Bedeutung ist, besteht darin, daß das Holzkunstwerk in das ganze Häuschen so paßt, als wäre sie ursprünglich für dasselbe bestimmt gewesen — und dies freut mich am meisten. Ich kann mich daher auch nicht so betrüben wie du, daß die anderen Teile der Verkleidungen nicht aufzufinden gewesen sind. Ich müßte das ganze Häuschen wieder umbauen, wenn die Ergänzungen zum Vorscheine gekommen wären; denn schwerlich würden sie hieher passen, und zu verstümmeln oder zu vergrößern würden sie ihrer Natur nach nicht sein. Wir wollen daher das Vorhandene genießen, und kömmt durch ein Wunder die Ergänzung zum Vorscheine, so wird sich schon zeigen, was zu tun sei. Du siehst, wir haben uns viele Mühe gegeben, die Lücken auszufüllen und alles in einen natürlichen Zusammenhang zu bringen.«
So war es auch. Über den Verkleidungen befanden sich an den Pfeilern Spiegel eingesetzt, deren Rahmen die Verzierungen der Verkleidung fortsetzten und zu den Verzierungen der Fensterstäbe und Fensterkreuze hinüber leiteten. Unter den Fenstern waren Simse und Vertäflungen so angebracht, daß sie eine ruhigere Fläche zwischen den Schnitzwerken abgaben. Ich sprach gegen meinen Vater meine Bewunderung aus, daß man der Sache eine solche Gestalt zu geben gewußt habe.