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Opa Staip stand zitterig und unsicher zu ihrer Linken, als sie ihren Platz auf der Schautribüne einnahm. Simthala Honginda und Catiriil waren neben ihm. Puit Kjai hatte sie zur Rechten, daneben Chomrik Hamadel, beide prachtvollst behelmt. Vor und etwas unterhalb von ihnen, in vorderster Reihe der unteren Podiumsetage, war ein Trupp Stadtgardisten unter dem Kommando von Chevkija Aim plaziert.

Nach und nach erkletterten auch die übrigen Präsidiumsmitglieder die Tribüne. Taniane begrüßte sie entsprechend. Auf dem Boden fand sich nach und nach eine Menschenmenge ein.

Puit Kjai neigte den Kopf zu Taniane und sagte leise: „Sei heute auf der Hut, Edle. Ich fürchte, deine Feinde könnten leicht den heutigen Tag dazu benutzen, uns Ärger zu bereiten.“

„Irgendwelche stichhaltigen Beweise dafür?“

„Nur Tratsch und Gerede.“

Taniane zuckte die Achseln. „Gerede!“

„Aber oft versteckt sich dahinter etwas Wahres, Herrin.“

Sie deutete in die Ferne, wo sie weit entfernt über der Straße eine graue Staubwolke zu sehen glaubte. „In Kürze ist Thu-Kimnibol hier“, sagte sie. „Und meine Tochter. Mit einem Heer ihnen ergebener Gefolgsleute. Niemand wird es riskieren, angesichts einer derartigen Streitmacht im Anmarsch Ärger zu machen.“

„Sei dennoch auf der Hut!“

„Das bin ich immer.“ Dann aber fuhren ihre Finger unruhig über die glatte schimmernde Koshmar-Maske. Sie blickte umher. „Husathirn Mueri ist nicht da. Er fehlt als einziger. Wieso?“

„Nun, ich nehme an, es bereitet ihm nicht gerade eine übermäßige Freude, Thu-Kimnibols triumphale Rückkehr mitzufeiern.“

„Aber er ist und bleibt ein Prinz des Präsidiums. Sein Platz ist hier bei uns.“ Sie wandte sich um und winkte Catiriil zu. „Dein Bruder!“ rief sie scharf und laut. „Wo ist er?“

„Er sagte, er wollte zuerst in sein Bethaus. Aber er kommt bestimmt rechtzeitig. Da bin ich sicher.“

„Das hoffe ich für ihn!“ sagte Taniane.

Auch Husathirn Mueri war an diesem Tag früh aufgestanden. Die Nacht war ihm lang geworden, er hatte bestenfalls ein bißchen unruhig dagelegen, und war im Grunde recht erleichtert, bereits im Morgengrauen aufzustehen. Seine Träume — sofern er für kurze Augenblicke einschlummerte — waren bedrückend gewesen: Singende Hjjkkämpfer tanzten in der Finsternis Ringelreihen um ihn herum und herum und herum, und die überwältigende Körpermasse der Königin, monströs geschwollen und bleich, hing über ihm als titanisches Gewicht am Himmel und fiel gemächlich auf ihn herab. Die Frühmette im Bethaus hatte bereits begonnen, als er dort eintraf. Tikharein Tourb führte die Gemeinde an, und Chhia Kreun stand bei ihm am Altar. Husathirn Mueri glitt auf den Platz ganz hinten, den er üblicherweise einnahm. Chevkija Aim, tief ins Gebet versunken, nickte ihm beiläufig zu. Sonst kümmerte sich keiner in der Nähe um ihn. Inzwischen war es kein Anlaß zum Gaffen mehr, wenn ein Prinz der Stadt sich in einem Bethaus einfand.

„Der Tag der Offenbarung ist gekommen“, sang der Priesterknabe. „Es ist aber der Tag, an dem die Siegel aufgebrochen werden und das Buch geöffnet, und die Geheimnisse werden an den Tag gebracht, und es gibt die Tiefe preis all ihre Geheimnisse. Dies ist der Tag der Königin, die da ist unsere Tröstung und unsre Lust.“

unsere Tröstung und unsre Lust, respondierte die Gemeinde automatisch, und Husathirn Mueri mit ihnen.

„Sie ist das Licht und der Pfad“, kreischte Tikharein Tourb und gab dabei hjjkische Krächzlaute von sich. Und die Gemeinde klickte und krächzte ihr Echo.

„Sie ist die Essenz und die Substanz.“

Essenz... Substanz...

„Sie ist der Anfang und das Ende.“

Anfang... Ende...

Chhia Kreun trug grüne Zweige nach vorn, und Tikharein Tourb hob sie hoch in die Luft.

„Der Tag ist da, geliebte Freunde, an dem der Wunsch und Wille der Königin verkündet wird. Dies ist der Tag, an dem sich IHRE Liebe uns allen deutlich und spürbar zeigen will. Es ist der Tag, an welchem der Drachen die Dunkelsterne verschlingt und das Licht neugeboren wird. Und SIE wird mitten unter uns sein, denn SIE ist unsere Tröstung und unsre Lust!“

Sie ist unsere Tröstung und unsre Lust.

„Sie ist das Licht und der Pfad.“

Husathirn Mueri respondierte wie alle anderen, wiederholte pflichtgemäß aufs Stichwort die Phrasen; doch heute waren die Worte für ihn nichts weiter als leere Hülsen. Vielleicht waren sie ja nie etwas anderes gewesen. Seine sogenannte Bekehrung zur Religion — eigentlich hatte er sie selber nie so richtig verstanden. Irgendwie hatte er sich selber ausgetrickst, sich vorgemacht, ihm sei da ein Schimmer von etwas Erhabenerem als er selber zugänglich geworden, von etwas Größerem, in dem er sich selbst verlieren könnte. Ja, das war es wohl gewesen. Sein Verstand und seine Seele waren jedenfalls in diesem Augenblick anderswo. Er vermochte an nichts anderes als an Thu-Kimnibol zu denken, wie er ruhmreich und umjubelt durch das Bauernland im Norden der Stadt näherkam, der heimkehrende Kriegsheld, der sich stolz mit irgendeinem Sieg schmückte!

Ein Sieg? Was hatte der Mann denn erreicht? Hatte er die Hjjks besiegt? Hatte er die Königin erschlagen? Nichts dergleichen schien auch nur entfernt möglich. Dennoch war ihm die Kunde vorangeflogen: Der Krieg ist aus! Es wurde Frieden geschlossen! Dank der heroischen Bemühungen von Thu-Kimnibol und Nialli Apuilana. und so weiter und so fort.

Was ihn aber über alle Maßen gallig giftete: Durch irgendeinen seltsam gemeinen Taschenspielertrick des Schicksals war die unerreichbare Nialli Apuilana vom eigenen Oheim, dem Halbbruder ihres Vaters, zur Paarungsgefährtin genommen worden, von dem Mann, den Husathirn Mueri verabscheute wie keinen sonst in Dawinno. Bei der Vorstellung dieser Begattung glaubte er, er müsse ersticken. Ihr glatter seidenweicher Leib an dem riesenhaften borstigen Mannskerl. Seine Hände an ihren Schenkeln, ihrer Brust. und ihre Sensor-Organe auf höchst-intime Art umschlungen.

Nein! Schluß damit! Er befahl sich, nicht mehr an die beiden zu denken. Das führte nur zu Selbstquälerei und Verzweiflung. Er rang um sein inneres Gleichgewicht. Doch sosehr er sich mühte, es wollte keine Ruhe in ihn einkehren. Seine Gedanken wirbelten. Es war ja schon übel genug gewesen daß sie sich diesem Hjjk-Abgesandten hingegeben hatte. aber dann von Kundalimon zu Thu-Kimnibol weiterzuwechseln! Es war unvorstellbar! Unerträglich! Monströs! Dieser gewaltige Klotzbrocken und Muskelprotz! Und noch dazu ihr leiblicher Gevatter!

Husathirn Mueri schloß die Augen. Er mühte sich, durch Gedanken an die Königin, die All-Liebende, die Wohltäterin, die quälenden bildhaften Vorstellungen von Nialli mit Thu-Kimnibol zu verdrängen, doch er konnte sich einfach nicht auf das konzentrieren, was der knabenhafte Priester da vorn sagte. Ihm kamen die Worte nur mehr wie sinnleere Geräusche vor. Hohles Gebrabble, absonderlicher magischer Quatsch.

Vielleicht hab ich ja überhaupt nie etwas von all dem wirklich geglaubt, dachte er. Die Königin lieben? Was für eine verrückte Idee war das im Grunde?

Und wenn ich nun nur von einer Art Schuldgefühl hierher getrieben wurde? Um irgendwie zu sühnen, was ich mit Kundalimon gemacht habe?

Der Gedanke bestürzte ihn. War sowas denn möglich? Er begann zu zittern.

Dann lehnte sich Chevkija Aim zu ihm herüber und murmelte: „Tikharein Tourb wünscht, daß du nach der Versammlung noch bleibst.“

Husathirn Mueri hob blinzelnd den Blick. „Wozu eigentlich?“

Der Hauptmann der Wache antwortete nur mit einem Achselzucken. „Das hat er nicht gesagt. Aber wir sollen nachher nicht an dem Tvinnr teilnehmen. Wir sollen bloß hier warten.“