Выбрать главу

Die fortgesetzte Ernährung ä la Fleischlinge zeigte beträchtliche Auswirkungen bei ihm. Sein Pelz war nun weit dichter und dunkler geworden. Sein Körper wurde beinahe schon etwas rundlich, und wenn er sich in die Haut kniff, hatte er einen beachtlichen Streifen Fleisch zwischen den Fingern, und das war in seinem ganzen bisherigen Leben noch nie der Fall gewesen. Aber diese neue reichliche Nahrung wirkte sich auch auf seine Seele aus, und er fühlte in sich neuen Lebensmut und neue Lebenskraft. Der unvertraute Energiezuwachs machte ihn unruhig, ja geradezu reizbar und sprunghaft. An manchen Tagen zog er Nialli, wenn sie zu ihm auf sein Zimmer kam, noch ehe sie ein Wort sagen konnte, an sich und drängte sie auf den Boden oder auf sein Lager, um seine sich augenblicklich aufrichtende Rute in ihr zu versenken und sie mit kraftvollen Stößen zu nehmen. Auch auf den Straßen schritt er weit und kraftvoll dahin und genoß den Widerstand des Pflasters unter den Füßen. Auch dies war neu für ihn: auf befestigten Straßen zu gehen. Überhaupt war alles neu und erregend.

Alle Leute schienen zu wissen, wer er war. Sie zeigten auf ihn und wisperten. Einige wenige sprachen ihn an, höflich, aber ein bißchen unsicher, als wüßten sie nicht so recht, ob es ungefährlich sei, sich ihm zu nähern. Bei den Kindern war das anders. Die liefen scharenweise hinter ihm drein. Überdies wimmelte es hier überall von Kindern; und manchmal hatte Kundalimon das Gefühl, als lebte außer kleinen Jungen und Mädchen kaum jemand in dieser Stadt. Die Kinderhorden tanzten johlend und kreischend hinter ihm drein und riefen: „Hjjk-Hjjk! Schaut, da geht er, der Hjjk!“

„Sag uns was auf hjjkisch, Hjjk?“

„He, Hjjk, he, Hjjk! Wo haste denn dein Rüsselstück?“

Sie wollten ihn nicht verhöhnen. Schließlich waren es ja nur Kinder. Die Stimmchen klangen fröhlich und verspielt.

Und er wandte sich zu ihnen um und winkte sie heran. Anfangs waren sie ebenso mißtrauisch wie die Erwachsenen, aber allmählich kamen sie nahe heran und scharten sich um ihn. Und ein paar reichten ihm auch scheu die Händchen, und er durfte sie festhalten.

„Sag, bist du echt ein Hjjk?“

„Ich bin wie ihr. Ein Fleischling wie ihr.“

„Ja, aber warum sagen sie dann, du bist ein Hjjk?“

Kundalimon lächelte und sagte behutsam: „Die Hjjks haben mich mitgenommen, als ich noch sehr klein war, und dann haben sie mich im NEST aufgezogen: Aber ich bin hier geboren, müßt ihr wissen, hier in dieser Stadt.“ „Ehrlich? Wer issen dann deine Mutter? Und dein Vater?“

„Marsalforn“, sagte er, „und Ramla.“ Er gab sich Mühe, sich zu erinnern, wer was war. Die Mutter, also die Eiproduzierende, war Marsalforn gewesen, hatte Nialli ihm gesagt. Und die andre Person, der Lebenszünder, war dann Ramla gewesen. Oder war es andersrum? Nie konnte er das recht auseinanderhalten. Im NEST spielte es keine Rolle, wer dein Eiproduzent war und wer der Lebenszünder. Dort waren alle und jeder ganz wirklich und unzweideutig Kind der Königin. Und nur ihre Berührung ermöglichte neues Leben, ohne sie gab es keines. Die Produzenten und die Anreger — sie alle dienten dem WILLEN der KÖNIGIN.

„Wo leben sie denn, deine Eltern?“ fragte ihn ein kleines Mädchen. „Besuchst du sie manchmal, deine Mamma und deinen Pappa?“

„Sie wohnen jetzt woanders. Oder vielleicht wohnen sie auch nirgendwo mehr. Keiner weiß, wo sie geblieben sind.“

„Ach. Das ist aber traurig. Magst du mal kommen und meine Mammi und meinen Pappi besuchen, wo du doch selber keine hast?“

„Das würde ich gern tun“, antwortete Kundalimon.

„Wie bisten du überhaupt hergekommen?“ fragte ein anderes Kind. „Bist du geflogen — wie ein Vogel?“

„Nein. Ich bin auf einem Zinnobären geritten.“ Und er beschrieb mit weitausholenden Armbewegungen das gigantische Tier. „Von weit droben im Norden, von dem Ort, an dem das NEST der NESTER liegt. Tag um Tag, Woche um Woche bin ich gereist und geritten auf meinem Zinnobären bis zu dieser Stadt hier, der Stadt Dawinno. Die Königin hat mich hierher entsandt. Geh du nach Dawinno, hat sie gesagt. Und sie hat mich hergeschickt, auf daß ich zu euch spreche. euch kennenlernte und ihr mich. Auf daß ich euch ihre LIEBE bringe und ihren FRIEDEN.“

„Und wirst du uns mit dir fortnehmen, zurück in euer Nest?“ fragte ein Junge aus dem Hintergrund. „Bist du hergekommen, um uns wegzustehlen, wie sie dich damals weggeholt haben?“

Kundalimon schaute das Kind verblüfft an.

„Ja! Sag schon!“ riefen die Kinder. „Bist du gekommen, um uns zu den Hjjks mitzunehmen?“

„Würdet ihr denn gern dahingehen?“

„Nein!“ Sie schrien es so laut, daß ihm die Ohren klangen. „Bring uns nicht weg! Bitte nicht!“

„Ich bin mitgenommen worden. Und ihr seht doch, daß mir dabei nichts Schlimmes passiert ist.“

„Aber die Hjjks, die sind doch Monster. Scheußliche gefährliche Ungeheuer! Scheußliche riesige Ungeziefer, das isses, was die sind!“

Er schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wahr. Ihr versteht das nicht, weil ihr sie nicht kennt. Keiner hier kann das. Sie sind voller Liebe. Wenn ihr doch nur wissen könntet. Wenn ihr begreifen, fühlen könntet, was NESTgebundenheit ist, was die LIEBE der Königin bedeutet.“

„Der redet, als wär er verrückt“, sagte ein Junge. „Was soll das überhaupt?“

„Pscht!“

„Kommt“, sagte Kundalimon. „Setzt euch her zu mir in diesem Baumgarten. Es gibt so vieles, was ich euch kundtun möchte, damit ihr wißt. Aber laßt mich euch zuerst sagen, wie es im NEST wirklich ist.“

Von der Stadt Yissou seiner Jugend war nichts mehr übrig, woran Thu-Kimnibol sich hätte erinnern können. Wie die ersten primitiven Holzunterstände von Harruels Erstgründung Yissous weggefegt worden waren, um den frühen Steinbauten der Salaman-Stadt Platz zu machen, war inzwischen auch jegliche Spur dieser zweiten Stadtgründung verschwunden. Eine neuere, eine mächtigere Baustruktur war dem übergestülpt worden und hatte das Altvertraute ausgelöscht. Und es war nichts mehr, nicht die kleinste Spur, von den Palästen und Höfen und Häusern und allem anderen übrig.

Salaman sagte: „Das gefällt dir, eh? Sieht aus wie eine richtige große Stadt, was?“

„Es sieht überhaupt ganz anders aus, als ich erwartet hätte.“

„Sprich lauter, lauter!“ sagte Salaman scharf. „Ich kann die Hälfte von dem nicht hören, was du sagst.“

„Bitte tausendmal um Vergebung“, sagte Thu-Kimnibol mit doppelt so lauter Stimme. „Ist es so besser?“

„Du brauchst nicht zu brüllen. Mit meinen Ohren ist alles in Ordnung. Es sind bloß diese verfluchten Bengwörter, die du dauernd benutzt. Du redest mit ’nem Benghelm vorm Maul. Wie soll man da was Vernünftiges verstehen? Na ja, wenn ich dauernd mit den Bengs als Schoßhündchen leben würde, so wie ihr Leute.“

„Wir sind jetzt ein Volk“, sagte Thu-Kimnibol.

„Ach ja? Wirklich? Seid ihr das? Schön, sprich aber trotzdem nicht so viel bengisch, wenn du willst, daß ich verstehe, was du sagst. Wir sind hier konservativ, weißt du. Wir reden noch in der reinen Sprache, der unverfälschten Zunge Koshmars und Torlyris und Thaggorans. Du erinnerst dich an Torlyri? Und an Thaggoran, he? Aber nein, wie könntest du! Der war ja der Chronist vor Hresh. Die Rattenwölfe haben ihn zerfleischt, gleich nach dem Großen Auszug, damals, als wir die Ebene durchzogen. Da warst du ja noch nicht einmal geboren. Es hätte mir klar sein müssen, daß du dich an gar nichts von alledem erinnern kannst. Ich hätte bedenken müssen, daß ich ein vergeßlicher alter Kracher mit Gedächtnisschwund geworden bin. Und sehr zänkisch, Thu-Kimnibol. Wirklich, ausgesprochen giftig!“