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Nein. Nein. Nein. Nein.

„Du hast dich geirrt“, sagte er nach einer Weile. „Die tun etwas anderes da in dem Zimmer. Was du da an Geräuschen hörtest.“

„Es war nicht bloß der Lärm, deine Gnaden.“

„Ich verstehe nicht.“

„Wie du gerade gesagt hast, die Geräusche genügten mir nicht als Beweis. Darum habe ich in die Wand des Zimmers neben seinem ein kleines Loch zur Observation gebohrt.“

„Du hast sie ausspioniert?“

„Ihn, nicht sie, deine Gnaden. Ihn. Er stand zu der Zeit in meinem Gewahrsam, wenn ich dich daran erinnern darf. Es war also korrekt, daß ich mir Gewißheit über die Art seiner Aktivitäten verschaffte. Ich hab ihn observiert. Und sie war auch dort. Und sie haben nicht Beinringen geübt, Edler. Jedenfalls bestimmt nicht, als er mit seinen Händen ihre.“

„Genug!“

„Ich kann dir versichern.“

Husathirn Mueri hob gebieterisch die Hand. „Bei Nakhaba, ich sagte genug, Mann! Ich will die schmutzigen Einzelheiten nicht hören.“ Er mühte sich um Fassung. „Ich verlasse mich auf deine Versicherung“, sagte er kalt, „daß dein Bericht akkurat ist. Verstopfe dein Spähloch und bohre keine weiteren. Aber komm und berichte mir täglich über die Aktivitäten des Gesandten und seinen Predigten vor der Jugend.“

„Und wenn ich ihn in Gesellschaft der Nialli Apuilana sehe, deine Gnaden? Auf der Straße, meine ich. Oder in einem öffentlichen Speisehaus. Oder sonstwo, allem Anschein nach in aller Harmlosigkeit? Soll ich dir auch davon berichten?“

„Ja. Berichte mir auch davon.“

„Ich will mit dir ins NEST gehen“, sagte Nialli. „Um wieder die Nestbindung zu fühlen, Nest-Wahrheit zu sprechen.“

„Das wirst du. Wenn die Zeit gekommen ist. Wenn mein Werk hier getan ist.“

„Nein, ich meine, hier, heute, jetzt.“

Es war ein stiller Nachmittag. Der warme feuchte Sommer war vorbei, und es wehte ein kräftiger Herbstwind, heiß, aber trocken und scharf von Süden her. Sie waren nach der Kopulation und lagen dicht nebeneinander zusammengerollt auf Kundalimons Lager, engumschlungen und striegelten sich gegenseitig das zerwühlte Fell.

Er sagte: „Jetzt? Wie soll das geschehen?“

Sie bedachte ihn mit einem forschenden Blick. Hatte sie den Zeitpunkt falsch eingeschätzt? War für ihn tvinnern — oder überhaupt jegliche seelische Intimität noch immer so beängstigend wie zu Beginn? Er hatte sich so stark verändert, seit er allein die Stadt durchwanderte. Er war anders, wirkte stärker, weniger verkrampft, sicherer in seiner Fleischlings-Identität. Doch noch immer zögerte sie, sein Zutrauen aufs Spiel zu setzen, indem sie die unausgesprochene Grenzlinie überschritt, die zwischen ihnen verlief.

Jetzt aber wirkte er ganz ruhig und betrachtete sie offen und mit sanftem Blick.

Vorsichtig begann sie: „Du könntest mich durch deine NestErinnerungen führen. Durch die Berührung unserer Gedanken.“

„Du meinst diese Tvinnern“, sagte er.

Sie zögerte. „Ja, das wäre eine Möglichkeit. Oder indem wir unser Zweitgesicht einsetzten.“

„Du sprichst oft davon. Aber ich weiß nicht, was das ist.“

„Eine Art Sehen — eine Wahrnehmung in die Tiefen unter der Oberfläche der Dinge.“ Nialli schüttelte den Kopf. „Und du hast das noch nie selbst erlebt? Aber jeder kann es. Sogar schon ganz kleine Kinder. Allerdings im Nest vielleicht, ohne das Bewußtsein andrer Fleischlinge in der Nähe, das dir zeigen könnte, wozu dein eigenes in der Lage ist.“

„Zeig es mir jetzt“, bat er.

„Und du wirst dich nicht fürchten, wenn ich dich berühre?“

„Zeig es mir!“

Er hat sich wirklich verändert, dachte sie.

Dennoch fürchtete sie, sie könnte in ihm Angst auslösen und ihn damit sich entfremden. Aber er hatte sie ja gebeten. Zeig es mir... Sie rief ihr Zweites Gesicht herauf und richtete es nach außen und weitete das Feld rings um ihn aus. Er fühlte es. Ganz zweifellos. Sie empfing unmittelbar die Reaktion seines Gehirns — ein bestürztes Zurückweichen. Und er zitterte. Dennoch blieb er dicht in ihrer Nähe und blieb offen und zugänglich. Es gab keinerlei Anzeichen, daß er irgendwelche der üblichen Schutzmechanismen auffuhr, wie man sie einsetzt, um sich gegen die Fremdeinwirkung des Zweitgesichts abzuschirmen. Hatte er einfach keine Ahnung, wie das geht? Nein. Nein, er schien sich ihrer Sondierung bereitwillig auszuliefern.

Sie holte tief Luft und trieb ihr erweitertes Wahrnehmungsfeld so tief in sein Bewußtsein, so tief sie es wagte.

Und sie sah das NEST.

Alles war verschwommen, undeutlich, unbestimmt. Entweder waren seine Mentalkräfte noch unentwickelt, oder er hatte eine Hjjk-Methode der Denkmaskierung erlernt. Denn was sie in ihm erblickte, sah sie wie durch viele Schichten eines dunklen Gewässers.

Ja, es war das Nest, wirklich. Sie sah die dämmerigen unterirdischen Gänge und die gewölbten Decken. Dunkle Gestalten, Hjjk-Gestalten bewegten sich dort steif. Aber alles blieb undeutlich. Sie konnte keine Kastenunterschiede erkennen. Sie konnte nicht einmal Weib von Mann unterscheiden, Soldat von Arbeiter. Was jedoch vor allem fehlte, war der ‚Geist des Nestes‘, die Dimension der seelischen Wirklichkeit, die fundamentale tiefe Nest-Bindung, die alles umfassen, einhüllen, tragen sollte, der alles durchdringende Strom der Königin-Liebe in diesen schwach erhellten unterirdischen Gängen, das alles beherrschende Gebot des Ei-Plans. Es war kein Wohlgeruch da. Und keine Wärme. Es gab keine Nahrung. Nialli schaute in das NEST und blieb dennoch von ihm abgeschnitten, ein Außenseiter, allein und verloren in den eisigen Bereichen der Schwärze zwischen den gefühllosen Sternen.

Enttäuscht versuchte sie etwas tiefer vorzudringen. Es wurde nicht besser. Dann verspürte sie einen sanften Stoß.

Kundalimon mühte sich, ihr zu helfen. Irgendwie war er an die Quelle seiner eigenen Zweitsichtpotentiale vorgedrungen, die er wahrscheinlich noch nie vorher benutzt hatte, oder wenn, dann ohne zu wissen, was es war, und nun strengte er sich an, die Vision für Nialli zu verstärken. Doch auch damit wollte sich der Schleier nicht gänzlich heben. Gewiß, sie sah nun deutlicher, doch die gesteigerte Helle bewirkte nur neue Verzerrungen.

Es war zum Verrücktwerden. So nahe zu sein und nicht an den Punkt zu kommen.

Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust. Sie zog ihr Bewußtsein aus dem seinen zurück und rollte von ihm fort, mit dem Gesicht zur Wand.

„Nialli?“

„Es tut mir leid. Ich bin gleich wieder in Ordnung.“ Sie weinte still in sich hinein. Sie fühlte sich stärker alleingelassen als jemals zuvor.

Seine Hände streichelten ihr den Rücken, die Schultern. „Hab ich was getan, was dich ärgert?“

„Nein. Nichts. Nicht du, Kundalimon.“

„Also haben wir es falsch angepackt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab was gesehen. Nur ein bißchen. Den Saum der Umrisse des Nests. Alles war dermaßen überschattet. Undeutlich. Weit weg.“

„Ich hab es falsch gemacht. Du wirst es mir richtig beibringen.“

„Es war nicht deine Schuld. Es — es hat einfach nicht funktioniert.“

Dann herrschte eine Weile lang Stille. Er rückte näher an sie heran und bedeckte ihren Leib mit dem seinen. Dann plötzlich, fast erschreckend, ließ er sein Sensororgan an ihrem entlanggleiten, in einer hastigen raschelnden Berührung, die ihr einen scharfen Gefühlsschauder durch die Seele jagte.

„Wir versuchen das Tvinnr, wollen wir?“ bat er.