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„Einiges davon, ja. Ein Eindruck von Form, Modellhaftigkeit, universaler Ordnung. Das hab ich gesehen. Aber es ging so rasch. Und dann floh ich davor. Nest-Bindung — Königin-Licht. Nein, das sind bloße Worthülsen für mich, ich verbinde keine reale Substanz mit ihnen.“

„Ich glaube, du begreifst mehr, als du annimmst.“

„Es ist nur der Beginn eines dämmernden Verständnisses.“

„Immerhin — ein Anfang.“

„Ja. Ja, wenigstens weiß ich nun, was die Hjjks nicht sind.“

„Keine Dämonen, willst du sagen? Keine Ungeheuer?“

„Keine Feinde.“

„Keine Feinde, nein“, sagte Nialli. „Widerstreiter — vielleicht. Aber gewiß keine Feinde.“

„Eine sehr subtile kritische Begriffsnuance.“

„Aber eine faktengerechte, Vater.“

Thu-Kimnibol war endlich wieder daheim. Die Fahrt nach Süden war rasch vonstatten gegangen, wenn auch längst nicht schnell genug für ihn, dafür aber ohne Zwischenfälle. Jetzt stapfte er durch die großen verlassenen Räume seiner prächtigen Villa in Dawinno und entdeckte sie sozusagen neu und machte sich nach der langen Abwesenheit wieder mit seinem Heim und seinen Besitztümern vertraut. Es war niemand bei ihm, als er von einem hallenden Raum zum nächsten schritt und hier und dort innehielt, um die Objekte in den Schaukästen zu begutachten.

Überall schwebten Phantome und Gespenster. Denn die Sammelgegenstände hatten ja eigentlich Naarinta gehört; sie hatte zum großen Teil die antiken Schätze, von denen diese Räume überquollen, zusammengetragen und sie geordnet: die Brocken von Skulpturen aus der Großwelt, Architekturfragmente, seltsam verbogenen, verdrehte Metallgegenstände, deren Verwendungszweck man wahrscheinlich niemals würde erschließen können. Während er die Sammlung betrachtete, begann sein Sensor zu kribbeln, und er spürte, wie das ungeheure Alter dieser angeschlagenen, verbeulten Artefakte sich um ihn verdichtete, ihn stark und lebendig zu bedrängen begann, in fremdartigen Energieströmen pulste und vibrierte, so daß seine Villa ihm wie ein Totenhaus vorkam, und dabei war sie doch erst vor einem Dutzend Jahren erbaut worden.

Es war noch früh am Tag, kaum Stunden nach seiner Ankunft. Aber er hatte keine Zeit verloren, seine Kriegsvorbereitungsmaschinerie in Gang zu setzen. Für den Nachmittag hatte er einen Termin bei Taniane; zunächst aber hatte er Läufer ausgeschickt an Si-Belimnion, Kartafirain, Maliton Diveri und Lespar Thone: allesamt Männer mit Macht, Männer seines Vertrauens. Er wartete voll Ungeduld auf ihr Erscheinen. Es war nicht angenehm, hier so allein zu warten. Er hatte nicht damit gerechnet, wie schmerzhaft es sein würde, in ein leeres Haus zurückzukehren.

„Deine Gnaden?“ Es war Gyv Hawoodin, sein Majordomus, ein betagter Mortiril, der seit Jahren in seinen Diensten stand. „Deine Gnaden, Kartafirain und Si-Belimnion wären da.“

„Schick sie rauf! Und dann bring uns Wein!“

Er umarmte die Freunde feierlich. Ein feierlicher Ernst schien überhaupt der passende Gesamttenor für diesen Tag zu sein: Si-Belimnion trug einen dunklen Umhang von trübseliger, geradezu begräbnishafter Düsterkeit, und sogar der sonst übersprudelnd fröhliche Kartafirain wirkte heute bedrückt und übellaunig. Thu-Kimnibol reichte ihnen den Wein, und sie leerten ihre Becher, als wäre es Wasser.

„Du wirst es nicht glauben, was sich hier während dein Abwesenheit getan hat“, begann Kartafirain. „Die gemeine Plebs singt Hymnen auf die Hjjkkönigin. Sie versammeln sich in Kellern, und kleine Kinder predigen ihnen einen verrückten Katechismus.“

„Die Hinterlassenschaft dieses Gesandten Kundalimon“, brummte Si-Belimnion und stierte trübselig in seinen Becher. „Husathirn Mueri hat uns ja gewarnt, daß der Kerl ein Jugendverderber ist, und das war er dann ja auch. Was für ein Jammer, daß er nicht früher umgebracht wurde.“

„Und es war Curabayn Bangkea, der ihn erledigt hat?“ fragte Thu-Kimnibol.

Mit einem Achselzucken antwortete Kartafirain: „Der Wachhauptmann, ja. Jedenfalls sagt man das allgemein. Aber den hat auch jemand umgebracht. Am selben Tag.“

„Ich hab droben im Norden davon gehört. Und wer hat ihn beseitigt, was meint ihr?“

„Höchstwahrscheinlich die Person, wer immer das war, die ihn angestiftet hat, Kundalimon umzulegen“, sagte Si-Belimnion. „Damit der nicht reden kann, zweifellos. Keiner weiß, wer es gewesen sein könnte. Ich hab zwanzig verschiedene Hypothesen gehört, allesamt völlig absurd. Auf jeden Fall sind die Ermittlungen zunächst einmal fast eingeschlafen. Alles dreht sich nur noch um diese neue Religion.“

Thu-Kimnibol starrte ihn verblüfft an. „Ja, aber unternimmt denn Taniane nichts, um das auszumerzen? Ich hab da doch sowas gehört.“

„Es ist leichter, einen Waldbrand im Hochsommer zu löschen“, sagte Kartafirain. „Das hat sich rascher ausgebreitet, als die Wachtruppe ihre Kapellen schließen konnte. Und Taniane hat dann schließlich entschieden, daß es zu riskant sein würde, die neue Religion mit Stumpf und Stiel auszurotten. Es hätte zu einem Volksaufstand kommen können. Das niedere Volk beteuert lautstark, wie segensreich die Lehren der Königin sind. Sie ist ihre Trösterin und ihr Lustobjekt, so singen sie in ihren Gebeten. Das Licht und der Weg. Und sie glauben, alles hier bei uns wird Liebe-Frieden-Honigschlecken sein, sobald nur erst einmal diese bezaubernd-sanftmütigen Hjjks unter uns weilen.“

„Es ist nicht zu fassen!“ murmelte Thu-Kimnibol. „Völlig unbegreiflich!“

„Ha! Es gab Liebe und Friedfertigkeit massenhaft in jenen Tagen, da unsere Vorfahren im Kokon hausten“, rief Maliton Diveri, der gerade in den Saal gekommen war. „Vielleicht ist es ja das, was sie in Wahrheit anstreben. Das Leben als Städter völlig abstreifen, in einen Kokon zurückkehren und ihre Tage mit Schlafen hinter sich zu bringen, oder mit Fußringen, oder wie das sonst heißt, und dem unentwegten Kauen von Samtbeeren! Pfui! Es widert mich wirklich an, wie unsere Stadt verkommen ist, Thu-Kimnibol! Und dir wird es ebenso gehen.“

„Der Krieg wird all diesen Torheiten ein Ende machen“, sagte Thu-Kimnibol scharf.

„Der — Krieg?“

„Ich habe in all den verflossenen Monden unentwegt mit König Salaman konferiert. Es ist mein Eindruck, daß er glaubt, es herrsche Unruhe und Verärgerung unter den Hjjks, daß unsere Nichtakzeptanz ihres Vertragsangebots sie vor den Kopf gestoßen hat und daß sie uns alle demnächst mit Krieg überziehen werden. Der erste Schritt wird ein Angriff auf Yissou sein, noch in diesem Jahr. Aber wenn das Präsidium zustimmt und den Vertrag ratifiziert, werden wir brüderlich verpflichtet sein, ihm in diesem Fall zu Hilfe zu kommen.“

Maliton Diveri sagte glucksend: „Also, der Salaman, der hat ja schon seit dreißig Jahren unentwegt Angstträume von einer Invasion der Hjjks. Hat er nicht deswegen Yissou hinter seiner grotesken Mauer versteckt? Aber die Invasion — die findet nie statt. Was bringt ihn dazu anzunehmen, daß sie ausgerechnet jetzt kommen wird? Und wieso meinst du, daß er recht hat?“

„Ich habe gute Gründe für diese Überzeugung“, antwortete Thu-Kimnibol.

„Und dann, was?“ fragte Si-Belimnion. „Wird diese unsere plötzlich so hjjkliebende Stadt, wie die Dinge nun mal grad laufen, auch nur einen Finger rühren zur Rettung von Yissou, das schließlich ziemlich weit weg ist?“

„Wir werden ein wenig nachhelfen müssen, damit sie einsehen lernen, wie wichtig es für uns ist, daß wir uns in diesem unsrem neuen Pakt bündniskonform verhalten“, sagte Thu-Kimnibol ruhig. „Wenn es nämlich einen Angriff geben sollte — und Salaman besiegt die Hjjks ohne unsere Hilfe, dann wird er Vengiboneeza und die Gebiete nördlich davon für sich beanspruchen. Und dürfen wir ihm erlauben, das alles zu schlucken? Wenn andererseits Yissou den Hjjks in die Hände fällt, dann wird es nicht lange dauern, und wir sehen ganze Wanzenarmeen durch unser eigenes Territorium marschieren. Und das ist ja noch weniger angenehm. Wir werden den Leuten hier in unserer Stadt das klarmachen. Sie werden begreifen müssen, daß eine hjjkische Invasion Yissous ein aggressiver kriegerischer Akt gegen alle aus dem VOLK und in jeglicher Stadt wäre. Es wird ja doch sicher nicht jeder hier bei uns inzwischen ein Anbeter der Königin geworden sein. Wir werden genügend loyale Bürger finden. Die anderen können — wenn sie so wollen — ja daheimbleiben und zu ihrer neuen Göttin beten. Wir aber werden nordwärts marschieren und dieses Nest zerstören.“