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Dies ist die erste Vertragsbedingung. Aber es gibt weitere.

Erstens bietet die Königin uns ‚spirituelle Leitung‘ an; also etwa Unterweisung in Glaubenskonzepten, die vage als ‚Nest-Wahrheit‘ und ‚Königin-Liebe‘ bekannt sind. Dabei scheint es sich um speziell hjjkische religionsphilosophische Ideen zu handeln. Wieso die Königin glaubt, daß diese für uns von Interesse sein könnten, vermag ich mir nicht vorzustellen. Jedenfalls wird vorgeschlagen, daß Spezialberater und Instruktoren der Nest-Wahrheit und Königin-Liebe bei uns in der Stadt — also, in sämtlichen Sieben Städten — sich niederlassen und uns die wahren Grundsätze dieser Konzepte lehren sollen.“

„Das kann doch wohl nur ein Witz sein!“ blökte Kartafirain. „Hjjk-Missionare, hier mitten unter uns, die uns ihr verrücktes Blahblah vorsabbern? Hjjk-Agenten, das würde ich sagen. Und mitten in unsrer Stadt! Glaubt denn die Königin, wir sind wirklich so blöd?“

„Das ist nicht alles“, sagte Hresh unbeirrt, hob aber die Hand zum Zeichen, daß er Gehör wünschte. „Es gibt eine weitere Vertragsklausel der Königin, nämlich daß wir uns auf die derzeit von uns besetzten Territorien beschränken werden. Das bedeutet einen dauernden Verzicht auf unser Recht, auf irgendwelche andere Kontinente vorzustoßen, sei es zu reinen Forschungszwecken oder um dort tatsächlich Siedlungen zu errichten.“

„Was?“ Diesmal kam der ungläubige Zwischenruf von Si-Belimnion. „Absurd!“ sagte Maliton Diveri und fuchtelte wütend mit dem Arm. Und Lespar Thone stieß eine Kaskade von perlendem Gelächter aus.

Hresh wirkte leicht bestürzt. Taniane rief den Saal zur Ordnung. Als der Lärm sich gelegt hatte, blickte sie den Chronisten an und sprach: „Hresh, du hast noch immer das Wort. Ist dies der vollständige Bericht über die Vertragsbedingungen?“

„Ja.“

„Also, was hältst du von dem Ganzen?“

„Ich bin in einem Zwiespalt. Einerseits räumt man uns die unbestrittenen Besitzrechte an dem wärmsten und fruchtbarsten Teil des Kontinents ein. Und wir wären für immer frei von den Gefahren und Zerstörungen eines Krieges.“

„Vorausgesetzt, die Hjjks halten sich an ihren Vertrag“, gab Thu-Kimnibol zu bedenken.

„Vorausgesetzt, sie tun dies, ja. Aber ich glaube, das werden sie. Sie gewinnen dabei sehr viel mehr als wir“, sagte Hresh. „Ich meine, indem sie uns von den anderen Kontinenten fernhalten. Natürlich haben wir nicht die geringste Ahnung davon, was es auf diesen Kontinenten gibt. Noch besitzen wir vorläufig die Mittel, um die gewaltigen Ozeane zu überwinden, die uns von ihnen trennen. Doch eines weiß ich: Es könnte dort Ruinenstädte aus der Großen Welt geben, und manche sind vielleicht ebenso voll von Schätzen wie einst Vengiboneeza.“ Wieder ließ er den Blick durch den Saal schweifen. „Damals, als wir noch in Vengiboneeza lebten“, fuhr er fort, „stieß ich auf ein Instrument, das mir die Vision aller vier Weltkontinente ermöglichte und aller Städte, die einst auf ihnen existierten: Städte mit Namen wie Mikkimord oder Tham oder Steenizale. Aller Wahrscheinlichkeit nach warten die Überreste dieser Städte auf uns, ebenso wie damals Vengiboneeza. Vielleicht liegen sie unter hunderttausendjährigem Schutt begraben, oder vielleicht haben Reparaturmaschinen, wie in Vengiboneeza, sie nahezu funktionsfähig erhalten. Ihr alle wißt, von welch hohem Nutzen die in Vengiboneeza gefundenen Instrumente für uns waren.

Nun, diese anderen antiken Städte — und ich hege nicht den geringsten Zweifel daran, daß es sie gibt — enthalten möglicherweise Dinge von noch größerem Wert. Wenn wir diesen Vertrag unterzeichnen, begeben wir uns auf immer des Rechts, nach ihnen zu forschen.“

„Aber was ist, wenn unsere Chancen, zu diesen Orten zu gelangen, ebenso groß sind, als wollten wir zum Mond schwimmen?“ fragte Puit Kjai. „Oder wenn wir sie tatsächlich erreichen, und die Götter allein mögen wissen, wie viele Leben das kosten mag, und es stellt sich heraus, daß es dort gar nichts gibt, was die Mühe lohnt? Ich sage, schenkt den Krempel den Hjjks, mitsamt den Wundern und allem andern. Der Vertrag da erlaubt uns, die Landstriche, die wir bereits in Besitz haben, unstrittig und risikolos zu behalten. Das scheint mir doch wirklich wichtiger.“

„Du hast nicht das Wort“, sagte Taniane scharf. „Noch spricht der Chronist.“ Sie sah Hresh an und fragte: „Ist es also die Überzeugung des Chronisten, daß wir das Vertragsangebot der Hjjks in Bausch und Bogen ablehnen sollten?“

Hresh starrte sie an, als bereite es ihm schwere Pein, eine dermaßen direkte Frage zu beantworten.

Nach einer Pause sagte er: „Den ersten Vertragspunkt, die Festlegung der Grenzen, kann ich akzeptieren. Den zweiten, die Entsendung von Lehrern der NEST-Wahrheit zu uns, verstehe ich ganz und gar nicht. Aber der dritte.“ Er schüttelte den Kopf. „Die Vorstellung, den Hjjks diese Schatzgruben für immer und alle Zeit zu überantworten, das gefällt mir überhaupt nicht.“

Taniane fragte: „Sollen wir also den Vertrag ratifizieren, Hresh, oder nicht?“

Er zuckte die Achseln. „Das muß das Präsidium entscheiden. Ich habe meinen Standpunkt dargelegt.“ Und er setzte sich.

Wieder entstand Unruhe und Gezeter. Alle redeten gleichzeitig durcheinander, und es war ein Gewirr von nickenden Helmen und wedelnden Armen.

„Die Vorsitzende hat das Wort!“ rief Taniane laut und hämmerte erneut auf den Hochtisch.

In den verebbenden Lärm des ungebärdigen Gremiums hinein sprach sie: „Wenn auch der Chronist zu keiner klaren Stellungnahme zu unserem strittigen Tagesordnungspunkt bereit ist, der Häuptling ist es sehr wohl!“

Sie beugte sich nach vorn und funkelte die Frontbänkler scharf an. Beiläufig, beinahe als sei ihr nicht bewußt, was sie tat, nahm sie die Häuptlingsmaske und drückte sie, das Gesicht zum Saal, an die Brust. Es war eine monströse, eine prachtvolle gelbe Maske mit schwarzer Spitze, einem gewaltigen grausamen Schnabel und gezackten Projektionen an den Kanten: beinahe eine Hjjk-Maske. Die Wirkung dabei war so, als nagte sich ein Hjjk aus ihrem Innern heraus und sei urplötzlich mit dem Kopf voraus auf ihrer Brust ans Licht gebrochen.

Schweigend stand sie da. Nur um einen Lidschlag zu lang. Das Gemurmel hob erneut an, und lautere Auseinandersetzungen brachen aus.

„Will die Versammlung mich jetzt reden lassen?“ schrie Taniane. Und dann mit zornbebender Stimme: „Laßt mich reden! Ich will reden!“

„Götter! Werdet ihr sie endlich reden lassen?“ brüllte Thu-Kimnibol mit Donnerstimme und richtete sich halbwegs zu seiner gigantischen Länge auf, und Augenblicke später wurde es still im Saal.

„Ich danke euch“, sagte Taniane mit wütendem Gesichtsausdruck. Ihre Finger glitten geschäftig über den Rand der Maske, die sie an die Brust gepreßt hielt. „Es gibt nur eine einzige Frage“, sprach sie, „mit der wir uns befassen müssen: Was bringt uns dieser Vertrag effektiv an Positivem, wenn wir dafür unseren Anspruch auf drei Viertel der Welt verschenken?“

„Frieden“, sagte Puit Kjai.

„Frieden? Wir haben Frieden. Die Hjjks sind für uns keine Bedrohung. Das einzige Mal, daß sie uns bekriegt haben, haben wir sie niedergemetzelt. Habt ihr das denn vergessen? Das war, als sie Yissou angriffen, die Harruel damals soeben erst gegründet hatte, und wir alle eilten ihm zu Hilfe. Du warst doch dabei, Staip, und du auch, Boldirinthe. Und Thu-Kimnibol — du warst damals nur ein Knabe, aber ich habe gesehen, wie du die Hjjks an jenem Tag zu Dutzenden niedergemacht hast, Seite an Seite mit deinem Vater Harruel. Als der Tag sich neigte, war das Feld übersät von den Gefallenen der Hjjks, und die Stadt war gerettet.“